„Perowskite folgen nicht den üblichen Gesetzmäßigkeiten“

Dirk Eidemüller

Mehrere Solarmodule auf einem Feld unter blauem Himmel

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Perowskitsolarzellen gelten schon seit längerer Zeit als vielversprechende Kandidaten für die zukünftige Energieversorgung: Sie lassen sich kostengünstig herstellen und ihr Wirkungsgrad ließ sich in den vergangenen Jahren auf über 25 Prozent steigern. Doch der Weg zur Industriereife erwies sich bislang als schwierig, denn die Perowskitschichten können den Umwelteinflüssen nur schwer standhalten und sind nicht beständig genug, um sie großflächig zu nutzen. Thomas Kirchartz vom Forschungszentrum Jülich erklärt im Interview mit Welt der Physik, auf welche Weise er und sein Team Perowskitsolarzellen zum Durchbruch verhelfen möchten.

Welt der Physik: Was macht Perowskitsolarzellen so interessant?

Porträt des Wissenschaftlers Thomas Kirchartz

Thomas Kirchartz

Thomas Kirchartz: Das Besondere an diesem Material ist, dass solche Solarzellen druckbar sind. Dazu bringt man eine bestimmte Tinte bei Raumtemperatur auf ein Substrat und erhitzt es dann ein bisschen. Dadurch wird das aufgedruckte Material schwarz und bildet eine lichtabsorbierende Perowskitschicht, die den wesentlichen Teil der Solarzelle bildet. Damit lassen sich Solarzellen herstellen, die rund 500-mal dünner sind als herkömmliche Siliziumsolarzellen. Die Herstellung ist außerdem erheblich einfacher und schneller. Trotzdem erreichen sie einen ähnlichen Wirkungsgrad – wandeln also einen ähnlichen Teil der eingestrahlten Sonnenenergie in elektrischen Strom um. Eine Idee ist auch, herkömmliche Solarzellen mit einer aufgebrachten Schicht aus Perowskit noch effizienter zu machen.

Warum sind Perowskit-Solarzellen bislang noch kaum auf dem Markt vertreten?

Das große Problem bei den Perowskitsolarzellen ist, dass sie chemisch nicht beständig genug sind. Eine Solarzelle sollte jahrelang dem Wind, dem Wetter und der UV-Strahlung der Sonne standhalten. Die Mittagshitze im Sommer und die Kälte im Winter sorgen ebenso für eine Belastung wie Feuchtigkeit, Hagel und weitere Umwelteinflüsse. Aber Perowskite sind bislang nicht dauerhaft genug, um in die breite Anwendung zu kommen. Daran wird aber weltweit intensiv gearbeitet. Ein anderer Punkt ist, dass wir die elektronischen Eigenschaften und damit den Wirkungsgrad gerne weiter verbessern möchten. Perowskit bezeichnet ja eine ganze Materialklasse mit einer riesigen Zahl chemischer Verbindungen.

Wovon hängt der Wirkungsgrad ab?

Wenn Sonnenlicht auf eine Solarzelle, also auf ein Halbleitermaterial, fällt, dann passiert Folgendes: Im Material werden Elektronen aus dem sogenannten Valenzband geschlagen und in das Leitungsband befördert. Im Valenzband befinden sich die Elektronen, die an ihre Atome gebunden sind und sich nicht frei durch das Material bewegen können. Im Leitungsband hingegen befinden sich die frei gewordenen Elektronen, die durch das Material wandern und so zu den elektrischen Kontakten gelangen können. Je länger die frei gewordenen Elektronen durch das Material wandern können, desto größer ist die Chance, dass sie die elektrischen Kontakte erreichen und zum gewünschten Stromfluss beitragen. Eine wesentliche, grundsätzliche Limitierung von Solarzellen besteht darin, dass freie Elektronen schon vorher aus dem Leitungsband verschwinden und wieder im Material eingefangen werden. Wir erforschen deshalb, wie lange die Elektronen frei wandern können – oder mit anderen Worten: wie groß die Lebensdauer der freien Elektronen im Leitungsband ist. Wenn wir diese Eigenschaften von Perowskiten besser verstehen, dann können wir damit hoffentlich bessere Wirkungsgrade erzielen.

Auf welche Weise lässt sich das untersuchen?

Eine Wissenschaftlerin sitzt mit einer Schutzbrille hinter einer Apparatur, auf der grünes Leuchten zu sehen ist

Photolumineszenz

Die Lebensdauer kann man auf verschiedene Art und Weise messen. Im Prinzip braucht man eine Beobachtungsgröße, die proportional zur Dichte der Elektronen ist. Deshalb wird gerne die Photolumineszenz genutzt. Man kann sie relativ einfach mit einem bestimmten Typ von Detektoren messen, die so etwas wie komplizierte Varianten von Digitalkameras sind, wie sie jeder in seinem Handy hat. Dabei schießt man mit einem gepulsten Laser auf die Probe – also die Solarzelle oder eine Perowskitschicht. Dann misst man, wie die Intensität der Photolumineszenz nach dem Laserpuls mit der Zeit abfällt. Man wiederholt über mehrere Stunden hinweg die Messung sehr häufig, etwa 1000-mal pro Sekunde, bis man genügend Messdaten hat. In Summe haben wir also Millionen einzelner Messungen gemacht.

Was haben diese Messungen ergeben?

Wenn man weiß, wie schnell die Photolumineszenz abfällt, weiß man auch, wie schnell die Elektronen wieder im Material eingefangen werden. Nach unseren Messungen folgen Perowskite allerdings nicht den üblichen mathematischen Gesetzmäßigkeiten, wie man das von den meisten Halbleitern her kennt. Nun sind sogenannte Defekte im Material, wie sie bei allen Halbleitern bei der Produktion unweigerlich auftreten, oft dafür verantwortlich, dass freie Elektronen wieder eingefangen werden. Unsere Messungen deuten darauf hin, dass dieser Effekt bei Perowskiten nicht so stark zu sein scheint wie bei herkömmlichen Halbleitern. Die Elektronen sind also besser davor geschützt, wieder im Material eingefangen zu werden. Das könnte auch der Grund für die hohe Effizienz dieses Typs von Solarzellen sein. Wenn es gelingt, dieses Verhalten weiter zu optimieren, dann sollte man künftig noch bessere Solarzellen entwickeln können.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/energie/solarenergie/photovoltaik/solarzellen-perowskite-folgen-nicht-den-ueblichen-gesetzmaessigkeiten/