Funktion der Hochtemperatur-Brennstoffzelle
Roland Wengenmayr
Hochtemperatur-Brennstoffzellen mögen es heiß, sie arbeiten bei Temperaturen bis zu 1000 Grad Celsius. Besonders geeignet sind solche Anlagen für kleine stationäre Kraftwerke, die beispielsweise einen Häuserblock gleichzeitig mit elektrischer Energie und Warmwasser versorgen. Aus Sicht der Forscher kann die Leistung heutiger Hochtemperatur-Brennstoffzellen noch deutlich gesteigert werden. Eines der leistungsbegrenzenden „Nadelöhre“ ist die Sauerstoffreaktion in der Kathode.Jürgen Fleig und seine Kollegen vom Max-Planck- Institut für Festkörperforschung in Stuttgart untersuchen, wie sich die Kathoden optimieren lassen.
Zu den Hochtemperatur-Brennstoffzellen gehört die „Solid Oxide Fuel Cell“ (SOFC), zu deutsch Festoxid-Brennstoffzelle. Die SOFC hat ihren Namen von einer Schicht aus einer Oxidkeramik. Diese Elektrolytschicht ist einige Hundertstel bis einige Zehntel Millimeter dick und trennt als Separator die Anode von der Kathode. Im Gegensatz zu Niedertemperatur-Brennstoffzellen haben SOFCs keine Probleme mit dem Wasserhaushalt und werden auch nicht durch Kohlenmonoxid „vergiftet“.
Wird reiner Wasserstoff als Brennstoff eingesetzt, dann besteht das Abgas der SOFC aus reinem Wasserdampf. Beim Betrieb mit kohlenwasserstoffhaltigen Brennstoffen wie beispielsweise Methanol gibt die SOFC Wasserdampf und Kohlendioxid ab. Wegen der hohen Betriebstemperatur der SOFC von 700 bis 1000 Grad Celsius ist der abgegebene Wasserdampf sehr heiß. Es lohnt sich, seine Wärme weiter zu nutzen. Soll die SOFC mit Methanol betrieben werden, dann kann die Wärme zur Gewinnung von Wasserstoff aus dem Methanol eingesetzt werden. Bei dieser so genannten Reformierung wird das Methanol chemisch zersetzt und dabei Wasserstoff für die Reaktion in der SOFC frei. Mit dem Wasserdampf kann auch Brauchwasser erhitzt oder sogar eine nachgeschaltete Dampfturbine angetrieben werden, die ebenfalls elektrischen Strom erzeugt. Diese kombinierten Systeme sollen nach Einschätzung der Brennstoffzellen-Entwickler von Siemens-Westinghouse bis zu 70 Prozent der im Brennstoff chemisch gespeicherten Primärenergie in elektrische Energie umwandeln können. Ähnlich hohe Wirkungsgrade erreichen sonst nur Großkraftwerke mit hoch optimierten Dampfturbinen-Systemen.
Kleine Anlagen für ein ganzes Haus
Die SOFC braucht eine lange Vorlaufzeit, bis sie ihre hohe Betriebstemperatur erreicht. Aus diesem Grund ist sie nur für den stationären Dauerbetrieb in Kraftwerken geeignet. Der mobile Einsatz in Fahrzeugen oder in tragbaren Elektrogeräten bleibt den sofort betriebsbereiten Niedertemperatur-Brennstoffzellen vorbehalten. Neben dem Einsatz in größeren Kraftwerken ist die SOFC besonders interessant für den zukünftigen Markt kleiner, dezentraler Anlagen, die ein einzelnes Haus zugleich mit Strom und Warmwasser versorgen und sogar überschüssige Energie in das Stromnetz einspeisen Schwerpunkt kann. Jürgen Fleig und seine Stuttgarter Kollegen in der Arbeitsgruppe von Joachim Maier wollen das Verhalten der Kathoden der SOFCs genau verstehen: „Das sind ziemlich poröse Dinger“, sagt Fleig.
Die Anode und die Kathode haben viele Poren, um im Inneren den Reaktionsgasen Wasserstoff und Sauerstoff viel Oberfläche für die chemische Reaktion zu bieten. Eine typische SOFC-Kathode besteht meist aus keramischem Lanthan-Strontium-Manganoxid (LSM), das oft noch zusätzlich mit Yttrium-stabilisiertem Zirkoniumoxid (YSZ) vermischt ist. Diese Kathode ist dann in Kontakt mit der dünnen Elektrolytkeramik, die aus reinem YSZ besteht. Eine derart poröse Kathode kann wie ein Schwamm von der Luft durchströmt werden.
