Brandung, Strömung und Schmelzwasser

Klaus Heinloth

Nicht nur Flussläufe und Staubecken lassen sich zur Stromgewinnung nutzen. Auch die Gezeiten, die Meeresbrandung und sogar Schmelzwasser haben Energieingenieure im Visier.

Gezeitenenergie

Bei dieser weiteren Art der Wasserkraft werden die Wasserstandsschwankungen des Tidenhubs in dafür günstigen Flussmündungsbecken mit Tidenhüben von mehreren Metern genutzt.

Mit seiner installierten Leistung von 254 Megawatt (MW) ist Sihwa-ho in Südkorea seit der Inbetriebnahme im August 2011 das größte Gezeitenkraftwerk der Welt. Bis dahin war seit 1968 weltweit nur ein einziges relativ großes Gezeitenkraftwerk in Betrieb. Es liegt an der Rance-Mündung in Frankreich und hat eine Maxi­malleistung von 240 MW. Sie wird von 24 Turbinen mit einer Leistung von jeweils 10 MW erzeugt, die jährlich rund 500 Millionen Kilowattstunden Strom liefern.

Zwei weitere Gezeitenkraftwerke mit Leistungen von 500 MW und 1000 MW sind in Südkorea im Bau.

Energie von Meeres- und Brandungswellen

Für große, weiträumige, auf hoher See schwimmende Anla­gen stellen mechanische Festigkeit und Korro­sionsschutz bislang zu große Hürden dar. Brandungswellen an der Küste wurden bislang nur in einigen wenigen Versuchsanlagen zur Stromerzeugung genutzt. Dabei wurde zum Beispiel mit einer Anlage auf 60 Metern Küstenbreite bei maximaler Leistung von 350 kW ein Jahresertrag von 2000 Megawattstunden erzielt.

Energie von Meeresströmungen

In seinem Kerngebiet zwischen den Inseln der Karibik fließt der Golfstrom auf einer Breite von fünfzig Kilometern und einer Tiefe von etwa 120 Metern mit einer Geschwindigkeit von rund zwei Metern pro Sekunde. Dies entspricht einer Strömungsleistung von rund 24 Gigawatt (GW). Eine Nutzung solcher Meeresströmungen zum Beispiel über Turbinenantrieb ist zwar denkbar, aber allein aus ökologischen Gründen wohl kaum zu verantworten.

An der Süd­west­küste von England ist in einer Tiefe von dreißig Metern eine „Unterwasserwindmühle“ (SEAFLOW) seit Juni 2003 in Betrieb, die mit einem Rotor­ von nur elf Metern Durchmesser eine Leistung von 300 Kilowatt aufbringt. Da Wasser etwa 840 Mal dichter als Luft ist, genügen kleine Rotoren, um große Leistungen zu erreichen.

Die Erfahrungen mit SEAFLOW führten 2008 zum Bau einer größeren Turbine, der SeaGen, vor der Nordküste Irlands. Am Schaft des ersten kommerziellen Strömungskraftwerks – Nennleistung: 1,2 MW – drehen sich zwei Rotoren nebeneinander. Das spart Kosten, weil nur ein Trägerbauwerk nötig ist. Für spätere Jahre soll eine ganze Kraftwerksfarm mit 10,5 MW Leistung folgen. Die Anlage liefert ausreichend Strom für 1500 Haushalte.

Grönlandschmelzwasser

Die Eisfläche Grönlands beträgt etwa 1,5 Millionen Quadratkilometer und erreicht Hö­hen von über drei Kilometern. Die Vorstellung ist, das ablaufende Schmelzwasser zu sammeln und über Wasserkraftwerke an der grönländischen Küste mit insgesamt einem theoretischen Potential von zirka 500 GW zu nutzen. Die Energie könnte gegebenenfalls in Form von Flüssigwasserstoff zum Verbraucher transportiert werden.

Osmose

Salzgehaltsgradienten zwischen Fließ- und Meerwasser an Flussmündungen mittels Osmose: Beispielsweise beläuft sich das entsprechende theoretische Potential an der Mündung des Rheins in die Nordsee auf circa ein Gigawatt. Allein die unvermeidliche Befrachtung des Flusswassers mit Schwebstoffen aller Art macht die Realisierung eines Osmosekraftwerks, bei dem Wasser durch semipermeable Wände diffundieren müsste, scheinbar unmöglich.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/energie/wasserkraftwerke/wellen-stroemung-schmelzen/