„Die Sauerstoff-Ionen-Batterie wurde zufällig entdeckt“
Tine Heni
Im Elektroauto, Laptop oder Smartphone: Batterien sind mittlerweile nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Auch für Wind- und Solarkraftanlagen werden sie als Zwischenspeicher für den produzierten Strom benötigt, wobei diese Batterietypen zurzeit noch sehr teuer sind oder sich erst in frühen Entwicklungsstadien befinden. Auf der Suche nach solchen Stromspeichern hat ein Forschungsteam nun eine neuartige Batterie entwickelt – die Sauerstoff-Ionen-Batterie. Sie funktioniert ähnlich wie herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien, wobei sie sich mit Sauerstoff aus der Umgebungsluft wieder regenerieren kann. Im Interview mit Welt der Physik erzählt Alexander Schmid von der Technischen Universität Wien, wie die neue Batterie funktioniert und wofür sie verwendet werden könnte.
Welt der Physik: Welcher Batterietyp wird derzeit am häufigsten verwendet?
Alexander Schmid: Abhängig von der Anwendung gibt es verschiedene Batterietypen, wobei mittlerweile am häufigsten Lithium-Ionen-Batterien verbaut sind. Der Anwendungsbereich von Lithium-Ionen-Batterien umfasst mittlerweile tragbare Elektronikgeräte, Elektrofahrzeuge, Energiespeichersysteme für erneuerbare Energien oder medizinische Geräte. Man könnte fast sagen, dass alle an Steckdosen anschließbaren Geräte damit betrieben werden. Damit war die Lithium-Ionen-Batterie womöglich die größte Innovation in der Batterieforschung. Die erste kommerziell erfolgreiche Lithium-Ionen-Batterie wurde in den frühen 1990er-Jahren entwickelt. Dabei war der Meilenstein vor allem die hohe Energiedichte der Batterie. Das ermöglichte es, eine enorme Menge an elektrischer Energie zu speichern, die man auf einmal auf geringem Raum mit sich herumtragen konnte.
Wie ist mittlerweile der Stand der Forschung?
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen nach wie vor an neuen Batterietypen, denn Lithium-Ionen-Batterien bringen auch ein großes Problem mit sich: Sie sind brennbar. Das liegt darin begründet, dass sie flüssige Elektrolyte enthalten, die aus organischen Lösungsmitteln bestehen. Das ist ein echtes Sicherheitsrisiko, also forscht man an Alternativen. Auch manche der Forschenden in unserem Team entwickeln Lithium-Ionen-Batterien weiter und arbeiten dafür unter anderem an sogenannten Festkörper-Elektrolyt-Batterien. Dabei haben wir zufällig die Sauerstoff-Ionen-Batterie entdeckt.
Wie ist das passiert?
Ich beschäftige mich eigentlich gar nicht direkt mit Batterien, sondern mit Brennstoffzellen. Gegen Ende meiner Doktorarbeit war die Sauerstoff-Ionen-Batterie für mich wie ein Nebenprojekt: Wir haben uns damals aus Neugier ein Konzept für Batterien aus Keramik überlegt, also aus anorganischen nichtmetallischen Stoffen. Keramiken nutzt man nämlich klassischerweise in der Brennstoffzellforschung. Wir haben also einfach die Materialien, die wir ohnehin jeden Tag nutzten, umfunktioniert und einen Prototyp einer neuartigen Batterie im Labor gebaut und untersucht.
Was ist bei Ihren Untersuchungen herausgekommen?
Dass es tatsächlich funktioniert! Wir haben zuerst mit einer Keramikverbindung aus Lanthan, Strontium und Eisenoxid gearbeitet, weil dieses Material sehr gut untersuchte Eigenschaften hat. Darin konnte man tatsächlich Strom speichern. Also haben wir das Thema intensiver verfolgt. Dabei hat sich herausgestellt, dass man viele der Materialien, die man für sogenannte Festoxidbrennstoffzellen verwendet, auch für die neu entwickelte Batterie nutzen kann. Wir haben dann unterschiedliche Keramiken getestet und diejenigen identifiziert, die am besten funktionieren, und so die Sauerstoff-Ionen-Batterie entwickelt. Das Besondere der Batterie ist die Fähigkeit des Materials, Sauerstoff aufzunehmen und wieder abzugeben.
Inwiefern stellt die Sauerstoff-Ionen-Batterie denn eine Weiterentwicklung zur weit verbreiteten Lithium-Ionen-Batterien dar?
