„Wir entwickeln energiesparende Kühltechnologien“
Dirk Eidemüller
Das Klima der Erde erwärmt sich immer weiter und damit steigt auch der Bedarf an Kühlsystemen. Bereits heute ist ein großer Anteil des weltweiten Energieverbrauchs auf Kühlung zurückzuführen. Deswegen versuchen Forscherinnen und Forscher, möglichst energiesparende Kühlsysteme zu entwickeln. Ein besonderes Phänomen – der sogenannte elektrokalorische Effekt – verspricht beispielsweise effiziente und kompakte Kühlsysteme aus dünnen Festkörpern. Anders als bei heutigen Kühlschränken würde die Kälte mit einem festen Material und nicht mit einer Kühlflüssigkeit oder einem Gas erzeugt. Im Interview mit Welt der Physik spricht Daniel Hägele von der Universität Bochum über den aktuellen Stand der Forschung und über die Möglichkeiten der neuen Technik.
Welt der Physik: Warum ist die Entwicklung neuer Kühlsysteme so wichtig?
Daniel Hägele: Schon heute werden rund zwei Zehntel des weltweiten Energieverbrauchs für Kühlzwecke aufgewendet. In den kommenden Jahren dürfte sich dieser Anteil nochmals spürbar erhöhen. Denn erstens erwärmt sich das Klima stetig weiter und zweitens gibt es in den bevölkerungsreichen tropischen und subtropischen Ländern eine zunehmend größer werdende Mittelschicht, die sich Klimaanlagen leisten kann. Es ist zu erwarten, dass der Energiebedarf für Kühlung den für das Heizen schon bald deutlich übertreffen wird. Umso wichtiger ist es also, dass wir einerseits neue, energiesparende Kühltechnologien entwickeln und dass wir andererseits genug klimafreundlichen Strom dafür zur Verfügung stellen.
Was ist der elektrokalorische Effekt, den Sie für Ihre Experimente genutzt haben?
Der elektrokalorische Effekt führt dazu, dass bestimmte Materialien ihre Temperatur erhöhen, wenn ein elektrisches Feld angelegt wird. Wenn man das Feld wieder abschaltet, sinkt die Temperatur wieder. Das kann man nutzen, um daraus ein Kühlsystem wie beispielsweise einen Kühlschrank zu bauen: Zunächst erhitzt man das Material durch Anlegen eines elektrischen Feldes. Dann lässt man das erhitzte Material durch Kontakt mit der Umgebung abkühlen und wenn man nun das elektrische Feld wieder abschaltet, wird das Material kälter als die Umgebungstemperatur.
Was passiert bei diesem Effekt auf mikroskopischer Ebene?
Die Temperaturänderung hängt damit zusammen, dass sich die Ordnung im Material ändert. Elektrokalorische Materialien besitzen sogenannte elektrische Dipole, die durch ein Feld ausgerichtet werden können. Nun bewegen sich diese Dipole ähnlich wie Atome in einem Gas hin und her. Wenn man ein elektrisches Feld an das Material anlegt, richten sich die Dipole entlang des Feldes aus. Die überschüssige Schwingungsenergie übertragen sie auf Schwingungen der Kristallatome. Dadurch erhöht sich die Temperatur. Wenn man das Feld abschaltet, geschieht genau das Gegenteil: Die Dipole nehmen Schwingungsenergie vom Gitter auf, wodurch sich das Material abkühlt.
Wie lässt sich daraus ein Kühlaggregat bauen?
Das Interessante bei diesem Effekt ist, dass auch bei sehr dünnen Schichten von weniger als einem Millimeter ein ausreichend großer Kühleffekt eintritt. Denn ein so dünnes Material gleicht seine Temperatur sehr rasch an die Umgebung an. Wir können mit Wechselfeldern von einigen Hertz bis hin zu einigen Kilohertz arbeiten. Damit lassen sich heute bereits Kühlleistungen von einigen Watt und Temperaturunterschiede von einigen Grad erzielen. Das klingt zwar noch nicht nach viel, die Kühlung wird aber in Zukunft noch um einiges besser werden. Man könnte zum Beispiel eine Kühlvorrichtung für einen Kühlschrank durch Kombinationen mehrerer solcher Elemente bauen.
