CERN

Rainer Kayser und Redaktion

Die Flaggen der Mitgliedstaaten flattern vor dem Kugelhausbau am CERN im Wind. Der Himmel ist wolkenlos.

Rachel Lavy/Julien Ordan/Maximilien Brice/CERN

Das 1954 gegründete Forschungszentrum ist vor allem für seine wissenschaftlichen Durchbrüche bekannt. Doch auch Völkerverständigung und gesellschaftlich relevante Innovationen zählen zu den großen Erfolgen des CERN.

Bereits 1949 schlug der Physiker und Nobelpreisträger Louis de Broglie vor, in Europa ein gemeinsames Kernforschungszentrum aufzubauen. Die durch den Zweiten Weltkrieg zerrissene wissenschaftliche Gemeinschaft sollte wieder zusammenfinden und Europa nicht den Anschluss an die Großmächte USA und Sowjetunion verlieren. Die Idee nahm rasch Fahrt auf und nach einer Reihe vorbereitender Konferenzen war es 1954 so weit: In der Nähe von Genf legten Vertreter der zwölf Gründungsstaaten den Grundstein für das Forschungszentrum CERN.

Spitzenposition in der Teilchenforschung

Die Abkürzung CERN steht für „Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire“, also Europäische Organisation für Kernforschung. Denn zunächst war das Zentrum in erster Linie für die Erforschung von Atomkernen vorgesehen. Doch schon bald verlagerte sich der Schwerpunkt mehr und mehr in den Bereich der Elementarteilchen. Im Jahr 1957 nahm der erste Beschleuniger am CERN den Betrieb auf. In dem „Synchro-Zyklotron“ wurden Protonen durch starke Magnetfelder auf einer spiralförmigen Bahn gehalten. Bei jedem Umlauf durchquerten die geladenen Teilchen auch elektrische Felder und erhielten dadurch stetig mehr Energie, bis die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sie schließlich für ihre Experimente nutzen konnten.

Schon nach einem Monat gelang mit dem neuen Teilchenbeschleuniger die erste Entdeckung: Es ließ sich der bis dahin nur theoretisch vorhergesagte Zerfall eines als Pion bezeichneten Partikels in zwei Elementarteilchen – ein Elektron und ein Neutrino – nachweisen. 1959 folgte der nächste Beschleuniger und führte das Forschungszentrum durch die erreichten Teilchenenergien für kurze Zeit an die Weltspitze. Das „Proton-Synchrotron“, ein Ringbeschleuniger mit einem Umfang von 629 Metern, ist noch heute in Betrieb und arbeitet unter anderem als Vorbeschleuniger für den Large Hadron Collider.

Die Illustration zeigt den Tunnel des LHC. Darin verläuft eine lange Röhre, die aufgeschnitten ist und einen Blick auf die verbauten Magnete erlaubt.

Blick in den Large Hadron Collider

Mit dem 2008 in Betrieb genommenen LHC nimmt das CERN heute, 70 Jahre nach seiner Gründung, wieder eine Spitzenposition in der Teilchenforschung ein: Der „Große Hadronen-Speicherring“ hat einen Umfang von fast 27 Kilometern und gilt als der leistungsstärkste Teilchenbeschleuniger der Welt. Neben dem LHC betreibt das CERN derzeit acht weitere Beschleuniger. Zu einem großen Teil dienen diese dazu, Teilchen auf hohe Energien zu bringen und dann in den LHC einzuspeisen – oder aus dem LHC kommende Teilchen abzubremsen.

Entdeckungen und Innovationen

Zu den wichtigsten Ergebnissen der Forschung am CERN zählt der experimentelle Nachweis der W- und Z-Bosonen im Jahr 1983. Die beiden Elementarteilchen vermitteln die schwache Wechselwirkung, eine der fundamentalen Kräfte in der Natur, und waren bereits in den 1960er-Jahren vorhergesagt worden. Für die Entdeckung am CERN erhielten Carlo Rubbia und Simon van der Meer 1984 den Nobelpreis für Physik. Ein weiterer großer Erfolg war der Fund des Higgs-Bosons. Um die Masse der verschiedenen Elementarteilchen zu erklären, führten François Englert, Robert Brout und Peter Higgs in den 1960er-Jahren einen neuen physikalischen Mechanismus ein. Damit einher ging die Existenz des Higgs-Bosons, das sich 2012 schließlich mit dem LHC dingfest machen ließ. Nur ein Jahr später erhielten Englert und Higgs für ihre Arbeiten den Nobelpreis für Physik.

Heute arbeiten und forschen insgesamt rund 17 000 Menschen aus 110 verschiedenen Nationen am CERN. Die Zahl der Mitgliedstaaten ist mittlerweile auf 24 gestiegen. Gesellschaftliche Relevanz haben aber auch technische Errungenschaften, die wir dem CERN verdanken: Um den Austausch von Informationen und Daten zu erleichtern, entwickelte Tim Berners-Lee 1989 das World Wide Web, die Grundlage des heute allgegenwärtigen Internets. Und einst für den Nachweis von Teilchen entwickelte Verfahren werden heute auch in vielen anderen Bereichen genutzt, beispielsweise in der medizinischen Diagnostik.

Anmerkung der Redaktion: Aufgrund des Beitritts Estlands als 24. Mitgliedsstaat des CERN haben wir die Zahl der Mitgliedsstaaten am 30. August 2024 entsprechend aktualisiert.




Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/cern/

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