„Quantenschlüssel benötigen ein komplexes Protokoll“
Dirk Eidemüller
Die Quantenphysik wird in Zukunft eine wichtige Rolle für die Sicherheit unserer Kommunikation und Daten spielen. Zwischen Erfurt und Jena haben Forscherinnen und Forscher nun eine Glasfaserverbindung genutzt, um Quantenschlüssel über eine Distanz von 75 Kilometern auszutauschen. Damit lassen sich bereits jetzt quantenphysikalisch geschützte Daten zwischen zwei Parteien sicher übertragen. Über die neuartige Technologie sprechen Andreas Tünnermann vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik in Jena und von der Universität Jena sowie Kevin Füchsel von der Quantum Optics Jena GmbH im Interview mit Welt der Physik.
Welt der Physik: Was sind Quantenschlüssel?
Kevin Füchsel: Wenn man Daten geschützt zwischen zwei Parteien verschicken will, muss man sie verschlüsseln, damit Hackerinnen und Hacker nicht einfach die Daten auslesen können. Besonders interessant sind etwa private Finanz- oder Gesundheitsdaten oder auch staatliche und Firmengeheimnisse. Zur Verschlüsselung von Daten verwendet man bislang einen „Key“ genannten Sicherheitsschlüssel – das ist eine bestimmte Ziffernfolge. Mit diesem Key lassen sich die Daten dann auch wieder entschlüsseln. Wenn nun den Hackerinnen und Hackern der Key bekannt ist, können sie die Daten entwenden. Das Besondere bei Quantenschlüsseln ist, dass sie absolut sicher verschickt werden können. Denn durch die Besonderheiten der Quantenphysik würde jedes Lauschen in der Leitung sofort auffallen. Dadurch können zwei Personen einen Schlüssel etablieren, den nur sie selbst kennen.
Wie haben Sie die Quantenschlüssel erzeugt?
Wir erstellen den Quantenschlüssel dadurch, dass wir ein Paar aus zwei quantenmechanisch miteinander verschränkten Lichtteilchen erzeugen. Eines davon bleibt lokal an der Lichtquelle in Jena und wird dort vermessen. Das andere haben wir durch eine konventionelle Glasfaserleitung von Jena nach Erfurt geschickt, die insgesamt 75 Kilometer lang war.
Wie erzeugen Sie aus den Lichtteilchen den Quantenschlüssel?
Wir messen jeweils die Schwingungsrichtung der Lichtteilchen, die sogenannte Polarisation. Aufgrund der quantentypischen Verschränkung ist diese bei beiden Teilchen korreliert – allerdings nur, solange kein Lauscher in der Leitung stört. Ein Lauscher würde den Zustand der Lichtteilchen nachweislich verändern. In der Glasfaserleitung ändert sich nun die Polarisation durch die zahlreichen Reflexionen in der Faser. Das können wir aber durch eine spezielle Auswertung der Daten ausgleichen. Zur Erzeugung von Quantenschlüsseln haben wir im Anschluss ein komplexes Protokoll durchgeführt, welches Messfehler identifiziert und die mathematische Sicherheit der Schlüssel sichert.
Wie ließ sich das technisch umsetzen?
Ein wichtiger Faktor war, dass dieses Lichtteilchen eine Wellenlänge im Infrarotbereich hatte, sodass wir herkömmliche Glasfaserkabel nutzen konnten – unser System kann also in die bestehende Kommunikationsinfrastruktur integriert werden. Und von den 75 Kilometern befinden sich sogar sechs Kilometer Freilandleitung. Das stellt eine zusätzliche Schwierigkeit dar, da dieses Stück bei Sonnenstrahlung erwärmt wird, was zu unerwünschten Nebeneffekten und Effizienzeinbußen führt. Es handelt sich bei unseren Experimenten also nicht um sterile Laborbedingungen, sondern um eine realistische und herausfordernde Testumgebung, wie sie für künftige Anwendungen infrage kommt.
Wie viele verschlüsselte Daten haben Sie so ausgetauscht?
Über die Teststrecke messen wir rund 400 bis 600 verschränkte Lichtteilchen pro Sekunde. Da wir einen gewissen Anteil davon nach unserem Protokoll für verschiedene Sicherheitschecks verwenden müssen, ist die Rate, mit der wir Quantenschlüssel erstellen, etwas geringer. Wir konnten ungefähr alle drei Sekunden einen Quantenschlüssel von 256 Bit erzeugen. Das reicht bei gängigen Verschlüsselungsstandards aus, um ungefähr 80 Gigabit Daten zu chiffrieren – je nach Sicherheitsstandards allerdings durchaus auch mehr. Pro Tag erstellen wir rund 30 000 Quantenschlüssel. Damit lassen sich also bereits einige Daten verschlüsseln.
Sind mit einer solchen Technologie auch überregionale Quantennetzwerke möglich?
Andreas Tünnermann: Es gibt grundsätzlich ein Limit, wie weit Lichtteilchen durch Glasfaserkabel geschickt werden können, denn die Dämpfung in einer Glasfaser begrenzt die Übertragungslänge. Nach rund 100 Kilometern ist die Absorption so groß, dass die Datenrate stark einbricht. Deshalb haben konventionelle Glasfaserverbindungen zusätzliche Verstärkerstationen. In diesen Stationen könnte man auch zukünftig eine Station für Quantenverschlüsselung einrichten. Diese müssten allerdings besonders gesichert werden, da ein Lauscher hier den Schlüssel abgreifen könnte. Um Quantenschlüssel über lange Strecken auszutauschen, wird derzeit deshalb der Einsatz von speziellen Satelliten diskutiert. Mit Satelliten könnten weitaus geringere Dämpfungen bei der Verbindung mit einer Bodenstation realisiert werden. Allerdings funktioniert der Kontakt mit der Bodenstation bislang nur bei gutem Wetter und sehr viel besser bei Nacht.
Wie wichtig sind derartige Quantentechnologien für die Zukunft?
Durch die Nutzung von Quantencomputern werden bislang verwendete Verschlüsselungsverfahren angreifbar. Die Quantenverschlüsselung hingegen kann langfristige Datensicherheit gewährleisten. Die Entwicklung dieser Technologien ist volkswirtschaftlich und gesellschaftlich sehr relevant, weshalb die Bundesregierung eine ganze Reihe von Projekten dazu aufgesetzt hat. Als nächste Aufgaben streben wir nun nicht nur größere Übertragungsstrecken und höhere Datenraten an, sondern auch die Verteilung der Quantenschlüssel unter mehreren Teilnehmenden und nicht nur unter zwei Parteien. Wenn das gelingt, kommen wir realistischen Einsatzszenarien immer näher.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/quantenmechanik-quantentechnik/quantenkommunikation-quantenschluessel-benoetigen-ein-komplexes-protokoll/