„Teilchen können nahezu transparent werden“

Kim Hermann

Die Illustration zeigt ein Rechteck, auf dem sich zwei Kugeln befinden.

J. Zirkelbach/Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts

Fällt Licht auf ein Objekt, wirft es hinter sich einen Schatten. Das gilt für große Gegenstände genauso wie für kleine Nanoteilchen. Doch Wissenschaftler haben nun einen Weg gefunden, den Schatten von winzigen Goldteilchen abzuschwächen – mithilfe eines einzelnen Moleküls. Bringt man die beiden Teilchen nahe genug aneinander, lässt das Goldteilchen auf einmal mehr Licht hindurch. Wie dieser Effekt genau funktioniert und welche Anwendung das Phänomen in Zukunft haben könnte, berichtet Johannes Zirkelbach vom Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts in Erlangen im Interview mit Welt der Physik.

Welt der Physik: Warum werfen Objekte einen Schatten?

Vier Männer stehen an einem experimentellen Aufbau mit vielen Spiegeln.

Johannes Zirkelbach und seine Kollegen

Johannes Zirkelbach: Trifft Licht auf einen Gegenstand wie etwa einen Tisch, kann es an dessen Oberfläche in alle Richtungen gestreut werden. Zudem wird ein Teil des Lichts von dem Objekt absorbiert, wodurch sich das Objekt leicht erwärmt. Die beiden Effekte verhindern somit, dass Lichtstrahlen den Gegenstand durchdringen – es entsteht ein Schatten. In unserer Forschung interessieren wir uns allerdings für sehr viel kleinere Objekte als einen Tisch – nämlich für Goldteilchen, die nur etwa hundert Nanometer groß sind. Auch diese Teilchen absorbieren und streuen Licht. So kann die Intensität eines Laserstrahls etwa um die Hälfte abgeschwächt werden, wenn man ihn auf ein Goldteilchen richtet.

Wieso untersuchen Sie Goldteilchen?

Goldteilchen streuen eigentlich besonders stark, doch theoretischen Modellen zufolge kann ein spannender Effekt auftreten, wenn man Goldteilchen mit Licht bestrahlt: Es sollte nämlich möglich sein, die Teilchen nahezu komplett transparent werden zu lassen. Sie absorbieren und streuen das Licht dann nicht mehr, sondern lassen es fast vollständig hindurch. Dazu muss man bei sehr niedrigen Temperaturen ein zweites Teilchen – ein Molekül mit bestimmten Eigenschaften – in die Nähe der Goldteilchen bringen.

Wie wird das Goldteilchen dadurch transparent?

Um das zu verstehen, muss man sich zunächst die Streuung von Licht an einem Goldteilchen genauer anschauen. Dabei spielen die Materialeigenschaften des Goldteilchens eine entscheidende Rolle: In dem Goldteilchen befinden sich nämlich frei bewegliche Elektronen, die gleichmäßig innerhalb des Goldteilchens verteilt sind. Licht wiederum besteht aus schwingenden elektrischen und magnetischen Feldern, die mit den Elektronen im Goldteilchen wechselwirken. Trifft nun das Laserlicht auf die Elektronen im Goldteilchen, regt das elektromagnetische Feld die Elektronen dazu an, mit der gleichen Frequenz wie das Licht hin- und herzuschwingen.

Warum wird dadurch das Licht gestreut?

Zunächst geben die elektrischen und magnetischen Felder einen Teil ihrer Energie an die Elektronen ab. Dadurch bewegen sich die Elektronen mehrere Hundert Billionen Mal pro Sekunde von einer Seite des Goldteilchens zur anderen. Aufgrund dieser Bewegung geben die Elektronen wiederum selbst elektromagnetische Strahlung mit der gleichen Frequenz wie das Laserlicht ab. Das Licht des Lasers wird also aufgrund der Bewegung der Elektronen in alle Richtungen gestreut. Damit an dem Goldteilchen aber weniger Licht gestreut wird und es transparenter wird, müssen die Elektronen an ihrer Schwingbewegung gehindert werden.

