„Es gibt noch Luft nach oben“
Weltweit boomt der Ausbau von photovoltaischen Solaranlagen, mit denen sich Sonnenlicht direkt in elektrischen Strom umwandeln lässt. Etwa 90 Prozent der weltweit installierten Solarmodule sind aus Silizium. Im Labor überwand der Wirkungsgrad der besten Prototypen aus Silizium bereits die 26-Prozent-Schwelle. Der Wirkungsgrad von kommerziell produzierten Solarzellen dagegen liegt in der Regel zwischen 18 und 20 Prozent. Im Interview mit Welt der Physik spricht Rutger Schlatmann vom Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie über Alternativen zu Silizium und die Zukunft der Photovoltaik.
Welt der Physik: Wie lassen sich die Wirkungsgrade von Solarmodulen noch weiter steigern?
Rutger Schlatmann: Bisher haben die meisten Solarmodule ihre elektrischen Kontakte an der Vorder- und der Rückseite. Doch die Kontaktierung nur an der Rückseite gewinnt immer mehr an Interesse. Dadurch fällt die Verschattung an der Vorderseite weg und die Effizienz bei der Stromerzeugung kann etwas gesteigert werden. Aber das ist noch nicht Standard. Denn die Produktion ist wegen der aufwendigeren Verschaltung der einzelnen Zellen und dem Einbau im Modul schwieriger.
Welche anderen Strategien werden bei der Modulentwicklung verfolgt?
Interessant ist das Prinzip der sogenannten bifacialen Solarzelle. Diese Solarzelle kann auch von der Rückseite reflektiertes Licht einfangen und in Strom umwandeln. Das hängt auch vom Boden ab: Auf weißem Sand funktioniert das besser als auf einem dunklen Untergrund. Je heller der Boden, desto mehr Licht wird reflektiert. Ganz grob lassen sich mit bifacialen Solarzellen zwischen 10 und 30 Prozent mehr Strom erzeugen als mit herkömmlichen Solarmodulen. Zudem können Solarmodule dem Sonnenlauf nachgeführt werden. Damit erhält man vor allem morgens und abends einen höheren Ertrag und kann die Stromerzeugung besser an den Stromverbrauch anpassen. Für große Solarparks ist das auf jeden Fall sinnvoll und schon ziemlich weit verbreitet.
Weltweit forschen Gruppen an Alternativen zu Silizium. Ein vielversprechender Kandidat scheint das Mineral Perowskit zu sein. Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung?
Perowskite sind wissenschaftlich und technologisch extrem spannende Materialien. Neben den bereits hohen Wirkungsgraden im Labor von über 20 Prozent können Perowskitsolarzellen besser an das Sonnenspektrum angepasst werden. Diese Eigenschaft macht Perowskite für den Bau von sogenannten Tandemsolarzellen in Kombination mit Silizium oder Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid-Zellen interessant. Bei uns am Helmholtz-Zentrum Berlin wurde bereits ein Wirkungsgrad von 25,5 Prozent erreicht. Eine weitere Steigerung bis hin zu 30 Prozent könnte möglich sein.
Und was ist mit organischen Solarzellen?
Mit Wirkungsgraden von derzeit maximal 12,6 Prozent sind organische Solarzellen an dem Strommarkt nicht konkurrenzfähig. Aber für Nischenanwendungen etwa in schön gefärbten, flexiblen Produkten ist der Einsatz gut vorstellbar. Die Flexibilität der Solarzellen könnte für Wearables – Strom erzeugende Textilien – wichtig sein. Für große Anlagen und den klassischen Strommarkt hat diese Technologie im Moment keine Chance.
Ist mit völlig neuen Anwendungen der Photovoltaik zu rechnen?
Viel Potenzial sehe ich bei der Nutzung in Gebäuden, um etwa Zero-Energy-Buildings einfacher zu ermöglichen. Dabei gilt es, Technik mit Ästhetik zu vereinen. Ein weiteres Feld könnte die Integration von Solarzellen in Fahrzeugen sein, um beispielsweise einen Teil des Strombedarfs eines Kühllasters zu decken. Zuletzt ließen sich sogar schwimmende Solarkraftwerke sehr gut mit Offshore-Windparks kombinieren. Platz genug wäre zwischen den Windrädern vorhanden, der für andere Anwendungen ohnehin nicht genutzt werden kann. Und die beiden Technologien ergänzen sich immerhin sehr gut.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/energie/solarenergie/photovoltaik/es-gibt-noch-luft-nach-oben/