„Eine neue Bandbreite von Anwendungen“
Franziska Konitzer
Hochfrequente Schwingungen lassen sich elektronisch nicht direkt messen, weshalb Wissenschaftler auf ein Hilfsmittel zurückgreifen – auf sogenannte Frequenzkämme. Inzwischen kommen diese Laserlineale in vielen Gebieten zum Einsatz, etwa in der Astronomie um das Licht von Sternen zu analysieren. Auch in der Industrie wären Frequenzkämme nützlich, weil sie Zusammensetzung und Konzentration von Gasen schnell erfassen können. Doch derzeitige Methoden sind dafür zu aufwendig und zu teuer. Im Fachmagazin „Science“ präsentieren Forscher nun einen neuartigen Ansatz, mit dem sich der Weg zu einem breiten Anwendungsfeld ebnen ließe: Mit einem einzigen kostengünstigen Laser erzeugen sie Paare von Frequenzkämmen, die sich für die Analyse von Gasen eignen. Welt der Physik sprach darüber mit dem beteiligten Wissenschaftler Sandro Link von der ETH Zürich.
Welt der Physik: Was ist ein Frequenzkamm?
Sandro Link: Man kann sich einen Frequenzkamm wie ein Lineal für Frequenzen statt für Abstände vorstellen. Mithilfe eines sehr kurz gepulsten Lasers können wir einen Kamm mit sehr vielen Frequenzen erzeugen, die alle denselben Abstand voneinander haben. Eine Zinke entspricht dabei einer Frequenz.
Wofür braucht man Frequenzkämme?
Ein Frequenzkamm ist ein Werkzeug, um hohe Frequenzen zu messen. Frequenzkämme kommen zum Beispiel in der Astrophysik zum Einsatz. Dort heißen sie auch „Astrokämme“, die das Licht von Sternen analysieren können. Das Lichtspektrum verrät nämlich die chemische Zusammensetzung des Sterns, also welche chemischen Elemente er enthält. Dafür muss man aber die Frequenzen des Spektrums analysieren, und diese muss man zunächst messen. Nun können diese unbekannten Frequenzen mit dem Frequenzkamm überlagert werden. Dadurch entsteht eine Schwebungsfrequenz, die man genau messen und von der man auf die unbekannte Frequenz schließen kann.
Das klingt recht kompliziert. Kann man die Frequenzen nicht direkt messen?
Das Problem ist, dass diese Frequenzen im Bereich von mehreren Hundert Terahertz liegen. Um diese zu messen, braucht man ein Gerät, das genau so schnell zählen kann. Das gibt es aber nicht, da keine Elektronik schnell genug ist. Der Frequenzkamm hingegen kann diese hohen Frequenzen zu niedrigeren Frequenzen umwandeln, indem er eine Differenz zwischen seiner eigenen hohen Frequenz und der unbekannten, ebenfalls hohen Frequenz bildet. Die daraus resultierende Schwebungsfrequenz ist viel niedriger und liegt in einem Bereich, den man einfach elektronisch messen kann. Das ist vergleichbar mit dem Stimmen eines Instruments. Auch da gibt es die Schwebung zwischen dem gestimmten Ton und dem ungestimmten Instrument, die man dann anpassen kann.
Warum braucht man manchmal zwei Frequenzkämme?
Zwei Frequenzkämme werden nötig, wenn man beispielsweise ein Gas mithilfe von Spektroskopie untersuchen will. Wenn man nur einen Frequenzkamm durch das Gas schickt, sieht man am Ende zwar, dass einige der Zinken vom Gas absorbiert worden sind. Aber um welche es sich dabei genau handelt, weiß man nicht – denn dafür müsste man ja die hohen Frequenzen messen. Deshalb nutzt man einen zweiten Kamm mit leicht unterschiedlichem Zinkenabstand. Damit hat man Paare von Linien und schickt beide durch das Gas hindurch. Dadurch erhält man Schwebungsfrequenzen, genau wie beim Astrokamm. Diese liegen beispielsweise im Mikrowellenbereich des elektromagnetischen Spektrums und lassen sich mit einer normalen Photodiode messen.
