Künstliche Chamäleon-Zunge
Nach dem Vorbild des Reptils entwickeln Forscher rasanten und zugleich hochsensiblen Manipulator
Tokio (Japan) - Seit 120 Millionen Jahren schnappen sich Chamäleon-Arten unvorsichtige Beute mit ihren elastischen und rasanten Zungen. Diese Wunder der Evolution dienten japanischen Forschern nun als Vorbild für eine künstliche Zunge, die fast 15-mal stärker beschleunigen kann als der Wagen einer Achterbahn. Wie sie in der Fachzeitschrift "Bioinspiration & Biomimetics" berichten, könnte dieser ultraschnelle Manipulator für Fabrikroboter oder hochsensible Kontaktsensoren angewendet werden.
"Chamäleons haben eine spezielle, ballistische Zunge entwickelt, die sich auf die sechsfache Länge mit einer Geschwindigkeit von über 3,5 Metern pro Sekunde ausdehnen kann", berichtet Alexis Debray vom Forschungszentrum des Konzerns Canon in Tokio. Dabei erreicht sie das 35-fache der Erdbeschleunigung. Den Schlüssel zu diesen in der Tierwelt einzigartigen Fähigkeiten erkannte Debray in der hohen Elastizität des Zungengewebes, das sich wie eine Ziehharmonika zusammenfalten kann.
Mit mehreren Prototypen eiferte Debray diesen herausragenden Eigenschaften nach. Der Wissenschaftler griff dabei zu einem Faden aus einem hochelastischen Silikon-Gummi und setzte an dessen Ende einen winzigen Magneten. Diese künstliche Zunge stauchte er in eine kleine Spule. Floss nun ein elektrischer Strom durch die Windungen der Spule, wurde der Magnet mitsamt Gummifaden herauskatapultiert. Über die Drehungen eines Elektromotors konnte der Faden danach sehr schnell wieder aufgerollt werden. Mit diesem System erreichte Debray sogar eine fast doppelt so starke Beschleunigung wie eine natürliche Chamäleon-Zunge.
"Viele verschiedene Anwendungen, besonders für Fließband-Produkte sind vorstellbar", schreibt Debray. So könnte ein Sensor an der "Zungenspitze" rasch und wegen der geringen wirkenden Kräfte zugleich sanft zur Qualitätskontrolle eingesetzt werden. Aber auch schnelle Stempel- oder Fangprozesse wären mit diesem rasanten Manipulator möglich. In weiteren Versuchen will Debray noch die Kontrolle über Richtung und Ziel seiner künstlichen Zunge verbessern.
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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2011/kuenstliche-chamaeleon-zunge/