An der großen Oberfläche im Inneren der Kathode wird in einer elektrochemischen „Einbau-Reaktion“ der gasförmige Sauerstoff in seine Atome zerlegt und diese in negativ geladene Ionen umgewandelt. Im Gegensatz zur Membran-Brennstoffzelle (PEMFC) wandern in der SOFC die Sauerstoffionen durch die Zelle, während die Wasserstoffionen, die Protonen, an der Anode gebunden bleiben. Dafür sorgt der Elektrolyt aus YSZ, der in der SOFC die Funktion des Separators übernimmt. Er ist nur für die Sauerstoffionen durchlässig. Sie fließen durch ihn hindurch zur Anode und reagieren dort mit den Protonen zu Wasser.
YSZ-Einkristall mit LSM-Mikroelektroden auf dem keramischen Heiztisch. Die Nadeln kontaktieren eine Mikroelektrode und die Gegenelektrode auf der Rückseite des YSZ-Einkristalls. Oben bei Raumtemperatur, unten bei 800ºC.
Besonders interessant ist die Zone, in der die LSM-Partikel des porösen Kathodenmaterials in Kontakt mit dem YSZ des Elektrolyten stehen. Diese Zone ist im unteren Bereich der Abbildung gut zu sehen. Hier liegen die „aktiven“ Zentren. Durch sie können die Sauerstoff-Ionen in der Einbau-Reaktion wie durch kleine Fenster in den Elektrolyten gelangen. Das Verständnis der Vorgänge an diesen „Fenstern“ ist einer der Schlüssel zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit heutiger SOFCs.
Warum beeinflusst die Einbaureaktion des Sauerstoffs in die Kathode die Leistung der Brennstoffzelle so entscheidend? Die Rate, mit der die Brennstoffzelle Wassermoleküle produziert und dabei elektrische Energie freisetzt, hängt direkt von der Zufuhr der Sauerstoffionen ab. Jedes Wassermolekül wird aus jeweils einem Sauerstoffion und zwei Protonen zusammengebaut. Der Sauerstoffeinbau in der Kathode geschieht in der SOFC deutlich langsamer als die Wasserbildung in der Anode und bestimmt so die Geschwindigkeit der gesamten chemischen Reaktion.
Entscheidend ist also, wie groß und wie durchlässig das „Fenster“ ist, durch das die Sauerstoffionen in den Elektrolyten gelangen. Wie funktioniert es und wie ließe es sich weiter „öffnen“? Ist es klein oder schwer zu durchdringen, dann ergeht es der Brennstoffzelle wie einem starken Raucher: In seiner Lunge übernehmen die Lungenbläschen die Funktion eines „Fensters“, durch das Sauerstoff ins Blut gelangt. Sind die Lungenbläschen durch Rauchen geschädigt, dann lassen sie weniger Sauerstoff durch und senken so die körperliche Leistungsfähigkeit.
Die Wissenschaftler des Stuttgarter Max-Planck-Instituts wollen herausfinden, was auf mikroskopischer Ebene, also in der Welt einzelner Atome, mit dem Sauerstoff an den aktiven Zentren – den „Fenstern“ - geschieht. Wenn es den Forschern gelingt, diesen Prozess genau zu verstehen, dann können sie viel gezielter optimierte Kathoden entwickeln und durch planvolles Training die „Lunge“ der SOFC auf höhere Leistung trimmen.
Die weite Reise der Elektronen
Um in den Elektrolyten hineinzukommen, braucht jedes Sauerstoffatom zusätzliche Elektronen. Diese stellt die Kathode zur Verfügung. Die Elektronen haben bereits eine weite Reise hinter sich. Sie stammen aus der Anode, wo sie sich von den Wasserstoffatomen abgespalten haben. Von dort strömen sie als Transporter der elektrischen Energie aus der Brennstoffzelle über elektrische Leitungen zu einem Verbraucher, zum Beispiel einem Elektromotor. Im Verbraucher verwandeln sie einen großen Teil der transportierten Energie in Nutzarbeit um. Dann fließen sie zurück zur Brennstoffzelle in die Kathode, wo sie nun dem Sauerstoff begegnen.
Doch was geschieht mit den Sauerstoffionen, nachdem sie die Elektronen als „Reisegepäck“ aufgenommen haben? Theoretisch sind zwei Wege für die Einbaureaktion möglich. Beim ersten Weg durchdringt das Sauerstoffion in einer „Austauschreaktion“ die Oberfläche eines LSM-Partikels der Kathode, das direkt auf der Oberfläche des Elektrolyten sitzt. Es wandert durch das Partikel und weiter durch die Kontaktfläche zwischen Partikel und Elektrolyt in den Elektrolyten hinein. Dominiert diese Einbaureaktion, sind die Kontaktflächen die leistungsbegrenzenden Fenster – gleichsam die Nadelöhre.
