Quantenpunkte: Technische Anwendungen der „künstlichen Atome“

Sven Rodt und Dieter Bimberg

Emitter

Quantenpunkte bestehen typischerweise aus tausend bis zehntausend Atomen eines Halbleiters, der in einen anderen eingebettet ist. Bei diesen geringen Strukturgrößen führen quantenmechanische Effekte zu neuartigen Eigenschaften. In einem klassischen Halbleiter sind die möglichen Energiezustände der Ladungsträger in den breiten Energiebändern kontinuierlich verteilt. In Quantenpunkten führen die Gesetze der Quantenmechanik aufgrund der geringen räumlichen Ausdehnung jedoch zu diskreten Energieniveaus. Ein Quantenpunkt verhält sich also wie eine Art riesiges Atom. Die daraus resultierenden physikalischen Eigenschaften von Quantenpunkten führen zu einer Vielzahl von technischen Anwendungsmöglichkeiten.

Lesen Sie im ersten Teil unseres Artikels mehr über die physikalischen Grundlagen der Quantenpunkte.

Von den optoelektronischen Bauelementen auf Halbleiterbasis sind die Leuchtdiode und der Halbleiterlaser am weitesten verbreitet. In ihrer Eigenschaft als hocheffizientes und kompaktes Leuchtmittel ist die Leuchtdiode Bestandteil unzähliger elektronischer Anzeigen oder neuartiger Lampen. Der Halbleiterlaser wandelt elektrische Energie besonders effizient in Strahlung um und ist ebenfalls kompakt aufgebaut. Er hat, neben dem Einsatz in Unterhaltungsgeräten wie CD- und DVD-Spielern, die moderne optische Datenübertragung durch Glasfasernetze erst ermöglicht.

Während eine Leuchtdiode die einzelnen Photonen ihrer Lichtemission unkorreliert aussendet, basiert die Funktion eines Lasers auf der erzwungenen Emission. Diese Form der Emission erfordert einen komplexeren Aufbau des emittierenden Mediums als bei der LED. Hierzu gehört insbesondere ein von reflektierenden Flächen – zum Beispiel Spiegeln – eingeschlossener Bereich, in dem das aktive Medium enthalten ist. Diese sogenannte Kavität sorgt für mehrere Durchläufe des Lichts durch das aktive Medium, währenddessen weitere, durch das durchlaufende Licht erzwungene Emissionen erfolgen.

Links: Auf einem großen Block befindet sich ein flacher Block, auf dessen Oberseite ein erhöhter Streifen verläuft, an den eine Leitung angeschlossen ist. Vorn aus dem dünnen Block tritt ein blauer Strahl aus. Rechts: Es sind mehrere runde Gebilde zu sehen, bei denen oben vertikal rote Strahlen austreten.

Modelle von Quantenpunktlasern

Voraussetzung für erzwungene Emission ist die sogenannte Besetzungsinversion. Das heißt, das sich im aktiven Medium mehr Elektronen im höheren als im niedrigeren Energiezustand befinden müssen. Im Grundzustand eines einzelnen Quantenpunkts können sich maximal zwei Elektron-Loch-Paare aufhalten, womit die Besetzungsinversion erreicht ist. Damit ist die Stromdichte ab der die stimulierte Emission einsetzt bei Quantenpunktlasern geringer als bei jedem anderen Halbleiterlaser.

Der Einschluss der Ladungsträger in Quantenpunkten sorgt außerdem für eine hohe Temperaturstabilität dieses „Schwellstroms“. Die Unempfindlichkeit gegenüber Fehlern in der Kristallmatrix, wie sie zum Beispiel hochenergetische Teilchen – wie etwa die kosmische Strahlung im Weltraum – verursachen können, ist auf den schnellen Einfang der durch den elektrischen Strom injizierten Ladungsträger in die Quantenpunkte zurückzuführen. Geraten die Ladungsträger in die Fehlerstellen, gehen sie der Lichtemission verloren. Diesen Verlustmechanismus bezeichnet man auch als „nichtstrahlende Rekombination“. Die heute gebräuchlichen blauen und grünen LEDs aus InGaN würden ohne darin eingebettete Quantenpunkte, welche schnell die injizierten Ladungsträger einfangen und damit nichtstrahlende Rekombination verhindern, nicht effektiv – also mit einer Lebensdauer von über 100 000 Stunden – funktionieren.

