Videospiel löst Quantenproblem

Indem sie die Intuition von Videospielern nutzen, lösen Forscher der Universität Aarhus komplizierte quantenmechanische Probleme, wie sie beim Quantencomputing auftreten.

Rainer Scharf

Beim Videospiel „BringHomeWater“ soll man möglichst schnell möglichst viel Wasser aus einem Vorrat (rechts) „nach Hause“ (links) transportieren.

Oft können Menschen mit ihrer Intuition komplizierte Probleme knacken, an denen sogar Supercomputer scheitern. Menschen nutzen dabei vereinfachende heuristische Strategien, die sie oft überraschend schnell an die beste Lösung eines komplexen Optimierungsproblems heranführen.

Diese menschlichen Fähigkeiten kann man nutzen, indem man komplexe wissenschaftliche Probleme in Videospiele verpackt, an denen man möglichst viele gute Spieler teilnehmen lässt. Die besten der auf diese Weise spielerisch gefundenen Lösungen stellen oft die mit gängigen Optimierungsprogrammen gefundenen Lösungen in den Schatten.

Jetzt haben Jens Jakob Sørensen und seine Kollegen von der Universität Aarhus ein Videospiel entwickelt, mit dem sie die Lösung eines quantenmechanischen Problems suchten. Das Spiel haben sie von 300 Spielern 12 000 mal spielen lassen. Von der zugrunde liegenden physikalischen Fragestellung merkten die Spieler nichts und sie mussten auch nichts von Quantenmechanik verstehen. Für sie ging es nur darum, möglichst schnell möglichst viel Wasser aus einem Behälter in einen anderen zu transportieren, indem sie einen Potentialtopf in der richtigen Weise zwischen den beiden Behältern bewegten.

Das dahinter stehende quantenmechanische Problem tritt beim Quantencomputing mit hunderten von Atomen auf, die in einem Lichtgitter sitzen und in denen Quanteninformation gespeichert ist. Hier geht es nun darum, mit einer optischen Pinzette ein einzelnes Atom von einem Gitterplatz zu einem anderen zu transportieren, sodass der spezielle Quantenzustand des Atoms und somit die gespeicherte Quanteninformation erhalten bleibt.

Stünde für den Transport beliebig viel Zeit zur Verfügung, so ließe sich das Problem dadurch lösen, dass man das Atom sehr langsam bewegt. Doch die Zeit ist begrenzt, da das Atom die Quanteninformation durch äußere Störungen schon innerhalb von Sekundenbruchteilen verliert. Führt man den Transport aber zu rasch durch, so stört man den Zustand des Atoms zusätzlich und verliert die Quanteninformation noch schneller.

Tatsächlich gibt es eine minimale Zeitspanne, innerhalb der ein verlustfreier Transport gerade noch möglich ist. Doch diesen „Quantum Speed Limit“ tatsächlich zu finden und den verlustfreien Transport auch durchzuführen, ist ein extrem schwieriges Optimierungsproblem.

Hier helfen nun die Spieler von „BringHomeWater“ weiter. In vielen Spielen konnten sie den schonenden Transport deutlich schneller durchführen, als es durch ein gängiges Quantenoptimierungsprogramm vorhergesagt wurde. Dieses Programm war bei der Optimierung der Transportzeit offenbar in einem lokalen Minimum hängengeblieben, das noch weit vom globalen Minimum entfernt war.

Anhand der von den Spielern gefundenen Transportstrategien konnten die Forscher ihr Optimierungsprogramm auf eine bessere Fährte setzen, die dann schneller zum Ziel führte. Auf diese Weise konnten sie den Schätzwert für den „Quantum Speed Limit“ nahezu halbieren. Das Zusammenspiel von menschlicher Intuition und computergestützter Optimierung erwies sich somit als sinnvoll. Inwieweit man diese Methode auch auf andere schwierige Probleme aus der Quantenphysik anwenden kann, ist noch unklar.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2016/videospiel-loest-quantenproblem/