Oberflächenforschung: Probleme der organischen Schichtarbeit

Verdrillung von Rubren-Molekülen

Untersuchungen mit Synchrotronstrahlungsquellen liefern den Grund für Beschränkungen bei der Herstellung dünner Halbleiterschichten aus einem organischen Material.

Moderne Synchrotronstrahlungsquellen ermöglichen Nachweisverfahren, mit denen auch kleinste Änderungen in der Struktur von organischen Molekülen in dünnen Filmen sichtbar gemacht werden können. Weiche organische Materie weist dabei beim Filmwachstum Besonderheiten gegenüber anorganischen Materialien auf, die aus der komplexeren molekularen Struktur und der daraus resultierenden Flexibilität entstehen.

Die Nahkanten-Röntgenabsorptionsspektroskopie (NEXAFS) ist ein solches Verfahren. Mit dieser Methode kann die Häufigkeit und räumliche Lage von Atomen und Molekülen an Oberflächen untersucht werden. Dazu werden mit Hilfe von Röntgenlicht nahe am Kern gebundene Elektronen in einen unbesetzten höheren Zustand gehoben. Dabei wird das Röntgenlicht quasi „verbraucht“ und ein Fehlen bietet Rückschlüsse auf das Vorhandensein eines entsprechenden Atoms oder Moleküls.

Die Illustration zeigt zwei komplexe Moleküle, die gegeneinander verdrillt sind.

Verdrillung von Rubren

Mittels NEXAFS konnte ein Forscherteam an BESSY II des Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie zeigen, dass die Kristallisation von dünnen Filmen aus Rubren (C42H28) allgemein dadurch erschwert wird, dass die Atome des Moleküls in der Gasphase beziehungsweise im Kristallverband verschieden angeordnet sind. Diese Erkenntnis ist von entscheidender Bedeutung, da Rubren im Bereich der organischen Elektronik als Halbleiter – zum Beispiel in organischen Feldeffekt-Transistoren – eingesetzt wird und nur leistungsfähige Bauteile hergestellt werden können, wenn die Rubrenfilme hochkristallin sind.

Die Forscher verglichen die NEXAFS-Daten von Rubrenfilmen unterschiedlicher Schichtdicke und entdeckten eine andere spektroskopische Signatur für jene Filme, die sehr dünn waren oder kalt aufgedampft wurden. Während für alle anderen Präparationsbedingungen drei scharfe Adsorptionslinien (siehe Abbildung 1) zu sehen sind, konnte eine vierte Linie nur für Filme gefunden werden, die entweder bei Temperaturen unter 300 Kelvin aufgedampft wurden oder die dünner als 12 Nanometer waren (siehe Abbildungen 2). Das Auftreten dieser zusätzlichen Spitze kann darauf zurückgeführt werden, dass die Rubrenmoleküle in sehr dünnen Filmen in einer verdrillten Form vorliegen. Eine solche Konformation ist charakteristisch für die Gasphase, während für dickere Filme die Moleküle – wie im perfekten Kristallverband – eine fast exakte planare Geometrie aufweisen.

Wenn der Film bei nicht allzu hohen Temperaturen entsteht, werden die Rubrenmoleküle aus der Gasphase kommend mit einer verdrillten Geometrie auf der Oberfläche eingefroren, da die für eine Umwandlung in die planare Konformation erforderliche Energie von rund 200 Millielektronenvolt zunächst nicht aufgebracht werden kann. Bei höheren Temperaturen ist die Umwandlung in die Volumenkristallstruktur hingegen möglich, wobei zusätzlich die resultierende Gitterenergie frei wird. Die Umwandlung findet auch oberhalb einer kritischen Dicke für Filme statt, die bei niedrigeren Temperaturen hergestellt wurden, da der Gewinn an Kristallenergie irgendwann den Energieaufwand zur Konformationsänderung überkompensiert. Eine genaue Analyse der NEXAFS-Daten zeigt, dass dies bei etwa neun Moleküllagen der Fall ist. In den Daten verschwindet die zusätzliche Absorptionslinie dann vollständig, also nehmen dann auch die etwa neuen Lagen des bisherigen dünnen Films die Volumenkristallstruktur an.

Bei dünnen Filmen oder solchen, die auf kalte Substrate aufgedampft wurden, kommt es aufgrund des Vorliegens unsymmetrischer, nicht effizient packbarer Moleküle und einer zumindest partiellen Teil-Reorientierung, zu einer hohen Defektdichte. Dies hat negative Folgen für die Verwendung der Filme in organischen Bauelementen. Zur Herstellung von leistungsfähigen Bauelementen werden hochkristalline Schichten benötigt, die entsprechend bei hohen Temperaturen erzeugt werden müssen.

Da die Moleküle an der direkten Oberfläche verglichen mit solchen innerhalb dickerer Filme immer eine andere Konformation aufweisen, wird eine wichtige Voraussetzung für die Molekularstrahlepitaxie, ein Verfahren zur Herstellung dünner Schichten, nicht erfüllt. Das weitere Filmwachstum wird immer aus verdrillten Molekülen erfolgen. Da die meisten (auch der im Bereich organische Elektronik verwendeten) großen organischen Moleküle mehrere energetisch dicht beieinander liegende Konformationen aufweisen, ist diese Wachstumslimitierung von großer Bedeutung für die Methoden zur Filmherstellung – wie die organische Molekularstrahldeposition (OMBD) oder die organische Molekularstrahlepitaxie (OMBE).

Veröffentlichung

„The role of molecular conformations in rubrene thin film growth“, D. Käfer, L. Ruppel et al.; Physical Review Letters, DOI:10.1103/PhysRevLett.95.166602, 2005.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/licht/forschung-mit-photonen/organische-schichtarbeit/