Geowissenschaften: Unerwartete Spins im Erdinneren
Studien mit Synchrotronstrahlung bei hohem Druck und hohen Temperaturen haben eine unerwartete Änderung der Elektronenstruktur bei zweiwertigem Eisen im Inneren der Erde ans Tageslicht gebracht.
Das Innere der Erde ist größtenteils unzugänglich für direkte Untersuchungen. Will man hier Modelle erstellen, so ist man in der Regel auf indirekte geophysikalische Daten wie die von Erdbeben sowie Messungen im Labor angewiesen. Solche Modelle können nicht nur erklären, wie sich etwa die Temperatur und der Druck mit der Tiefe ändert, sondern auch, wie sich Materiebewegungen im Tiefen der Erde auf Prozesse an der Oberfläche wie die Plattentektonik oder die Atmosphärenchemie auswirken.
Das in der Erde am häufigsten auftretende Mineral, ein magnesium- und eisenhaltiges Silikat mit einer sogenannten Perowskit-Struktur, ist Gegenstand vieler Laboruntersuchungen. Da Studien in Gegenwart des Eisens schwieriger durchzuführen sind, werden oft nur die reinen Magnesiumsilikate untersucht.
Eisen gehört jedoch zu den sogenannten Übergangselementen, die ihre Elektronenstruktur ändern können und dieser Umstand kann Auswirkungen auf die Eigenschaften des Erdinneren haben. Zweiwertiges Eisen kommt beispielsweise in drei verschiedenen Spinzuständen vor. Ein hoher Spin liegt vor, wenn es vier ungepaarte Elektronen gibt, ein mittlerer Spin bei zwei ungepaarten Elektronen und ein niedriger Spin, wenn keines der äußeren Elektronen gepaart ist.
Übergänge zwischen diesen Zuständen im Erdinneren wurden vor nahezu 50 Jahren vorhergesagt, aber erst in den letzten Jahren wurden sie bei Bedingungen, wie sie im unteren Erdmantel herrschen, experimentell direkt beobachtet.
Untersuchungen mit Synchrotronstrahlung im Jahr 2003 zeigten, dass die zweithäufigste Phase im unteren Erdmantel (Mg,Fe)O, ein Magnesium- und Eisenoxid, einen Übergang vom hohen zum niedrigen Spinzustand unterläuft. Aber die Spinzustände von zweiwertigem Eisen im Perowskit im unteren Erdmantel waren immer noch ungeklärt. Im Jahre 2008 nahmen sich Forscher der Universität Bayreuth in Zusammenarbeit mit Kollegen der ESRF (European Synchrotron Radiation Facility) in Grenoble dieses Problems an und entdeckten klare Hinweise auf einen Übergang des Spinzustandes. Die Forscher untersuchten das Mineral bei hohem Druck und hoher Temperatur mit Hilfe einer Diamant-Stempel-Zelle und einer Miniatur-Heizapparatur unter Einsatz von Synchrotronstrahlung. Sie machten die überraschende Entdeckung, dass der mittlere Spinzustand in großen Bereichen des unteren Erdmantels stabil ist.
Diese überraschende Stabilität steht wahrscheinlich mit der ungewöhnlichen Umgebung des Eisenatoms im unteren Erdmantel in Verbindung. Mit Hilfe von Computersimulationen und des Einsatzes konventioneller Methoden lässt sich dieses Verhalten bisher nicht reproduzieren. Um die Natur zufriedenstellend zu beschreiben, müssen also komplexere Modelle herangezogen werden.
Die neuen Erkenntnisse wirken sich dabei auch auf die Annahmen aus, auf denen Modelle der Erde beruhen. Denn die Spinzustände können auch die elektrische und die Wärme-Leitfähigkeit bestimmen. Sie haben damit Einfluss auf den Wärmetransport in der Erde und damit darauf, wie sich etwa Superplume formen, wie Konvektion im Erdmantel erfolgt und wie das Magnetfeld und Wärme aus dem Erdinneren an die Oberfläche des Planeten gelangen.
Veröffentlichung
„Stable intermediate-spin ferrous iron in lower mantle perovskite“, C. McCammon, I. Kantor tal.; Nature Geoscience, DOI:10.1038/ngeo309, 2008.
KFS-Studie 2009 gemäß den Bedingungen der Quelle
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/licht/forschung-mit-photonen/spins-im-erdinneren/