Gab es bislang noch keine doppelten Frequenzkämme?
Doch. Die Methode, Gasspektroskopie mithilfe eines Paares von Frequenzkämmen zu betreiben, gibt es schon. Allerdings braucht man dafür zwei kurz gepulste Laser, die zwei Frequenzkämme erzeugen. Damit die Abstände zwischen den Zinken immer gleich bleiben, müssen die beiden sehr gut gegeneinander stabilisiert sein. Sonst verschwimmt alles und man sieht gar nichts. Dieses Verfahren ist nicht nur technisch extrem aufwendig, sondern bislang auch sehr teuer: Ein kommerziell verfügbarer Frequenzkamm kostet rund 300 000 Euro. Deshalb kommt diese Technologie zwar in der Forschung bereits zum Einsatz, aber für industrielle Anwendungen lohnt sich das bislang nicht. Unser Ziel lautete deshalb, diese Methode so zu vereinfachen, dass sie künftig eine neue Bandbreite von Anwendungen ermöglicht.
Wie haben Sie dieses Ziel erreicht?
Wir erzeugen aus einem einzelnen kostengünstigen Halbleiterlaser zwei Frequenzkämme. In diesen Laser haben wir einen doppelbrechenden Kristall eingesetzt. Dieser spezielle Kristall sorgt dafür, dass ihn das Licht auf unterschiedlichen Wegen durchquert – je nachdem, wie es polarisiert ist. Licht, das senkrecht zur Achse dieses Kristalls schwingt, durchquert ihn geradewegs. Ist die Polarisation, also die Schwingungsebene, aber um neunzig Grad dazu verschoben, dann läuft das Licht nicht geradlinig, sondern diagonal durch den Kristall. Auf diese Weise teilt man den Laserstrahl nicht nur in zwei Strahlen auf, die Frequenzkämme der beiden Strahlen weisen auch leicht unterschiedliche Zinkenabstände auf. In unseren Experimenten betrug der Linienabstand bei einem einzelnen Kamm 1,7 Gigahertz – das entspricht etwa der Taktfrequenz moderner Prozessoren. Der Unterschied zwischen den jeweiligen Zinken der beiden Kämme lag bei vier Megahertz. Die beiden von uns erzeugten Frequenzkämme sind gegeneinander sehr stabil, weil sie aus demselben Laser kommen. Deshalb konnten wir die Schwebungsfrequenzen im Mikrowellenbereich sehr gut auflösen.
Wie haben Sie den neuen doppelten Frequenzkamm getestet?
Wir haben diese beiden Strahlen durch eine Gaszelle mit Wasserdampf geschickt. Der Wasserdampf absorbiert einen Teil dieses Laserlichts, und das konnten wir direkt hinter der Gaszelle mit einer Photodiode beobachten. Das Schöne daran ist, dass alles extrem schnell abläuft: In einer Millisekunde schaffen wir 4000 einzelne Messungen. Deshalb können wir die Absorption quasi live verfolgen.
Für welche Anwendungen könnte der doppelte Frequenzkamm künftig zum Einsatz kommen?
Man kann damit nicht nur messen, welche Gasmoleküle vorhanden sind, sondern auch ihre Konzentration erfassen. Deshalb wäre im Anwendungsbereich beispielsweise die Überwachung von Umweltgasen interessant. Im industriellen Bereich könnte man diese Technologie über Schornsteinen installieren und so die Abgase überwachen. Das Gleiche gilt auch in der Produktion von Petrochemiegemischen, wo gewisse Schwellenwerte nicht überschritten werden dürfen. Im Moment ist das natürlich noch Zukunftsmusik.
Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Derzeit erzeugen wir Frequenzkämme im nahen Infrarotbereich. Wir wollen die Technologie im nächsten Schritt so angleichen, dass wir in den mittleren Infrarotbereich kommen, was aufgrund der Halbleitertechnologie unserer Laser möglich ist. Dort liegen viele Absorptionslinien von Gasen und man kann somit noch sehr viel mehr Signale entdecken.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2017/eine-neue-bandbreite-von-anwendungen/