Quantenpunkte: Künstliche Atome in Halbleitern
In einem gewöhnlichen ausgedehnten Festkörper sind die Ladungsträger in sogenannten Energiebändern frei beweglich und können deshalb kontinuierlich verteilte Impuls- und Energiezustände einnehmen. Ein Quantenpunkt besitzt im Gegensatz dazu extrem scharfe und diskrete Energieniveaus. Die Situation ist also ganz ähnlich wie bei einem Wasserstoffatom, genau genommen ist sie sogar noch einfacher. Deshalb bezeichnen Forscher solche Gebilde auch als „Pseudo-Atome“ oder „künstliche Atome“.
Die Entwicklung neuer Werkstoffe führt häufig zu völlig neuen Produkten und Anwendungen. Andere Mischungen oder Legierungen bekannter Stoffe oder neue chemische Verbindungen besitzen oft neue und unerwartete Eigenschaften. In der Welt der Quantenpunkte spielen neben der chemischen Zusammensetzung plötzlich auch Form und Größe, also die Geometrie, eine bestimmende Rolle für alle Eigenschaften. Die künstlichen Atome haben erstaunliche physikalische Eigenschaften und bilden die Grundlage revolutionärer neuer Bauelemente der Elektronik, Optoelektronik und Quanteninformationsverarbeitung.
Nanostrukturen in Halbleitern
Quantenpunkte bestehen typischerweise aus tausend bis zehntausend Atomen eines Halbleiters, der in einen anderen eingebettet ist. Hierfür gibt es viele unterschiedliche Möglichkeiten: Germanium (Ge) in Silizium (Si), Indium-Arsenid (InAs) in Gallium-Arsenid (GaAs) oder Indium-Nitrid (InN) in Gallium-Nitrid (GaN) sind nur einige Beispiele. Da die Abmessungen von Quantenpunkten im Bereich von Nanometern liegen, sind sie zu klein für eine direkte Betrachtung mit optischen Mikroskopen. Verfahren wie Transmissionselektronenmikroskopie, Rasterkraft- oder Tunnelmikroskopie helfen Forschern, sich ein Bild von Größe, Form und chemischer Zusammensetzung der Quantenpunkte zu machen. Bei diesen geringen Strukturgrößen führen quantenmechanische Effekte zu neuartigen Eigenschaften.
Wie kann man derart kleine Strukturen gezielt herstellen? Ein häufig angewandtes Verfahren ist die so genannte Epitaxie. Diese Bezeichnung bedeutet „obenauf anordnen“ (epi, griechisch für: auf; taxis, griechisch für: anordnen). Als Basis dient eine dünne einkristalline Scheibe, Wafer genannt, eines günstigen Trägermaterials.
In einer Epitaxie-Anlage werden bei Temperaturen von einigen Hundert Grad Celsius die einzelnen Komponenten des aufzubringenden Halbleitermaterials in molekularer Form, beispielsweise Silizium (Si) als Silan (SiH4), auf das Substrat geleitet. Das Molekül zerfällt bei der hohen Temperatur des Substrats in einen gasförmigen Bestandteil und in Atome, welche sich an die Oberfläche anlagern und eine chemische Bindung eingehen. Die neuen Atome übernehmen dabei die Kristallstruktur der Unterlage und setzen diese regelmäßig fort.
Wird ein Halbleiter mit größerer Gitterkonstante als jener der Unterlage aufgebracht, so ist die aufgewachsene Atomlage verspannt und speichert damit Energie. Nach nur wenigen Atomlagen – oft zwei bis drei – ist es energetisch günstiger, dass sich statt geschlossener Flächen wenige Nanometer große, dreidimensionale Strukturen bilden.
Quantenpunkte entstehen somit in einem selbstorganisierten Verfahren und sind sich alle in Form und Größe ähnlich. Für die Produktion elektronischer Bauelemente werden die Quantenpunkte dann mit anderen geeigneten Halbleitern überwachsen. Auf diese Weise entstehen zum Beispiel InAs-Quantenpunkte in einer GaAs-Matrix.
Leitungsbänder, Energieniveaus und Quasiteilchen
Die möglichen Energiezustände der Ladungsträger bilden in Halbleitern sogenannte Energiebänder. Diese Bänder sind dabei nicht etwa mit dem Mikroskop sichtbare Strukturen, sondern die zeichnerisch aufgetragenen Energiezustände, die dicht an dicht gepackt sind und so ein „Band“ ergeben. Von besonderer Bedeutung sind das sogenannte Valenzband und das sogenannte Leitungsband. Diese beiden Bänder sind energetisch durch eine Bandlücke getrennt, in welcher sich keine Ladungsträger aufhalten können. Absorbiert der Halbleiter ein Photon mit einer Energie größer als die Bandlücke, so wird ein Elektron aus dem Valenzband in das Leitungsband angehoben, seine Energie nimmt also zu. Dadurch fehlt nun im Valenzband ein Elektron. Diese Elektronenvakanz bezeichnet man als „Loch“.
