Hafteffekt lässt sich mit UV-Licht steuern

Ein neues Kompositmaterial legt die Grundlage für schaltbare Haftgreifer von Laborautomaten und Robotern.

Jan Oliver Löfken

Mühelos klettert ein Gecko über glatte, steile Flächen. Inspiriert von der kontrollierten Haftung der Füße des Reptils entwickelte nun eine Forschergruppe an der Universität Kiel ein neues, schaltbares Haftmaterial. Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Science Robotics“ berichten, konnten sie kleine Objekte aus Glas oder Kunststoff mit einer Art Transportgreifer hochheben. Bestrahlt mit ultraviolettem Licht löste sich die Haftbindung innerhalb weniger Sekunden. Dieses Material hat ein großes Potenzial, beispielsweise in vielseitigen Laborrobotern eingesetzt zu werden.

Zwei Grafiken: Auf der linken sieht man eine gerade Schicht, deren Unterseite mit saugnapfartigen Noppen beschaffen ist; die rechte zeigt, wie sich diese Schicht durch den Einfluss von UV-Licht biegt.

Neues Haftmaterial

„Wir konnten die von Geckos inspirierte trockene Adhäsion mit Licht kontrollieren“, sagt Emre Kizilkan. Gemeinsam mit seinen Kollegen kombinierte der Forscher verschiedene Substanzen, um den gewünschten schaltbaren Hafteffekt zu erzielen. Insgesamt bestand der Haftgreifer aus drei Schichten: Aus dem Silikonkunststoff Polydimethylsiloxan fertigten sie eine etwa hundert Mikrometer dünne Schicht, die auf einer Seite zahlreiche kleine konisch geformte Säulen aufwies. Darauf deponierten sie eine Lage aus einem lichtaktiven Material mit der organischen Verbindung Azobenzol als wichtigstem Bestandteil. Auf dieses Sandwich folgte eine weitere schützende Lage aus dem Silikonkunststoff.

Mit den filigranen Silikonsäulen haftete dieses Kompositmaterial auf glatten Flächen und auch dreidimensionalen Objekten aus Glas oder Kunststoff. Über Adhäsionskräfte von knapp einem Millinewton konnten diese Objekte angehoben werden. Mit ultraviolettem Licht bestrahlt, verformte sich die mittlere Schicht aus dem azobenzolhaltigen, flüssigkristallinen Elastomer. Dadurch krümmte sich auch die Silikonschicht, die Adhäsionskräfte gingen drastisch auf etwa ein Drittel zurück und das zuvor anhaftene Objekt löste sich wieder. Ohne UV-Licht nahm das Material wieder seine ursprüngliche Form an. Versuche mit ersten Testgreifern liefen erfolgreich. Kizilkan und Kollegen konnten so etwa kleine Glaskügelchen, Deckgläser für Mikroskobproben und sogar kleine Pipetten aus Plastik aufnehmen, transportieren und auf Wunsch wieder absetzen.

Auch andere Forschergruppen konzipierten bereits schaltbare Haftmaterialien. Doch für dessen Kontrolle mussten sie abwechselnd erhitzt und gekühlt werden oder verlangten nach einer komplexen elektronischen Steuerung. Die neue Entwicklung lässt sich mit UV-Licht einfacher und zuverlässiger kontrollieren und besteht zudem aus gut verfügbaren und relativ günstigen Substanzen. So könnten bald schaltbare Haftgreifer entwickelt werden, mit denen beispielsweise Laborautomaten oder auch größere Roboter ausgestattet werden könnten.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2017/hafteffekt-laesst-sich-mit-uv-licht-steuern/