„Zentrale Rolle für das kommende Quanteninternet“
Dirk Eidemüller
Quantenpunkte besitzen faszinierende elektronische und optische Eigenschaften. Typischerweise setzen sie sich aus bis zu mehreren hunderttausend Atomen eines Halbleitermaterials zusammen und verhalten sich wie eine Art riesiges Atom. Nachdem bereits zu Beginn der 1980er-Jahre die ersten Quantenpunkte synthetisch hergestellt wurden, erhielten drei Wissenschaftler im Jahr 2023 „für die Entdeckung und Synthese von Quantenpunkten“ den Nobelpreis für Chemie. Im Interview mit Welt der Physik erzählt Andreas Wieck von der Universität Bochum, wie sich Quantenpunkte überhaupt erzeugen lassen und welche technischen Anwendungen sie ermöglichen.
Welt der Physik: Was genau sind Quantenpunkte?
Andreas Wieck: Es handelt sich bei Quantenpunkten um winzige Teilchen, um sogenannte Nanopartikel. Sie sind typischerweise in allen drei Dimensionen nur wenige bis wenige Dutzend Atomlagen groß. Ein eher kugelförmiger Quantenpunkt, der zum Beispiel in allen drei Raumrichtungen je rund 100 Atomlagen groß ist, besteht also insgesamt aus rund einer Million Atomen. Es gibt aber auch flache Quantenpunkte, die rund 100 Atome lang und breit sind, aber nur etwa 15 Atomlagen tief. Solche Quantenpunkte bestehen also aus gerade einmal einigen tausend bis hunderttausend Atomen. Als Material nutzt man Halbleiter, weil man deren elektronische Eigenschaften sehr gut kennt und gezielt einstellen kann.
Welche besonderen physikalischen Eigenschaften haben Quantenpunkte dadurch?
Quantenpunkte sind winzig und sie können ähnlich wie einzelne Atome sehr gut mit elektromagnetischen Feldern wechselwirken. Vor allem bei der Umwandlung von elektrischem Strom in Licht und umgekehrt spielen Quantenpunkte eine zentrale Rolle. Das Spannende an Quantenpunkten ist, dass man ihre physikalischen Eigenschaften sehr zielgenau einstellen kann – und zwar einerseits durch die Wahl des Materials, aber auch durch die Geometrie. Wenn man mit normalen Atomen arbeitet, hat man lediglich die Auswahl, die einem das Periodensystem der Elemente vorgibt. Bei Quantenpunkten hingegen kann man etwa die Frequenzen, bei denen das Material elektromagnetische Strahlung absorbiert oder emittiert, über die Größe und Zusammensetzung genau einstellen. Man spricht deshalb bei Quantenpunkten auch von „künstlichen Atomen“.
Was können künstliche Atome, was normale Atome nicht können?
Bei vielen technologischen Anwendungen besteht das Problem, dass normale Atome in ihren physikalischen Eigenschaften festgelegt sind. Zum Beispiel benötigt man gerade im Bereich der Telekommunikation vor allem Infrarotpulse. Denn bei dieser Wellenlänge lassen die Glasfaserkabel der globalen Datennetze große Übertragungsstrecken zu, da die Dämpfung dann minimal ist. Normale Atome emittieren aber meistens im sichtbaren oder ultravioletten Spektralbereich. Für normale Telekommunikationsanwendungen nutzt man deshalb entsprechende Halbleitermaterialien, die viele Lichtteilchen oder Photonen im infraroten Wellenlängenbereich gleichzeitig aussenden. Das Problem ist nun: Wenn man einzelne Photonen oder Photonenpaare erzeugen will, braucht man eine atomare Quelle und kein ausgedehntes Halbleitermaterial. Solche Einzelphotonenquellen auf Basis von Quantenpunkten sind mittlerweile sehr wichtig.
Wozu benötigt man solche Lichtquellen?
