Sicherheit am LHC

LHC Safety Assessment Group, LSAG, CERN

Simulation Schwarzes Loch

Der Large Hadron Collider (LHC) erreicht höhere Energien als jeder Teilchenbeschleuniger zuvor. In der kosmischen Strahlung finden jedoch unablässig Teilchenzusammenstöße bei noch höherer Energien statt. Teilchenkollisionen im LHC stellen damit keine Gefahr dar und geben keinen Anlass zu Besorgnis.

Bedenken um die Sicherheit von Teilchenkollisionen bei so hohen Energien, wie sie am LHC erreicht werden, sind seit vielen Jahren Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Die Arbeitsgruppe „Sicherheit am LHC“ (LHC Safety Assessment Group, LSAG) hat den Bericht der LHC Safety Study Group aus dem Jahr 2003, einer Gruppe unabhängiger Wissenschaftler, im Licht neuer experimenteller Ergebnisse und vertieften theoretischen Verständnisses auf den neuesten wissenschaftlichen Stand gebracht.

Die LSAG bestätigt und erweitert die Ergebnisse der Studie von 2003: Teilchenkollisionen im LHC stellen keine Gefahr dar und geben keinen Anlass zu Besorgnis. Alles, was der LHC kann, hat die Natur seit Bestehen der Erde und anderer astronomischer Objekte unzählige Male vorgemacht.

In den folgenden Abschnitten sind die wichtigsten Argumente der LSAG-Studie zusammengefasst. Einzelheiten finden sich im Originalbericht (in englischer Sprache).

Kosmische Strahlung

Wie jeder Teilchenbeschleuniger stellt der LHC die Naturerscheinung der kosmischen Strahlung unter kontrollierten Bedingungen im Labor nach, um sie dort im Detail zu untersuchen. Kosmische Strahlen sind Elementarteilchen aus dem Weltall, von denen einige auf Energien beschleunigt werden, die um ein Vielfaches höher sind als die des LHC. Die Energien und Intensitäten, mit der kosmische Strahlen in die Erdatmosphäre eintreten, werden seit 70 Jahren experimentell untersucht. In mehreren Milliarden Jahren hat die Natur allein auf der Erde so viele Teilchenkollisionen verursacht wie rund eine Million LHC-Experimente – und der Planet Erde existiert noch immer. Astronomen verfolgen aber auch eine gewaltige Zahl von viel größeren Objekten im Universum, von denen jedes einzelne genauso der kosmischen Strahlung ausgesetzt ist. Im gesamten Universum spielen sich in jeder Sekunde mehr als zehntausend Milliarden Experimente wie am LHC ab, und trotzdem sehen die Astronomen keine gefährlichen Auswirkungen: Sterne und Galaxien existieren noch immer.

Mikroskopische Schwarze Löcher

In der Natur bilden sich Schwarze Löcher, wenn bestimmte Sterne, die viel größer sind als unsere Sonne, am Ende ihres Lebenszyklus in sich zusammenfallen und auf kleinstem Raum riesige Mengen von Materie konzentrieren. Spekulative, mikroskopische Schwarze Löcher entständen im LHC beim Zusammenstoß zweier Protonen, von denen jedes die Energie einer Mücke im Flug hat. Astronomische Schwarze Löcher sind erheblich schwerer als jedes Objekt, das der LHC erzeugen kann.

Die allgemein anerkannten Prinzipien der Gravitation, die von Einsteins Relativitätstheorie beschrieben werden, schließen die Erzeugung mikroskopischer Schwarzer Löcher am LHC aus. Andere, spekulative Theorien sagen die Produktion solcher Teilchen am LHC voraus. Alle diese Theorien sagen aber auch voraus, dass sie nach extrem kurzer Zeit wieder zerfallen. Solche Schwarzen Löcher hätten keine Gelegenheit, Materie aufzusaugen und makroskopische Effekte zu verursachen.

Obwohl stabile, mikroskopische Schwarze Löcher von keiner Theorie vorausgesagt werden, sind sie ebenfalls Gegenstand der LSAG-Studie. Wenn stabile Schwarze Löcher durch kosmische Strahlung erzeugt würden, wären sie gleichermaßen ungefährlich, weil es ansonsten die Erde nicht gäbe. LHC-Kollisionen unterscheiden sich von Wechselwirkungen kosmischer Strahlung mit astronomischen Objekten jedoch dadurch, dass sich neue Teilchen am LHC im Allgemeinen langsamer fortbewegen.

