Verdunstendes Wasser als Energiequelle
Jan Oliver Löfken
Der Aufbau von Wind-, Wasser- und Solarkraftwerken schreitet weltweit mit jährlichen Wachstumsraten von knapp zehn Prozent voran. Die Anlagen decken bereits etwa ein Viertel des globalen Strombedarfs. Nun schlagen Wissenschaftler eine weitere, bisher ungenutzte erneuerbare Stromquelle vor: die Verdunstung von Wasser. In der Fachzeitschrift „Nature Communications“ berichten sie, dass zukünftige Verdunstungskraftwerke in den USA ein Leistungsreservoir von bis zu 325 Gigawatt anzapfen könnten. Nützlicher Nebeneffekt wäre, dass wegen einer verringerten natürlichen Verdunstungsrate durch die Kraftwerke das Risiko eines Wassermangels in einzelnen Regionen gesenkt werden könnte.
Gemeinsam mit seinen Kollegen schätzte Ozgur Sahin von der Columbia University in New York das Potenzial der nutzbaren Verdunstungsenergie ab, die alle größeren Seen und Staubecken in den USA bieten. Grundlage dafür ist, dass Verdunstungsprozesse auf der Erdoberfläche etwa die Hälfte der Energie der Sonneneinstrahlung in Anspruch nehmen. „Wir verfügen über die Technologie, um Wind-, Wasser- und Sonnenkraft zu nutzen, aber auch Verdunstung ist vergleichbar leistungsstark“, so Sahin.
Das Team analysierte mit einer hohen lokalen Auflösung verschiedene Parameter wie Sonneneinstrahlung, Luftfeuchte, Temperatur und Windgeschwindigkeit. Gerade in wärmeren Regionen wie Kalifornien und Arizona ermittelten die Forscher eine Leistungsdichte für Verdunstungsprozesse von bis zu zehn Watt pro Quadratmeter. Dieser Wert entspricht sogar dem Dreifachen der Leistungsdichte von Wind. Verdunstungskraftwerke bräuchten entsprechend einen kleineren Wirkungsgrad, um auf gleicher Fläche die gleiche Stromausbeute zu erreichen. Da Wasser Wärme gut speichert, könnten Verdunstungskraftwerke sogar rund um die Uhr und unabhängig von der aktuellen Witterung laufen.
Das Problem an dieser Vision liegt darin, dass es noch keine ausgereifte Technologie gibt, um nutzbare Energie aus einem Verdunstungsprozess zu gewinnen. Doch mit einem hydromechanischen Aufbau konnten Sahin und seine Kollegen bereits die grundsätzliche Realisierbarkeit eines Verdunstungskraftwerks belegen. Ihr Prototyp besteht aus speziellen Bakteriensporen, die sie in einem flexiblen Kunststoffmantel fixierten. Im feuchten Zustand dehnten sich diese Sporen aus, in trockener Umgebung schrumpften sie wieder zusammen.
Diese Fasern hängte das Team in einer Kammer direkt über eine Wasserfläche. Nahm nun aufgrund des verdunstenden Wassers die Luftfeuchte in der Kammer zu, streckten sich die Fasern. Über eine obere Klappe wurde die feuchte Luft durch die trockenere Luft der Umgebung ausgetauscht und die Fasern zogen sich wieder zusammen. Diese mindestens im Minutentakt erfolgende zyklische mechanische Bewegung konnte einen kleinen Stromgenerator in Rotation versetzen. So lieferte der etwa handgroße Prototyp elektrischen Strom mit einer Leistung von einigen Mikrowatt – gerade genug für eine Leuchtdiode.
Um mit solchen Modulen einen ganzen See zu bedecken, ist der Wirkungsgrad von unter einem Prozent noch viel zu klein. Aber Sahin und seine Kollegen sind davon überzeugt, dass sich wirkungsvollere Prinzipien für ein Verdunstungskraftwerk entwickeln lassen. Doch auch wenn der Wirkungsgrad nicht erhöht werden kann, ließe sich mit kleinen Verdunstungsmodulen genug Strom für autarke Umweltsensoren erzeugen.
Wissenschaft aktuell gemäß den Bedingungen der Quelle
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2017/verdunstendes-wasser-als-energiequelle/