Bei vielen Forschungsprojekten in der Quantenphysik arbeitet man mit einzelnen Photonen. Aber neben der Grundlagenforschung sind solche Quellen vor allem für die Quanteninformationsverarbeitung von großer Bedeutung, weil viele Protokolle für das Quanteninternet oder für das Quantencomputing auf einzelnen Photonen oder Paaren von verschränkten Photonen basieren. Deshalb werden Quantenpunkte eine zentrale Rolle für das kommende Quanteninternet spielen.
Wie stellt man Quantenpunkte denn eigentlich her?
Dazu gibt es eine Reihe unterschiedlicher Verfahren. Der Nobelpreis für Chemie wurde dieses Jahr für die Pionierarbeiten von Moungi Bawendi, Louis Brus und Alexei Jekimow verliehen, die im Wesentlichen mit Methoden aus der physikalischen Chemie aus einer Lösung Quantenpunkte erzeugt haben. Dabei entstehen vor allem kugelförmige Quantenpunkte. Mittlerweile lassen sich Quantenpunkte auch auf anderen Wegen herstellen. An meinem Lehrstuhl hier an der Universität Bochum erzeugen wir sie, indem wir unter Ultrahochvakuum auf einem festen Substrat mit einem speziellen Verfahren Atome eines anderen Elements aufdampfen.
Und wie entstehen dabei Quantenpunkte?
Es entstehen atomar kleine Inseln, denn wir dampfen beispielsweise auf ein galliumhaltiges Substrat größere Atome wie Indium auf. Das ist, als ob man Orangen auf eine geordnete Schicht von Mandarinen anordnen will: Die erste Orangenschicht passt sich noch durch Deformation der Mandarinenschicht an. Aber alle weiteren Orangen ordnen sich auf der ersten Orangenschicht in kleinen Häufchen an, das werden dann unsere Quantenpunkte. Die Kunst besteht darin, diese Inseln genau so wachsen zu lassen, dass sie als Quantenpunkte die gewünschten Eigenschaften haben.
Wie lässt sich feststellen, ob ein so erzeugter Quantenpunkt die richtigen Eigenschaften hat?
Die Quantenpunkte wachsen auf dem Substrat ein bisschen wie Pilze im Wald. Manche stehen einzeln, andere gehäuft, manche sind etwas größer, einige sind mit Fremdatomen verunreinigt und deshalb unbrauchbar. Wir rastern das Substrat nach dem Aufdampfprozess mit einem Laser ab und untersuchen dann spektroskopisch die einzelnen Quantenpunkte. So lässt sich überprüfen, ob sie die gewünschten Eigenschaften zeigen. Das funktioniert mittlerweile auch automatisch. Die besten Kandidaten können wir dann isolieren.
Gibt es eine große Nachfrage nach Quantenpunkten?
Viele Arbeitsgruppen auf der Welt arbeiten mit unseren Bochumer Quantenpunkten. Deshalb müssen wir unterschiedliche Anforderungen erfüllen und aus den Rohmaterialien immer wieder neuartige Nanopartikel erzeugen – mal klein, mal groß, mal flächig, mal strukturiert. Wir beliefern aber hauptsächlich Forschungsgruppen und betreiben das nicht kommerziell. Es gibt aber mittlerweile schon viele kommerzielle Anwendungen von Quantenpunkten: Sogar in Handy-Displays werden sie eingesetzt. Auch manche Lasersysteme nutzen Quantenpunkte – etwa in der Dermatologie. Und in der Krebstherapie gibt es das sogenannte Hyperthermie-Verfahren, bei dem magnetisierbare Nanopartikel in einen Tumor gebracht werden und dann durch ein externes Magnetfeld aufgeheizt werden, um den Tumor durch sozusagen lokales, künstliches Fieber zu schädigen. Was viele nicht wissen: Sogar das Glas in alten Kirchenfenstern enthält solche Nanopartikel, die über Jahrhunderte ihre optischen Eigenschaften beibehalten und nicht wie organische Farbstoffe verblassen – obwohl sie täglich dem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Die Materialien an sich sind also gar nicht so neu.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/quantenmechanik-quantentechnik/quantenpunkte-zentrale-rolle-fuer-das-kommende-quanteninternet/