Durch Platztausch mit den anderen Elektronen kann sich das Loch im Valenzband räumlich bewegen. Das Loch ist also ein „Quasiteilchen“ mit ähnlichen Eigenschaften wie ein Elektron, nur dass es eine positive Ladung trägt. Fällt ein Elektron aus dem Leitungsband zurück ins Valenzband, gibt also Energie ab, so spricht man von einer Elektron-Loch-Rekombination. Diese erfolgt entweder strahlend unter Aussendung eines Photons oder nicht-strahlend unter Freisetzung von Wärme. Die Größe der Bandlücke ist materialspezifisch und bestimmt in erster Näherung, welche Energie die absorbierten und emittierten Photonen besitzen. Je größer die Bandlücke ist, desto höher sind die Energien der beteiligten Photonen.
Ist die elektronische Bandlücke des Quantenpunktmaterials kleiner als die der umgebenden Halbleitermatrix, so bildet der Quantenpunkt in allen drei Raumrichtungen einen sogenannten Potentialtopf für elektrische Ladungsträger. Diese sind dann in einem sehr kleinen Volumen von wenigen Kubiknanometern eingeschlossen.
In einem klassischen Halbleiter sind die möglichen Energiezustände der Ladungsträger in den breiten Energiebändern kontinuierlich verteilt. In Quantenpunkten führen die Gesetze der Quantenmechanik aufgrund der geringen räumlichen Ausdehnung jedoch zu diskreten Energieniveaus: Das Band ist kein Band mehr sondern eine Menge von einzelnen Linien, auf denen sich die Energien der Elektronen befinden dürfen. Ein Quantenpunkt verhält sich also wie eine Art riesiges Atom, auch dort dürfen Elektronen nur bestimmte Energieniveaus einnehm
Exzitonen
Befinden sich ein elektrisch negatives Elektron und ein elektrisch positives Loch im Potentialtopf eines Quantenpunkts, so beobachtet man eine elektrische Anziehung zwischen den beiden Teilchen. Ein solcher Zweiteilchenkomplex wird „Exziton“ genannt. Weitere Elektronen und Löcher können andere noch freie Energieniveaus des Quantenpunkts besetzen, wodurch sich exzitonische Komplexe bilden. Ein Beispiel ist das Biexziton, welches aus zwei Elektronen und zwei Löchern besteht. Die theoretische Beschreibung des Exzitons erfolgt analog zu der eines Wasserstoffatoms. Entsprechend lässt sich das Biexziton analog zu einem Wasserstoffmolekül beschreiben. Es gibt außerdem auch geladene exzitonische Komplexe mit ungleicher Anzahl der beiden Ladungsträgersorten. Die einfachsten Vertreter hiervon, das negativ oder positiv geladene Exziton, heißen Trionen.
In einem Wasserstoffmolekül sind die beiden Atome sehr stark aneinander gebunden. Es ist nur unter Aufwendung von Energie möglich, das Molekül in die einzelnen Atome zu zerlegen. Bei exzitonischen Molekülen in Quantenpunkten findet man erstaunlicherweise eine geometrieabhängige Bindungsenergie. Diese kann, wie im Fall des Wasserstoffmoleküls, positiv sein, jedoch auch Null oder sogar negativ. Dann werden die beiden Elektronen und Löcher nur durch das tiefe Potenzial des Quantenpunkts zusammengehalten, ansonsten würden sie auseinanderfliegen. Das ist ein wunderbares Beispiel für die Andersartigkeit, die Geometrieabhängigkeit der Wechselwirkung geladener Teilchen in diesen Nanosystemen.
Die strahlende Rekombination eines Elektron-Loch-Paares im Quantenpunkt erfolgt aufgrund der sehr scharfen Energieniveaus unter Aussendung eines Photons mit exakt definierter Energie. Die Emissionslinien unterschiedlicher exzitonischer Komplexe treten bei unterschiedlichen Energien auf. Das liegt an der Coulomb-Wechselwirkung mit den übrigen Ladungsträgern, die in die Energie eines exzitonischen Komplexes mit eingeht.
Von großem Vorteil für praktische Anwendungen ist die Abhängigkeit der Wellenlänge beziehungsweise der Photonenenergie der Emission von Größe, Form und Zusammensetzung des Quantenpunkts. Das künstliche Atom lässt sich dadurch in seinen optoelektronischen Eigenschaften genau wie gewünscht herstellen.
Quantenpunkte lassen sich leicht in Halbleiterdiodenstrukturen für einen elektrischen Betrieb einbetten. Dabei gelangen die Elektronen und Löcher über elektrische Kontakte in das Material. Zusammen mit den vorteilhaften Eigenschaften der Quantenpunkte ergibt sich daraus eine Reihe interessanter Anwendungen. Im zweiten Teil dieses Artikels behandeln wir einige ausgewählte Beispiele für solche Anwendungen.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/quantenmechanik-quantentechnik/halbleiter-quantenpunkte/