Eine besondere Stärke von Quantenpunktlasern ist ihre Durchstimmbarkeit und die spektrale Breite ihrer Emissionswellenlänge. Atomlaser besitzen einen einzigen oder einige wenige charakteristische Übergänge, die im Laserbetrieb genutzt werden können. Bei Quantenpunktlasern lässt sich die Emissionswellenlänge dagegen über die Einstellung von Größe und Form der Quantenpunkte für ein gegebenes Halbleitermaterial über weite Bereiche verschieben. So können Wellenlängen realisiert werden, die mittels konventioneller Halbleiterlaser nicht möglich sind.

Von besonderem Interesse sind dabei Wellenlängen von 1,3 und 1,55 Mikrometern für die Informationsübertragung durch Glasfasern, die hier ein technisches Optimum, nämlich ein Dispersions- beziehungsweise Dämpfungsminimum besitzen. Durch den Einsatz von InAs/GaAs- und InAs/InP- basierten Quantenpunkten lassen sich diese Wellenlängen bei zugleich überlegenen Bauelementeigenschaften realisieren. So sind Quantenpunktlaser mit 1,3 Mikrometern Emissionswellenlänge ideale Quellen für schnell getaktete Laserpulse mit einer Wiederholrate von 100 Gigahertz und sehr kurzer Dauer eines Einzelpulses im Pikosekundenbereich. Solche Laser werden für das zukünftige 100-Gigabit/s-Ethernet benötigt.

In der Standardausführung als sogenannter Kantenemitter sieht ein Halbleiterlaser wie ein flacher Block aus, auf dessen Oberseite ein erhöhter Streifen verläuft. Die Lichtemission erfolgt aus einer der beiden Kanten des Streifens. Zwischen dem Halbleiter und der umgebenden Luft besteht ein sehr großer Unterschied im Brechungsindex. Das sorgt bereits dafür, dass etwa dreißig Prozent des im Inneren emittierten Lichtes in den Halbleiter zurückreflektiert werden. Eine zusätzliche Verspiegelung der Kanten kann, wenn erforderlich, für einen noch höheren Reflexionsgrad sorgen.

Zentral ist ein großer Block mit einer gelben Schicht zu sehen, auf den von links oben und rechts unten eine Glasfaser zuläuft. Der Block ist über ein breites Band mit einem weiteren Block rechts im Bild verbunden.

Optischer Verstärker

In den letzten zwanzig Jahren haben Forscher eine weitere Klasse von Lasern entwickelt, die vertikal emittierenden Laser. In ihnen schließen zwei Spiegel, die sich auf Ober- und Unterseite des Bauteils befinden, das aktive Medium vertikal ein und erzeugen so die Kavität. Das Bauteil ist zumeist rund und der Durchmesser nimmt vom oberen Spiegel über die aktive Zone zum unteren Spiegel zu, ähnelt vom Aussehen her also einer Hochzeitstorte. Auch hier haben Quantenpunkte aufgrund ihrer hohen Temperaturstabilität, Ausgangsleistung und Bandbreite große Vorzüge. Eine hohe Bandbreite ist beispielsweise für die Datenübertragung mit hoher Bitrate zwischen den Mikroprozessoren eines Rechners und seinem Speicher erforderlich. Inzwischen konnten Übertragungsraten von mehr als zwanzig Gigabit pro Sekunde mit Quantenpunktlasern demonstriert werden. Das Ziel sind parallele optische Verbindungen mit Übertragungsraten im Bereich von Terabit pro Sekunde.

Bei der Datenübertragung in Netzen sind die als Sender eingesetzten Laser nur das eine. In bestimmten Abständen ist eine Regenerierung des optischen Signals nötig, um ein akzeptables Signal-Rausch-Verhältnis bei hohen Übertragungsraten zu gewährleisten. Diese Aufgabe können schnelle optische Verstärker mit hoher Bandbreite erfüllen. Ein optischer Verstärker ähnelt vom Aufbau einem Laser, der jedoch nun durch Antireflektionsschichten auf den Spiegeln die Rückkopplung von Licht in das Halbleitermaterial vermeidet. Dadurch können auf einer Seite eintretende Photonen über stimulierte Emission verstärkt werden und auf der anderen Seite austreten. Optische Halbleiterverstärker auf der Basis von Quantenpunkten übertreffen die klassische Umsetzung ohne Quantenpunkte bei Geschwindigkeit, Bandbreite und zeitlichen Schwankungen in der Verstärkung. Zudem sind sie auch für nichtlineare optische Systeme wie Wellenlängenkonvertierer vorteilhaft einsetzbar.

