Quantentheorie: Elektronenpaare mit Quantenfernbeziehungen
Experimente mit Synchrotronstrahlung liefern Einsichten in die Mysterien der Quantenphysik. Dazu gehört die Quantenfernbeziehung, bei der sich zwei Objekte in einem sogenannten verschränkten Zustand befinden.
Die Quantenmechanik stellt unsere Vorstellungskraft auf eine harte Probe. Einiges ging da sogar Albert Einstein zu weit. 1935 veröffentlichte er zusammen mit Boris Podolsky und Nathan Rosen einen Artikel, in dem die Autoren zu dem Schluss kommen, dass – wenn die Quantenmechanik stimme und die Wirklichkeit unabhängig von unseren Beobachtungen sei, es Quantenobjekte in spukhaften Quantenfernbeziehungen geben müsse. Und das könne einfach nicht sein.
Generell sind Eigenschaften von Quantenobjekten oft erst nach einer Messung bestimmt. Die Eigenschaften von zwei Objekten in einer Quantenfernbeziehung sind dabei auf eine mysteriöse Weise miteinander verknüpft. Denn wenn man ein Paar von zwei Objekten in einem sogenannten verschränkten Zustand untersucht, indem man eine Messung einer bestimmten Eigenschaft an einem der beiden vornimmt, so ist die entsprechende Eigenschaft unmittelbar auch für den Partner festgelegt - auch wenn sich dieser am anderen Ende des Universums befinden sollte.
In den ersten Jahren nach der Veröffentlichung von Einstein, Rosen und Podolsky fand die Arbeit nicht allzu viel Beachtung, erschien sie vielen doch eher philosophischer Natur. Ideen für eine experimentelle Überprüfung dieser grundlegenden Annahmen zur Struktur der Wirklichkeit gab es damals nicht. Erst John Bell hat das auch EPR-Paradoxon genannte Problem 1961 auf eine experimentell nachprüfbare Basis gestellt. Bells bahnbrechende Arbeit erlaubt, zwischen der Existenz einer lokal realistischen und einer quantenmechanischen Welt messtechnisch zu unterscheiden. Realistisch bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Messungen nicht von einem Beobachter abhängen; von Lokalität sprechen Physiker, wenn sich entfernte Ereignisse nicht unmittelbar beeinflussen können. In seiner Arbeit aus dem Jahr 2003 ging Anthony J. Leggett noch einen Schritt weiter, indem er die Nichtlokalität der Wirklichkeit bereits berücksichtigte. Als entscheidender Faktor für den messbaren Unterschied zwischen klassischer Welt und Quantenwelt bleibt dann nur noch der Realitätsbegriff. Es geht dann um die grundlegende Frage, ob Elemente der Realität – wie die charakteristischen Eigenschaften eines gemeinsamen Paar-Zustandes – in der Wirklichkeit unabhängig von einem Beobachter existieren oder nicht.
Einstein war fest davon überzeugt, dass dies unabhängig vom Beobachter sein müsse. Untersuchungen zur Verschränkung der Eigenschaften der Elemente unserer Wirklichkeit haben jedoch das Gegenteil bewiesen. Den Komponenten eines maximal verschränkten Paares kann man nicht einmal teilweise definierte individuelle Eigenschaften zuordnen.
In den vergangenen Jahrzehnten konnten Experimente die Gültigkeit der quantenmechanischen Interpretation der Wirklichkeit mit steigender Präzision belegen. Dabei wurden aber – einem Vorschlag David Bohms folgend – anstelle von Orts- und Impulseigenschaften Drehimpulseigenschaften ausgenutzt. Hingegen wurden Einsteins, Podolskys und Rosens eigentliche Vorschläge zur Überprüfung des Wirklichkeitsbegriffs hinsichtlich kontinuierlicher Variablen wie Ort und Impuls bisher experimentell nicht überprüft. Dieses Dunkel bezüglich der Verschränkung kontinuierlicher Variablen dauerte fast ein Dreivierteljahrhundert an.
Erst in fortgeschrittenen Experimenten an zweiatomigen Molekülen wie N2 mittels Synchrotronstrahlung wurde diese Vision Wirklichkeit. Hier verwendeten Forscher in einem Team um Arbeitsgruppen aus dem Fritz-Haber-Institut in Berlin, der Universität Frankfurt und dem California Institute of Technology in Pasadena (Kalifornien) Synchrotronstrahlung dazu, den Atomen zwei Elektronen aus den innersten Schalen zu entreißen. Diese Elektronen verlassen das Atom in einer Quantenfernbeziehung, deren Verschränkungseigenschaften experimentell überprüft werden konnten.
Das Ergebnis war eine klare Bestätigung der Quantentheorie, diesmal jedoch für die lange Zeit ignorierten kontinuierlichen Variablen Ort und Impuls. Das Verständnis dieser Zusammenhänge ist in vieler Hinsicht eine der Grundlagen zur Realisation zukünftiger Quantencomputer, bei denen die Gesetzmäßigkeiten der Quantentheorie ausgenutzt werden sollen, um parallele Rechnungen zugleich durchzuführen zu können.
KFS-Studie 2009 gemäß den Bedingungen der Quelle
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/licht/forschung-mit-photonen/quantenfernbeziehungen/