Tarnmantel für größere Objekte funktioniert
Einfacher als gedacht kann eine Hülle aus Kalkspat-Kristallen einen stählernen Keil unsichtbar werden lassen
Cambridge (USA )/London (Großbritannien) - Stück für Stück tasten sich Physiker in aller Welt an funktionierende Tarnkappen heran. Sie vermelden immer neue Fortschritte, verwenden jedoch meist komplex aufgebaute und mikrostrukturierte Werkstoffe, so genannte Metamaterialien. Doch Tarnkappen lassen sich auch viel einfacher realisieren. Gleich zwei britische Forschergruppen berichten nun über funktionierende Systeme aus einfachen Kalkspat-Kristallen. In den Fachzeitschriften "Physical Review Letters" und "Nature Communications" präsentieren sie ihre viel versprechenden Versuche.
"Die größte Herausforderung für wahre Unsichtbarkeit liegt in dem Verbergen von makroskopischen Objekten im sichtbaren Wellenlängenbereich", erläutern Baile Zhang und seine Kollegen vom Singapore-MIT Alliance for Research and Technology (SMART) Centre. Genau für dieses Problem haben sie nun eine Lösung gefunden. Sie verzichteten für ihre Tarnkappe auf die bisher verwendeten Metamaterialien aus nanostrukturierten Werkstoffen wie Magnesiumflourid. Stattdessen wählten sie zwei Kalkspat-Kristalle (Kalzit), deren optische Eigenschaften sie zuvor exakt bestimmten. Dieses Material ist von Natur aus doppelbrechend und zeigte mit einer einseitigen Beschichtung mit einem Metallfilm eine Totalreflektion von Laserlicht. Dadurch verschwand sowohl unter grünem (532 Nanometer) als auch rotem Licht (650 Nanometer) ein einige Millimeter großer Stahlkeil in einem Wasserbad unter der Kristall-Tarnkappe völlig aus dem Blickfeld.
Ebenfalls auf Kalkspat-Kristalle griff die Forschergruppe um den Tarnkappen-Experten John Pendry vom Imperial College in London zurück. Sie ordneten die Kristalle so geschickt an, dass polarisiertes Licht im sichtbaren Spektralbereich quasi um die zu tarnenden Objekte herumgelenkt wurde. Das Ergebnis: Aus einer Richtung betrachtet konnte ein Beobachter nur noch den Hintergrund erkennen, das eigentliche Objekt war aus dem Blickfeld verschwunden.
Reif für eine Tarnanwendung sind diese Ansätze noch nicht. Denn der Tarnkappen-Kristall selbst ist bislang noch sehr gut sichtbar. Dennoch zeigen beide Arbeiten, dass sich Lichtwellen auch ohne komplex aufgebaute Metamaterialien elegant manipulieren lassen. Zudem sind Kalkspat-Kristalle wesentlich günstiger. Erste technische Anwendungen mit großflächigen Arealen aus Kalkspat-Kristallen können sich die Forscher im militärischen Bereich vorstellen, beispielsweise bei der optischen Tarnung von U-Booten.
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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2011/tarnmantel-fuer-groessere-objekte-funktioniert/