Unten ist ein großer Block aus einer dicken dunkelgrauen (Substrat) und einer dünnen hellgrauen Schicht (n-dotiertes GaAs). Auf diesem Block befinden sich links und rechts zwei schwarze Balken (n-Kontakte). Dazwischen liegt ein weiterer Block aus drei Schichten, von unten nach oben: grau, gelb mit kleinen pyramidenförmigen Aufsätzen (Quantenpunkte), hellblau (p-dotiertes GaAs). Durch die hellblaue Schicht zieht sich eine dunkelblaue Linie mit einer Lücke in der Mitte (Strompfadbegrenzung). Oben auf diesem Block sind wiederum zwei schwarze Balken (p-Kontakte). An die beiden rechts liegenden Balken (Kontakte) ist symbolisch eine Spannungsquelle angeschlossen. Grüne Linien symbolisieren den Stromfluss im Inneren, der von den Kontakten durch einen Quantenpunkt in der Mitte hindurch führt. Von dort geht eine rote Wellenlinie mit einer Pfeilspitze nach oben aus.

Emitter von einzelnen Photonen oder Photonenpaaren

Eine völlig neue Klasse von optoelektronischen Bauelementen sind Emitter einzelner polarisierter Photonen oder verschränkter Photonenpaare. Im Gegensatz zu einem Laser senden diese Quellen pro Taktsignal nur ein einzelnes Photon oder Photonenpaar aus. Einsatzgebiete sind Quantenkryptografie, Quanteninformationsverarbeitung und Quantenteleportation.

Ein Quantenpunkt mit seinen diskreten Energieniveaus und der einfachen Integration in eine vertikale Halbleiterdiodenstruktur eignet sich hervorragend für derartige Anwendungen. Als Reaktion auf einen Strompuls sendet er nur ein einzelnes Photon mit einer festen Wellenlänge aus. Die Polarisation des Photons ist bei diesem Vorgang festgelegt. Das Zusammenspiel von Quantenmechanik und Geometrie der Quantenpunkte ermöglicht sogar die Emission verschränkter Photonenpaare. Solche Photonen stehen in einer ganz besonderen Beziehung zueinander: Wird der Zustand eines der beiden Photonen durch eine Messung festgelegt, befindet sich das andere ebenfalls in diesem Zustand.

Zu sehen ist ein Block aus vielen Schichten, von unten nach oben: dunkelgrau (GaAs-Substrat), hellgrau (GaAs), hellblau (GaAs p-dotiert), hellgrau (GaAs), grün (2DEG), hellgrau (GaAs), gelb mit kleinen pyramidenförmigen Erhebungen (Quantenpunkte), hellgrau (GaAs). Links und recht ragen zwei rote Gebilde (Kontakte) durch die oberen fünf Schichten in den Block hinein. Auf ihnen befinden sich schwarze Kontakte, die mit "Source" und "Drain" beschriftet sind. Ein weiterer Kontakt liegt oben in der Mitte, beschriftet mit "Gate".

Aufbau eines Quantenpunktspeichers

Neben den bislang beschriebenen optoelektronischen Anwendungen untersuchen die Forscher heute auch die Einsatzmöglichkeiten von Quantenpunkten für elektronische Speicher. Dank des tiefen Einschlusspotentials für Ladungsträger lassen sich mit Quantenpunkten neuartige Nanospeicher entwickeln. Das Ziel ist dabei, die hohe Schreib- und Lesegeschwindigkeit eines DRAM-Speichers mit der langen Speicherdauer in Flash-Speichern zu kombinieren. Damit die gespeicherten Ladungsträger im Quantenpunkt nicht spontan rekombinieren und so die Information zerstören, werden nur entweder Elektronen oder Löcher gespeichert. Das ist ein großer Unterschied zu den oben genannten Anwendungen, bei denen die Elektron-Loch-Rekombination unter Emission eines Photons gerade erwünscht ist.

Quantenpunkte sind faszinierend einfache quantenmechanische Systeme. Zum einen ermöglichen sie die grundlegende Untersuchung quantenmechanischer Phänomene an maßgeschneiderten Nanostrukturen. Zum anderen verbessern sie optoelektronische und elektronische Bauelemente entscheidend und ermöglichen die Realisierung von neuartigen Anwendungen. Die große Vielfalt an heute zur Verfügung stehenden Halbleitermaterialien erschließt einen großen Bereich an Wellenlängen für optoelektronische Bauelemente vom Ultravioletten bis ins mittlere Infrarot.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/quantenmechanik-quantentechnik/halbleiter-quantenpunkte/anwendungen/