Wanderung an der Dreiphasengrenze
Der zweite Weg für die Einbaureaktion führt über die Oberfläche des LSM-Partikels, wobei der Sauerstoff zunächst nur „adsorbiert“ wird. Das Sauerstoffion nimmt hier nicht gleich das volle Elektronengepäck auf, sondern wandert zuerst an der Oberfläche entlang zu der so genannten Dreiphasengrenze. Das ist die Kante, an der Luft, LSM-Partikel und Elektrolyt zusammenstoßen. Durch diese Kante dringt das Sauerstoffion in den Elektrolyten ein und nimmt dabei schließlich beide Elektronen auf. Hier ist also die Dreiphasengrenze das Nadelöhr.
Für die experimentelle Untersuchung der Kathoden-Eigenschaften wird die so genannte Mikrolithografie eingesetzt. Sie kommt aus der Halbleitertechnologie, wo mit diesem Verfahren die mikroskopischen Strukturen der elektronischen Chips erzeugt werden. Mithilfe der Mikrolithografie „baut“ die Stuttgarter Technologiegruppe um Hanns-Ulrich Habermeier winzige Modellkathoden, deren Form und Größe sie für Untersuchungsreihen systematisch verändern. Mit diesen Modellkathoden wollen Jürgen Fleig und seine Mitarbeiter herausfinden, welchen Einfluss die Form und die Größe der katalytischen LSM-Partikel auf die Sauerstoffreaktion hat. Die Abbildung zeigt eine Reihe solcher unterschiedlich großer Mikroelektroden. Ihre Größe variiert zwischen 20 und 200 Mikrometern, also Millionstel Metern.
Zusätzlich entwerfen die Forscher am Computer Modelle der Zone an der Kontaktfläche zwischen Kathode und Elektrolyt. Dann wird berechnet, wie die Stromverteilungen in dieser Zone aussehen und wie diese von den Modellannahmen abhängen. So können im „Computerexperiment“ verschiedene Betriebsbedingungen der SOFC simuliert werden. Zur Simulation wird die so genannte „Finite-Elemente-Methode“ verwendet. Bei diesem Rechenverfahren wird das zu simulierende Objekt in kleine Elemente unterteilt, die fest definierte Eigenschaften haben und deren Verbindung mit Nachbarelementen genau festgelegt ist. So kann man am Computer Kathoden mit verschiedener Gestalt (“Geometrie“) und Größe konstruieren und ihre Eigenschaften unter Betriebsbedingungen simulieren.
Wo sitzt nun das Nadelöhr für die Sauerstoffaufnahme? Ist es der Eintritt des Sauerstoffs durch die Oberfläche der LSM-Partikel – die „Austauschreaktion“? Ist es der Weg des Sauerstoffs durch die Partikel? Oder ist es die Dreiphasengrenze an der Kante der Partikel? Aus den Ergebnissen der Messreihen an den Modellelektroden ziehen die Stuttgarter Forscher erste, sehr interessante Schlussfolgerungen. Es zeigt sich, dass die Sauerstoffionen grundsätzlich nicht einen der beiden Wege bevorzugen, sondern über beide in den Elektrolyten eingebaut werden.
Beide Einbaumöglichkeiten sind gleichermaßen relevant. Welcher Pfad schließlich bevorzugt wird, hängt von der Geometrie der Elektrode und von der Stärke des Stroms durch die SOFC ab. Dominiert der Pfad entlang der Oberfläche des LSM-Partikels, dann ist der Sauerstoffeinbau an der Dreiphasengrenze das gesuchte Nadelöhr. Dominiert der Weg durch die Oberfläche des LSM-Partikels hindurch, dann ist die Austauschreaktion an der Oberfläche das „Nadelöhr“.
Die Daten, die das Max-Planck- Institut für Festkörperforschung aus den Modellkathoden gewonnen hat, sind nicht nur für sich genommen sehr aufschlussreich. Mit ihnen können auch die Computermodelle der Kathoden einer Abbildung der Wirklichkeit näher kommen, indem sie zum Beispiel mit den Finite-Elemente-Rechnungen realitätsnah simulieren, ob sich durch veränderte Geometrien, Partikelgrößen oder Materialeigenschaften der Sauerstoffdurchsatz durch die Brennstoffzelle verbessert.
Nadelöhre wandeln sich zu offenen Fenstern
Schon heute wissen die Forscher, dass die Vorgänge an der Oberfläche der Kathoden-Partikel – besonders die Austauschreaktion beim Weg 1 – entscheidend sind für die Entwicklung einer leistungsfähigeren Kathode. Gelingt es, die Oberflächenreaktionen durch eine Verbesserung des Katalysatormaterials zu beschleunigen, dann werden die Nadelöhre zu offenen Fenstern.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/energie/brennstoffzellen/hochtemperatur-brennstoffzellen/