Welche Materialien kommen für den Bau solcher Kühlelemente überhaupt infrage?
Es gibt sehr unterschiedliche Materialien, die den elektrokalorischen Effekt zeigen. Ein klassisches Material ist Bariumtitanat, das aber nur bei hohen Temperaturen von 130 Grad Celsius einen ausreichend großen Effekt zeigt. Zu den Materialien, die bei Raumtemperatur infrage kämen, gehören besonders die sogenannten Relaxoren. Dies sind aber bislang meist bleihaltige, anorganische Materialien. Deshalb wird sehr aktiv an umweltfreundlichen, bleifreien Alternativen geforscht. Es gibt aber auch organische Materialien wie Polymere, die den elektrokalorischen Effekt aufweisen. Diese sind zwar leicht herzustellen und zu verarbeiten, aber leider häufig noch fluorhaltig, was man ebenfalls gerne vermeiden möchte. Wir befinden uns also eher noch im Bereich der Grundlagenforschung und es geht erst einmal darum, ein besseres Verständnis dieser ganzen Materialien zu entwickeln. Aber in Zukunft, wenn es in Richtung technische Anwendung geht, will man Materialien mit unproblematischen Grundstoffen nutzen.
Es gibt ja auch den magnetokalorischen Effekt. Ist dieser Effekt auch für neue Kühlsysteme interessant?
Die Magnetokalorik ist ebenfalls noch eine junge Technologie, allerdings schon ein Stück weiterentwickelt. In Darmstadt gibt es bereits ein Startup, das eine solche Kühllösung anbietet. Bei der Magnetokalorik sind ebenfalls Ordnungseffekte entscheidend – nur dass hier magnetische Dipole statt elektrischer Dipole im Material die zentrale Rolle spielen.
Worin unterscheidet sich das mögliche Einsatzspektrum der beiden Technologien?
Beim magnetokalorischen Effekt benötigt man ein sehr starkes Magnetfeld. Dazu nutzt man entsprechend schwere Dauermagnete. Das bietet sich also vor allem für große Lösungen an – etwa für Kühlhäuser oder im Lebensmittelhandel. Die Elektrokalorik hingegen nutzt hauchdünne Schichten, lässt sich also hervorragend miniaturisieren. Damit kann man Kleingeräte oder sogar Akkus kühlen. Wir sind jedenfalls gespannt, ob die Elektrokalorik eines Tages auch Einzug in den Alltag halten wird und etwa in Klimaanlagen zum Einsatz kommt.
Neben dem Einsparen von Energie wird auch daran geforscht, ob sich mithilfe von neuen Kühlsystemen Kohlenstoffdioxid, also CO2, aus der Luft absondern lässt. Tragen Ihre Experimente auch etwas zu dieser Forschung bei?
Man wird in Zukunft kaum umhinkommen, Kohlendioxid aus der Luft zu entnehmen, wenn man den Klimawandel in halbwegs erträglichen Grenzen halten will. Es ist noch zu früh, um zu sagen, welche Rolle der elektrokalorische Effekt hierbei spielen wird. Aber riesige Kühlaggregate, betrieben mit Solarstrom, könnten Kohlendioxid aus der Luft holen, indem man die Luft so stark abkühlt, dass das Kohlendioxid fest wird und abgeschieden werden kann. Das kalte Kohlendioxid könnte man dann zum Vorkühlen weiterer Luft nutzen, bevor man es tief im Gestein speichert.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/kuehlsysteme-wir-entwickeln-energiesparende-kuehltechnologien/