Explodierende Lithiumionenakkus
Jan Oliver Löfken
Vor gut zwei Jahren fingen die Lithiumionenakkus an Bord von zwei Dreamliner-Jets Feuer. Daraufhin stoppte der Hersteller Boeing direkt die Auslieferung weiterer Flugzeuge. Wie gefährlich die modernen Stromspeicher im Fehlerfall sein können, untersuchte nun ein internationales Forscherteam mittels Röntgenstrahlung. Sie filmten das Innere der Akkus während eines durch Hitze verursachten Kollapses. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse, die die Forscher in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichen, sollen künftig der Entwicklung sicherer Lithiumionenakkus dienen.
„Wir kombinierten hochenergetische Synchrotron-Röntgenstrahlung mit Wärmebildern, um die Veränderungen der inneren Struktur der Akkus zu analysieren“, sagt Donal Finegan vom University College London. So konnte er mit seinen Kollegen untersuchen, wie handelsübliche Lithiumionenakkus auf äußere Hitze reagierten. Mit schnell aufeinanderfolgenden Röntgenpulsen am ESRF-Synchrotronlabor in Grenoble ließen sich die Prozesse im Innern der Akkus mit 1250 Bildern pro Sekunde verfolgen. Die Daten dieser speziellen Computertomografie koppelten die Wissenschaftler mit den Messdaten einer Wärmebildkamera. So erhielten sie dreidimensionale Bilder, auf denen sich die Schwachpunkte der Stromspeicher offenbarten.
Im heißen Luftstrom eines Heizlüfters stieg die Temperatur an der Akkuhülle binnen weniger Sekunden stark an. Schon ab 100 Grad Celsius bildeten sich Gase zwischen den geschichteten Elektroden. Nach drei bis vier Minuten und bei etwa 230 Grad kollabierten der Akku und es setzte im Innern des Stromspeichers eine fatale Reaktion ein – der so genannte "thermal runaway". Polymertrennschichten im Akku schmolzen und es kam zu einem Kurzschluss. Ab etwa 220 Grad zersetzte sich das Elektrodenmaterial Nickelmangankobaltoxid. Weitere Bestandteile aus Aluminium und Graphit unterstützten eine stark exotherme und unkontrollierte Reaktion, bei der weitere heiße Gase entstanden. Die Temperaturen stiegen auf über tausend Grad Celsius an, so dass die komplette innere Struktur zerstört wurde.
Bei einem der zwei untersuchten Akkutypen wurden die Hülle infolge des Überdrucks relativ schnell zerstört und die Abdeckung abgesprengt. Dadurch konnten heiße Gase und Flüssigkeiten entweichen, bevor es zu einem Hitzestau im Akku kam. Dieses Verhalten hatte den Vorteil, dass sich das Akku-Innere gar nicht erst auf über tausend Grad aufheizte. Dies könnte das Kollapsrisiko für benachbarte Akkus senken, sei es in einem Auto oder in einem Flugzeug. Auch ein zusätzliches Stützgerüst zwischen den Elektroden wirkte sich positiv aus, um die leicht brennbaren Komponenten voneinander zu trennen und die Folgen eines Akkukollapses zu reduzieren.
Auf der Basis dieser bisher einzigartigen Analyse können Akkuhersteller künftig sicherere Stromspeichersysteme entwickeln. So halten es Finegan und Kollegen für sinnvoll, zwischen mehreren Akkus hitzeresistente Schutzschichten zu setzen, damit es nicht zu einer Kettenreaktion komme. Auch die Anordnung der Elektroden im Akku ließe sich optimieren, um die exothermen Reaktionen nach einem Kurzschluss zu begrenzen. „Aber insgesamt“, sagt der Leiter der Studie, Paul R. Shearing, „sind die Zerstörungen, die wir beobachtet haben, unter normalen Bedingungen sehr unwahrscheinlich“. Boeing jedenfalls packte nach den Zwischenfällen die Stromspeicher in eine neue, verstärkte Hülle und ergänzte einen zusätzlichen Schutz gegen Kurzschlüsse.
Wissenschaft aktuell gemäß den Bedingungen der Quelle
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2015/explodierende-lithiumionenakkus/