CO₂SINK: Kohlendioxidlagerung in Ketzin
Sven Titz
Das Treibhausgas Kohlendioxid trägt zur Erwärmung der Erdatmosphäre bei. Daher ist der politische Beschluss gefasst worden, die Emission des Gases zu vermeiden. Der einfachste Weg besteht darin, Energie auf kohlendioxidarme Weise zu erzeugen oder Energie zu sparen. Doch Forscher zweifeln, dass das reicht. Darum wollen sie herausfinden, wie gut sich Kohlendioxid im Untergrund speichern und dabei überwachen lässt. Zu diesem Zweck dient das Projekt CO2SINK im brandenburgischen Städtchen Ketzin.
Kubikmeter um Kubikmeter wird Kohlendioxid (CO2) in die Tiefe gepumpt. Das Gas verdrängt salzhaltiges Grundwasser aus dem Sandstein unter Ketzin. 27.000 Tonnen CO2 sind schon unten, 60.000 Tonnen sollen es insgesamt werden. Das ist wenig im Vergleich mit der Gasmenge, die bei einem Kohlekraftwerk anfiele, in dem Kohlendioxid aus dem Abgas abgeschieden würde. In künftigen Demonstrationsanlagen dürfte es um die hundert- bis tausendfache CO2-Menge gehen. Doch in Ketzin liegt der Schwerpunkt gar nicht auf der Speicherung. Hier geht es vielmehr darum, geophysikalische und geochemische Beobachtungsmethoden zu entwickeln und zu testen. „Wir wollen vor allem die Überwachung der Speicherung prüfen und die Methode zur Technologiereife bringen“, sagt Michael Kühn vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam, der dort das Zentrum für CO2-Speicherung leitet.
Den Standort Ketzin, 30 Kilometer westlich von Berlin, haben die Fachleute von CO2SINK aus mehreren praktischen Gründen ausgesucht. Zum einen hat der Untergrund eine geeignete geologische Struktur. Die Sandsteinschicht, in die das CO2 hineingepumpt wird, befindet sich in ungefähr 650 Metern Tiefe. Sie ist nach oben aufgewölbt – Wissenschaftler sprechen von einer Antiklinalen oder einem Sattel – und wird von einer undurchlässigen Schicht aus Tongestein abgeschlossen. „Sie müssen sich die Struktur wie einen umgedrehten Topf vorstellen“, sagt Kühn. Von den sechziger Jahren bis 2004 wurde in einer weniger tief gelegenen Schicht Stadtgas und Erdgas gespeichert. Das damit betraute Unternehmen Verbundnetz Gas (VNG) ist jetzt ein Partner im Projekt CO2SINK. Der zweite Grund, warum Ketzin ausgewählt wurde, ist die Nähe zu Potsdam, wo die GFZ-Forscher arbeiten.
Das Projekt begann im Jahr 2004. Zunächst wurde der Untergrund sorgfältig untersucht, unter anderem mit seismischen Methoden. Die Forscher bohrten außerdem drei Löcher in den Boden – eines zum Pumpen und zwei für Überwachungssensoren. Gebohrt wurde teils mit einem Bohrmeißel, der das Gestein zermahlt, teils mit einer Bohrkrone, die Bohrkerne produziert, welche man dann analysieren kann. In alle Bohrlöcher sind Rohrleitungen eingeführt worden, die man an das umliegende Gestein zementiert hat.
Durch eine Reihe von Perforationsöffnungen des Injektionsbrunnens, verteilt über eine Länge von 20 Metern, wird seit Juni 2008 das Kohlendioxid in den Sandstein gepumpt. Das Gas hat dort unten eine Temperatur von 35 Grad Celsius und steht unter einem hohen Druck von mehr als 7 Megapascal – das entspricht ungefähr dem 70-fachen Atmosphärendruck. Unter diesen Bedingungen ist Kohlendioxid weder gasförmig noch flüssig, sondern befindet sich in einem Aggregatzustand dazwischen, der wissenschaftlich als „überkritisch“ bezeichnet wird. „Man kann in diesem Fall von einem hochdichten Fluid sprechen“, sagt Kühn. Der Vorteil ist, dass Kohlendioxid in diesem Zustand wegen seiner hohen Dichte wenig Platz benötigt und wegen der guten Fließfähigkeit leicht in die mikrometerfeinen Poren des Sandsteins eindringen kann.
Die Speicherung von Kohlendioxid im Gestein erfolgt durch vier verschiedene Mechanismen. Zunächst liegt die Substanz als freies Gas vor. „Damit es nicht wieder aufsteigt, benötigen wir das dichte Deckgestein über dem Reservoir“, erklärt Kühn. Innerhalb von 10 bis 100 Jahren werden große Teile des Kohlendioxids durch Kapillarkräfte in den Poren gebunden. 100 bis 1000 Jahre dauert es, bis sich das Gas fast vollständig im vorhandenen Wasser gelöst und Kohlensäure gebildet hat. In einem Zeitrahmen von 1000 Jahren bilden sich Carbonate (z.B. Kalkstein), das heißt, das Kohlendioxid wird mineralisiert. Überwacht werden diese Vorgänge mit Sensoren für Druck und Temperatur. Zusätzlich sind in allen Bohrlöchern Elektroden angebracht, mit deren Hilfe die Leitfähigkeit des Untergrunds bestimmt werden kann. Denn mit zunehmender Gasfüllung des Gesteins sinkt die elektrische Leitfähigkeit – der zunächst mit Salzwasser gefüllte Porenraum leitet den Strom besser als ein mit CO2 gefüllter Porenraum. Mit den Sensoren lässt sich der Fortschritt der Speicherung genau verfolgen.
In Ketzin soll auch der Verschluss von CO2-Speichern getestet werden. Wenn ein Speicher die vorgesehene CO2-Menge aufgenommen hat, müssen alle Bohrungen sicher und auf Dauer abgeschlossen werden. Dazu wird die Bohranlage ausgefräst und mit Zement oder anderen geeigneten Materialien wie Kunststoffen verfüllt. Kühn rechnet nicht damit, dass das gespeicherte Kohlendioxid in nennenswerten Mengen aus der Tiefe an die Oberfläche dringen kann. Auch nach hundert Jahren sollen sich noch mehr als 99 Prozent des Gases im Speicher befinden. Generell muss bei der CO2-Speicherung im Auge behalten werden, dass durch das eingepumpte Gas salzhaltiges Wasser im Untergrund verdrängt wird. Dieser Vorgang ist in Ketzin wegen der relativ geringen zu speichernden Gasmenge vernachlässigbar, muss aber im Hinblick auf die geplanten Demonstrationsanlagen untersucht werden, um das Risiko der Grundwasserversalzung bestimmen und minimieren zu können.
Der bisherige Verlauf des Projekts in Ketzin zeigt, dass der Speicher dicht hält. Bisher stammt das eingelagerte CO2 aus der Wasserstoffproduktion in Leuna. Doch vielleicht wird schon im Frühling 2010 auch industriell abgeschiedenes Kohlendioxid von dem Pilotkraftwerk „Schwarze Pumpe“ im Südosten Brandenburgs angeliefert und verpresst. Nach Angaben von Kühn wäre das dann eine Weltpremiere.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/energie/umweltschutz/co2sink/