Stabile Schwarze Löcher könnten entweder elektrisch geladen oder neutral sein. Wären sie geladen, würden sie mit gewöhnlicher Materie in Wechselwirkung treten und von der Erde gestoppt, unabhängig davon, ob sie aus kosmischer Strahlung kommen oder vom LHC. Die bloße Existenz der Erde schließt diese Möglichkeit für kosmische Strahlung und damit auch für den LHC aus. Stabile, mikroskopische Schwarze Löcher ohne elektrische Ladung würden nur sehr schwach mit der Erde wechselwirken. Wenn sie von kosmischer Strahlung erzeugt werden, würden sie die Erde durchqueren und wieder im Weltall verschwinden, ohne Spuren zu hinterlassen. Im Gegensatz dazu könnten LHC-erzeugte schwarze Löcher auf der Erde verbleiben. Im Universum existieren jedoch erheblich größere und dichtere astronomische Körper als die Erde: In Neutronensternen und Weißen Zwergen würden auch neutrale Schwarze Löcher aus dem Aufschlag kosmischer Strahlung zum Stillstand kommen. Die fortgesetzte Existenz solcher massiver Objekte schließt deshalb, genau wie die Existenz der Erde, die Erzeugung gefährlicher Schwarzer Löcher am LHC aus.

Strangelets

Strangelets sind hypothetische, mikroskopisch kleine Klumpen „seltsamer Materie“. Sie bestehen zu annähernd gleichen Teilen aus drei elementaren Konstituenten, die als Quarks der Typen updown, und strange bezeichnet werden. Den meisten Theorien folgend, sollten Strangelets sich innerhalb einer Milliardstel Sekunde in gewöhnliche Materie umwandeln. Können Strangelets stattdessen mit gewöhnlicher Materie verschmelzen und sie dabei in seltsame Materie umwandeln?

Diese Frage wurde zuerst bei Inbetriebnahme des Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) in den USA im Jahr 2000 aufgeworfen. Schon damals fand eine Studie keinen Grund zur Besorgnis. RHIC ist jetzt seit acht Jahren in Betrieb und hat nach Strangelets gesucht, ohne bisher ein einziges zu finden. LHC wird zeitweise, ähnlich RHIC, mit schweren Atomkernen betrieben. Zwar kollidieren diese Atomkerne mit höherer Energie als in RHIC, jedoch wird dadurch die Erzeugung von Strangelets noch unwahrscheinlicher: In den extremen Temperaturen dieser Kollisionen kann sich seltsame Materie nur schwer zusammenballen – ähnlich wie sich in heißem Wasser kein Eis bildet. Darüber hinaus verteilen sich Quarks in LHC-Kollisionen über ein größeres Volumen als in RHIC, was die Bildung seltsamer Materie weiter erschwert. Strangelets sind am LHC noch weniger wahrscheinlich als bei RHIC, dessen Messungen die Erzeugung von Strangelets seit langem ausschließen.

Vakuumblasen

Es gibt Spekulationen, dass unser Universum sich nicht in seinem stabilsten möglichen Zustand befindet, und dass vom LHC verursachte Störungen es in einen stabileren Zustand überführen könnte, der als „Vakuumblase“ bezeichnet wird und in dem wir selbst nicht existieren können. Auch hier gilt, dass kosmische Strahlung den gleichen Effekt hervorrufen würde. Da solche „Vakuumblasen“ im sichtbaren Universum nie beobachtet worden sind, können sie auch am LHC nicht auftreten.

Magnetische Monopole

Magnetische Monopole sind hypothetische Teilchen mit einer einzigen magnetischen Ladung, also entweder ein Nordpol oder ein Südpol. Einige spekulative Theorien unterstellen, dass Monopole – wenn es sie gibt – den Zerfall von Protonen katalysieren könnten. Die gleichen Theorien sagen aber auch voraus, dass solche Monopole zu schwer sind, um am LHC erzeugt zu werden. Wenn magnetische Monopole trotzdem leicht genug wären, um am LHC aufzutreten, würden sie schon seit langer Zeit von kosmischer Strahlung in der Erdatmosphäre erzeugt, und die Erde würde sie auf effiziente Weise stoppen und einfangen. Auch hier gilt deshalb, dass die andauernde Existenz der Erde und anderer astronomischer Objekte gefährliche, protonenfressende magnetische Monopole ausschließt, die leicht genug sind, um am LHC erzeugt zu werden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/experimente/teilchenbeschleuniger/cern-lhc/sicherheit/