Und das passiert durch das Molekül?

Auf der REM-Aufnahme sind gleichmäßig angeordnete Punkte zu sehen. Es befinden sich in vier Reihen jeweils vier Punkte.

Goldpartikel

Genau. In unserem Experiment nutzen wir das Farbstoffmolekül Dibenzoterrylen. Auch in diesem Molekül sind die negativen Ladungen beweglich. Dadurch kann sich der negative Ladungsschwerpunkt innerhalb des Moleküls verschieben. Sobald sich das Molekül nun nahe genug am Goldteilchen befindet, stoßen die Elektronen im Goldteilchen den beweglichen negativen Ladungsschwerpunkt im Molekül ab. Da die Elektronen ständig ihre Position ändern, bewegt sich auch der Ladungsschwerpunkt im Molekül ständig hin und her und wird so zum Schwingen angeregt. Und diese beiden Schwingungen beeinflussen sich nun gegenseitig. Dieses Phänomen lässt sich aber nicht nur bei elektromagnetischen, sondern beispielsweise auch bei mechanischen Schwingungen beobachten: So werden etwa Pendel – sogenannte Schwingungstilger – an Gebäuden wie beispielsweise Wolkenkratzern angebracht, die durch ihre Eigenschwingung die mechanischen Schwingungen des Gebäudes hemmen.

Wie wird die Schwingung genau gehemmt?

Um die Schwingung eines Gebäudes zu dämpfen, wählt man einen Schwingungstilger mit einer ganz bestimmten Eigenfrequenz. Bei dieser Frequenz schwingt das Pendel dann besonders stark und nimmt dabei auch die Energie der Gebäudeschwingung auf. Wir haben das Dibenzoterrylen-Molekül in unserem Experiment auf eine ähnliche Art und Weise ausgewählt, denn die Schwingung des Ladungsschwerpunkts bremst die Elektronen im Goldteilchen möglichst gut ab. Dazu sind allerdings extrem niedrige Temperaturen notwendig. Denn damit der dämpfende Effekt auftritt, müssen die beiden Schwingungen genau aufeinander abgestimmt sein und dürfen nicht durch die Bewegung anderer Teilchen aus der Umgebung gestört werden. Wir mussten also einige technische Herausforderungen meistern, bis wir schließlich den Transparenzeffekt beobachten konnten.

Wie lief das Experiment ab?

Zunächst haben wir die Moleküle im flüssigen Zustand auf eine fest angeordnete Struktur aus Goldteilchen gegossen. Dieses System haben wir anschließend auf etwa minus 271 Grad Celsius heruntergekühlt, um störende Einflüsse aus der Umgebung zu verhindern. Dann haben wir nach Molekülen gesucht, die sich zufällig sehr nah an einem Goldteilchen befanden. Als wir diese Goldteilchen dann mit Laserlicht bestrahlten, konnten wir tatsächlich beobachten, dass das Goldteilchen bis zu zehn Prozent mehr Licht hindurchließ. Damit haben wir zwar noch keine vollkommene Transparenz erreicht. Doch in Zukunft ist ein noch deutlich größerer Effekt vorstellbar – beispielsweise mit einem noch geringeren Abstand zwischen den Teilchen.

In welchen Bereichen ließe sich dieser Effekt nutzen?

Bislang forschen wir nur an den Grundlagen des Phänomens. Doch in Zukunft könnte die Technik in sogenannten optischen Schaltkreisen eine spannende Anwendung finden. Diese Schaltkreise werden möglicherweise eine Alternative zu klassischen elektrischen Schaltkreisen darstellen. Anstelle von Strom bewegt sich in optischen Schaltkreisen nämlich Licht. Doch um die Technik eines Tages nutzen zu können, benötigen wir unter anderem optische Schalter, mit denen sich das Licht steuern lässt. Unser Goldteilchensystem ist ein möglicher Kandidat dafür. Denn über die Schwingung innerhalb des Moleküls ließe sich theoretisch regeln, wie viel Licht das Goldteilchen durchlässt.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/teilchen-koennen-nahezu-transparent-werden/