Aus dem Wind gedreht

Einzelne Windräder liefern am meisten Strom, wenn der Wind frontal auf den Rotor trifft. Doch für größere Windparks gilt diese einfache Regel nicht mehr.

Jan Oliver Löfken

Windräder auf einem kanadischen Feld

John Dabiri

Einzelne Windräder liefern am meisten Strom, wenn die Drehachse des Rotors exakt in die Windrichtung zeigt. Doch für größere Windparks gilt diese einfache wie plausible Regel nicht mehr. Denn die Windräder in der ersten Reihe reduzieren die Windgeschwindigkeit und verursachen Turbulenzen, die die Stromausbeute der dahinter liegenden Anlagen sinken lässt. Nun haben Wissenschaftler eine Lösung für dieses Problem gefunden. Wie sie in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten, muss man die Windräder nur etwas aus ihrer scheinbar idealen Ausrichtung zum Wind herausdrehen.

Michael Howland von der Stanford University in den USA und seine Kollegen simulierten die optimale Position von Anlagen in einem Windpark mithilfe eines Computermodells. Um der Realität so nahe wie möglich zu kommen, nutzten sie dazu innerhalb eines Jahres gemessene Winddaten. Den Simulationen zufolge ließe sich die gesamte Stromausbeute eines Parks steigern, wenn vor allem Windräder in der ersten Reihe um etwa 20 Grad aus ihrer idealen Position herausgedreht werden. Dieses Ergebnis überprüfte das Team während eines zehntägigen Testlaufs in einem kanadischen Windpark in der Provinz Alberta.

Wie erwartet produzierten die frontalen Windkraftanlagen weniger Strom – aber auch weniger Windverwirbelungen. „Durch diesen reduzierten Nachlaufeffekt lieferten die weiter hinten gelegenen Windräder signifikant mehr Strom“, berichtet Howland. So stieg der Ertrag von sechs in einer Reihe stehenden Windrädern bei durchschnittlichen Windstärken um 7 bis 13 Prozent. In Schwachwindphasen lieferten die jeweils 250 Meter voneinander entfernten Anlagen sogar bis zu 47 Prozent mehr Strom. Zudem zeigte sich die sonst stark schwankende Stromausbeute insgesamt ausgeglichener. Das ist ein erheblicher Vorteil, wenn es darum geht, die erzeugte Energie in das öffentliche Stromnetz einzuspeisen.

Ob das gezielte Verdrehen der Windräder die Gesamtbilanz eines Windparks auch über Jahre hinweg optimieren kann, ist bisher noch unklar. Der Testlauf war schlicht zu kurz. Doch die Wissenschaftler planen bereits einen Langzeitversuch über ein ganzes Jahr. „Wenn sich diese Strategie auf große Windparks über lange Perioden anwenden lässt, können wir potenziell die Aerodynamik, die Stromausbeute und sogar die Flächennutzung von Windparks überall auf der Welt optimieren“, sagt Teammitglied John Dabiri, ebenfalls von der Stanford University.

In den vergangenen Jahren zeigten bereits mehrere Studien, dass Windverwirbelungen die Stromausbeute von Windparks stark beeinflussen. Die Effizienz von Windrädern in hinteren Reihen kann dadurch um bis zu 40 Prozent abfallen. Größere Abstände zwischen den Anlagen reduzieren diesen Effekt zwar, können ihn aber nicht völlig aufheben. Denn je nach Windbedingungen wirkt sich der Nachlaufeffekt über Distanzen von bis zu 50 Kilometern aus, bei Offshore-Windparks sogar noch weiter.

 

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2019/aus-dem-wind-gedreht/