Benzol als Transistor
Physiker kontrollieren Stromfluss durch ein einziges Molekül
Gwangju (Korea) - Ganz ohne den Halbleiter Silizium könnten die Computerchips der Zukunft auskommen. Winzige Nanoröhrchen oder hauchdünne Schichten aus Kohlenstoff gelten als viel versprechende Kandidaten. Nun gesellen sich organische Moleküle zu dieser Gruppe dazu. Denn koreanische und amerikanische Forscher schafften es, die elektronischen Zustände sowohl in einem Benzolring als auch in einem Oktan-Molekül über eine äußere Spannung so zu kontrollieren, dass sich Ströme wie in einem klassischen Transistor schalten ließen. Ihre Ergebnisse präsentierten sie in der Zeitschrift "Nature".
"Nach jahrelanger Suche konnten wir nun zeigen, dass einzelne Moleküle genauso wie Transistoren funktionieren können", sagt Mark Reed von der Yale University in New Haven. Zusammen mit der Gruppe um Takhee Lee vom Gwangju Institute of Science and Technology in Korea positionierteer wahlweise einen Benzolring oder Oktanring über zwei Schwefelwasser-Brücken zwischen zwei Goldelektroden. Über eine dritte Elektrode aus Aluminiumoxid , das so genannte Gate, ließ sich erfolgreich der Stromfluss durch die organischen Ringmoleküle steuern. Klassische Transistoren aus Sililizium sind exakt nach dem gleichen Prinzip aufgebaut.
Mit nur geringen Spannungen von etwa drei Volt konnten die Wissenschaftler Stromflüsse durch die einzelnen Moleküle von einigen Mikroampere kontrollieren. Ganz ohne eine Steuerspannung konnte dagegen kein nennenswerter Strom fließen. Den Grund für das über äußere Spannungen beeinflussbare Leitungsverhalten sehen die Wissenschaftler in gezielt veränderten Molekülorbitalen der Benzol- bzw. Oktanringe. Von der grundlegenden Bedeutung dieses Experiments für die Entwicklung zukünftiger Schaltkreise aus einzelnen Molekülen ist auch James Kushmerick vom National Institute of Standards and Technology in Boulder (NIST) überzeugt. Er sieht in dieser Arbeit einen Meilenstein bei der Erforschung des Ladungstransports in molekularen Systemen.
In absehbarer Zeit werden solche Molekül-Transistoren jedoch nicht zur ernsthaften Konkurrenz von Silizium-Schaltkreise werden. Denn verlässliche Herstellungsverfahren für solche Nanoelektronik-Module stehen noch nicht zur Verfügung. Auch Lees Arbeitsgruppe entdeckte in über 400 Testmodulen nur ganze 35, die ein Transistor-ähnliches Schaltverhalten zeigten. Welche Technologie in den kommenden Jahrzehnten die klassischen Silizium-Prozessoren ablösen könnte, bleibt auch weiterhin offen. Doch mit diesen Versuchen an Benzol- und Oktanringen gesellt sich eine weitere Molekülgruppe zu den bisherigen Transistor-Kandidaten aus Graphen-Schichten oder Nanoröhrchen aus Kohlenstoff.
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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2010/benzol-als-transistor/