„Das erste seiner Art“

Bastian Hacker vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik beschreibt im Interview ein neuartiges Logikgatter für die Quanteninformationsverarbeitung.

Franziska Konitzer

Die computergenerierte Grafik zeigt die Prozesse, die im Quantengatter ablaufen.

Quantengatter sind in der Quanteninformationsverarbeitung das Pendant zu Logikgattern in klassischen Computern und somit unabdingbar für die Durchführung von Rechenoperationen. Eine Forschergruppe stellte im Fachmagazin „Nature“ eine neue Art von Quantengatter vor, das über die Wechselwirkung zweier Lichtteilchen mit einem Atom zwischen zwei Spiegeln funktioniert. Welt der Physik sprach mit dem beteiligten Forscher Bastian Hacker vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching über die Vorteile dieses neuen Quantengatters.

Welt der Physik: Inwiefern spielen Logikgatter allgemein bei der Informationsverarbeitung eine Rolle?

Bastian Hacker: Ein Logikgatter ist die Grundeinheit der Datenverarbeitung. Es führt eine Rechnung mit klassischen Bits – Nullen und Einsen – aus, das kann beispielsweise Addition, Subtraktion oder Multiplikation sein. Im Fall der Addition schicke ich also beispielsweise Null und Eins durch das Gatter, dann kommt Eins raus, oder Eins und Eins, dann bekomme ich als Ergebnis Zwei. Es gibt aber auch das sogenannte XOR-Gatter: Wenn ich eine ungerade Anzahl von Einsen reinschicke, bekomme ich eine Eins raus, ansonsten Null. Unser Quantengatter entspricht in etwa einem solchen XOR-Gatter.

Wodurch unterscheidet sich ein Quantengatter prinzipiell von einem klassischen Logikgatter?

Das klassische Logikgatter verarbeitet Bits, also Nullen und Einsen. Etwas anderes gibt es nicht, das ist fest definiert. Ein Quantengatter hingegen verarbeitet Quantenbits, sogenannte Qubits. Quantenbits sind ein wenig komplizierter, denn sie können jeden Zustand, der eine Kombination von Null und Eins ist, annehmen. Wenn man nun zwei Quantenbits in ein Gatter schickt, wird es noch komplizierter, denn die beiden können verschränkt sein: Sie können beispielsweise gleichzeitig entweder beide Eins oder beide Null sein – fast so, als ob sie miteinander verbunden wären. Das Gatter führt daher im Prinzip statt einer einzigen Rechnung alle möglichen Rechnungen aus, und darin liegt die Macht eines Quantencomputers. Man bekommt zwar trotzdem nur ein Ergebnis, aber in manchen Fällen bringt das große Vorteile.

Worin besteht die Herausforderung bei der Realisierung von Quantengattern?

Quanteninformationen kann man nicht klassisch speichern, sondern man muss sie in den Eigenschaften von Quantenteilchen speichern, die den Gesetzen der Quantenphysik gehorchen. Das können Atome oder Elektronen sein, oder eben Lichtteilchen. Aber man kann keinen großen Schalter dafür nehmen. Darüber hinaus kann man von Quanteninformationen keine Sicherheitskopie erstellen wie im klassischen Fall, man muss also sehr sorgfältig mit ihnen umgehen.

Wie lässt sich ein Quantengatter erzeugen?

Auf der Fotografie zu sehen sind zwei konisch abgedrehte Spiegeln in 0,5 Millimetern Abstand, zwischen denen ein einzelnes Atom gefangen ist, über das Lichtteilchen miteinander wechselwirken können. Ein Pfeil zeigt an dass das Atom in der Mitte zwischen den beiden Spiegeln sitzt und dort gefangen ist. Die eingefügte Grafik zeigt die Aufnahme einer speziellen Kamera, die das Fluoreszenzlicht des Atoms aufgenommen hat.

Versuchsaufbau zur Erzeugung des Quantengatters

Für ein Gatter braucht man eine starke und kontrollierte Wechselwirkung. Die Art der Wechselwirkung hängt von den Informationsträgern ab. Es gibt viele verschiedene Arten von Quantengattern, die bereits realisiert wurden. Teilweise sind das elektronische Gatter, die mit supraleitenden Metallen hergestellt werden, die dann aber auch sehr kalt sein müssen. Es gibt atomare Gatter, wo meist ionisierte Atome miteinander verrechnet werden. Und wir haben jetzt eben ein Gatter zwischen zwei Lichtteilchen, das das erste seiner Art ist, bei dem die Lichtteilchen während der Verarbeitung nicht vernichtet werden müssen. Darüber hinaus lässt sich Licht sehr leicht transportieren, deshalb kann man prinzipiell auch beliebig viele Gatter damit verbinden.

Wie funktioniert dieses Quantengatter?

Das Komplizierte bei Lichtteilchen ist, dass sie niemals direkt miteinander wechselwirken. Deshalb funktioniert das Quantengatter in mehreren Schritten über eine Art Vermittler: Wir verwenden dafür ein Atom in einem Hohlraum. Ein Photon wechselwirkt dort zunächst mit dem Atom, überträgt Information und wird danach wieder aus dem Hohlraum herausreflektiert. Das Gleiche macht man anschließend mit dem zweiten Photon, wodurch es diese Information vom Atom übernimmt. Und dann braucht man noch eine dritte Wechselwirkung, damit die Information vom zweiten Photon an das erste Photon übermittelt werden kann. Dafür haben wir den Zustand des Atoms vermessen und das erste Photon entsprechend verändert. Die Kombination dieser drei Wechselwirkungen ergibt eine Wechselwirkung zwischen den Lichtteilchen, bei der das Atom selbst keine Rolle mehr spielt.

Was verändert sich konkret bei den Photonen aufgrund der Wechselwirkung, worin ist die Information kodiert?

Wir vermessen eine Änderung ihrer Polarisation, also ihrer Schwingungsrichtung relativ zu ihrer Ausbreitungsrichtung. Zum Beispiel messen wir, dass sich ihre Polarisation etwa um neunzig Grad gedreht hat. Und diese Änderung hängt davon ab, in welchem Zustand das andere Photon war. Das Quantengatter ist also eine Art Funktion: Beide Lichtteilchen treten ein, es passiert etwas mit ihnen aufgrund der Wechselwirkung und am Ende kommen beide verändert wieder heraus. Es ermöglicht auch gleichzeitige gegenseitige Veränderungen, womit wir eine Verschränkung der Lichtteilchen erzeugen können.

Wo lassen sich solche Quantengatter einsetzen?

Wenn man eine Reihe von Gattern miteinander verbindet, hat man letztendlich einen Computer. Und wenn man eine Reihe von Quantengattern aneinanderschaltet, hat man einen Quantencomputer. Es ist aber nicht so, dass wir das jetzt bereits umsetzen könnten, denn das Gatter hat eine experimentelle Ungenauigkeit. Wenn man es also mit anderen Gattern zusammenschaltet, wird dieser Fehler immer größer, und dann würden wir ein falsches Ergebnis erhalten. Es ist also eigentlich eher ein erster Prototyp. Wir haben ein universelles Gatter erzeugt, was bedeutet, dass es für den Bau eines Quantencomputers im Prinzip geeignet wäre. Es ist gar nicht nötig, ein Gatter für zehn Photonen zu bauen, es genügt, mehrere Gatter für jeweils zwei Photonen zu haben, die sich hintereinanderschalten lassen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2016/quantengatter/