Was die zugrundeliegende Physik betrifft, funktioniert die Sauerstoff-Ionen-Batterie ähnlich wie eine Lithium-Ionen-Batterie: Sie speichert Strom mithilfe von elektrochemischen Reaktionen zwischen zwei Elektroden und einem Elektrolyten. Beim Aufladen wandern geladene Teilchen über den Elektrolyten von der Anode zur Kathode und beim Entladen in umgekehrter Richtung, wodurch ein kontinuierlicher Elektronenfluss erzeugt wird, der elektrische Energie liefert.
Gibt es weitere Vorteile der Sauerstoff-Ionen-Batterie?
Ja, denn Sauerstoff-Ionen-Batterien bestehen ausschließlich aus Oxidkeramiken, welche nicht brennbar sind. Das macht sie sicherer. Ein weiteres Problem bei Lithium-Ionen-Batterien ist, dass man Kobalt benötigt, um sie herzustellen. Denn Kobalt ist selten und das wird besonders in Zukunft problematisch, wenn erneuerbare Energien die fossilen Energieträger hoffentlich ablösen und man riesige Stromspeicher für Wind- und Solaranlagen brauchen wird. Den Bedarf allein mit Lithiumbatterien zu decken, wird dann schwer bis unmöglich sein. Zum anderen wird ein Großteil vom weltweit gehandelten Kobalt in der Republik Kongo abgebaut. Da die politische Lage dort instabil ist, macht das die Verfügbarkeit von Kobalt unzuverlässig. Dagegen sind die Elemente, die beim Herstellen von Sauerstoff-Ionen-Batterien verwendet werden, also etwa Eisen, Mangan, Chrom, Titan oder Calcium, leicht abbaubar und reichlich vorhanden.
Außerdem regeneriert sich die Batterie durch Sauerstoff in der Umgebungsluft selbst. Wie funktioniert das?
Die Materialien in Lithium-Ionen-Batterien und vielen anderen Batterietypen gehen sogenannte parasitäre Reaktionen ein, sie reagieren also in einer nicht geplanten Form miteinander. Dabei lagern sich die Ionen an den Elektroden der Batterie ab und scheiden so aus dem Lade- und Entladezyklus aus. Das macht die Batterie auf Dauer immer ineffizienter. Sowas passiert zwar auch bei Sauerstoff-Ionen-Batterien, aber man kann dann – vereinfacht gesagt – Sauerstoff aus der Umgebungsluft in die Batterie nachfüllen. Dazu hat die Batterie eine dritte Elektrode, die zur Luft hin geöffnet ist. An dieser Elektrode nehmen die Sauerstoffatome Elektronen auf und reagieren zu negativ geladenen O2 -Ionen, die dann für den Lade- und Entladezyklus wieder zur Verfügung stehen.
In welchen Bereichen lassen sich Sauerstoff-Ionen-Batterien zukünftig anwenden?
Sauerstoff-Ionen-Batterien sind zwar noch nicht marktreif, aber sie werden in vielen Bereichen anwendbar sein. Doch es gibt auch Anwendungen, in denen sie wegen ihres hohen Gewichts – circa das fünffache einer Lithiumbatterie – nicht die optimale Lösung sind, wie zum Beispiel in Smartphones oder im Transportwesen. Aber für stationäre Stromspeicher, beispielsweise von privaten Solar- und Windenergieanlagen, ist das Gewicht der Batterie unerheblich. Für eine stationäre Anwendung spricht außerdem, dass die Batterie erst ab Temperaturen von 200 bis 400 Grad Celsius betriebsfähig ist. Um diese Temperatur zu halten, muss die Batterie gut isoliert sein und das ist leichter, je größer sie ist. Wenn die Batterie gut isoliert ist, muss man sie einmal auf die Betriebstemperatur erhitzen und braucht danach nur noch eine vergleichsweise geringe Energiemenge, um die entsprechende Temperatur zu halten. Besonders geeignet wären Sauerstoff-Ionen-Batterien aber, um Netzschwankungen etwa von einer größeren Ansammlung von Windrädern oder einem Feld voller Solaranlagen auszugleichen. Auch da spielt das Gewicht der Batterie keine Rolle und es ist von Vorteil, dass die Batterien wegen der eingesetzten Materialien gleichzeitig günstig und in großen Mengen herstellbar sind. In dem Bereich sehe ich auch die Zukunft dieser Erfindung: Die Energiewende mit voranzutreiben.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/energie/energiespeicher-die-sauerstoff-ionen-batterie-wurde-zufaellig-entdeckt/