Ultrakurze Laserpulse
Ein Gebiet der Quantenoptik befasst sich damit, ultrakurze Laserpulse zu erzeugen und anzuwenden. In den letzten Jahren ist es Forscherteams gelungen, Pulse mit einer Dauer von wenigen Femtosekunden herzustellen.
Eine Femtosekunde (fs) ist der millionste Teil einer milliardstel Sekunde. Die Femtosekunde ist die Zeitskala, auf der sichtbares Licht schwingt. Ein Puls von 5 fs Länge erstreckt sich also nur über wenige optische Perioden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Lasern zeichnen sich gepulste Laser nicht durch schmalbandiges Licht aus, sondern besitzen ein breites Spektrum. Die Breite des Spektrums bestimmt, wie kurz die Laserpulse prinzipiell sein können. Es gilt die Beziehung: Je breiter das gegebene Frequenzspektrum ist, desto kürzere Laserpulse können realisiert werden. Entscheidende Voraussetzung ist dabei allerdings, dass die Schwingungen der unterschiedlichen Frequenzen eine feste Phasenbeziehung zueinander besitzen; nur dann führt ihre Überlagerung zu einem kurzen Lichtpuls. Verändert man diese Phasenlage bzw. die relativen Amplituden der einzelnen spektralen Komponenten, so kann man fast beliebige Pulsformen auf einer Zeitskala von einigen 10 fs herstellen. Mit Hilfe solcher Pulse lässt sich dann eine ganze Reihe wichtiger ultraschneller Prozesse studieren, die von den kohärenten Anregungen in Halbleitern über das ultraschnelle Verhalten von Supraleitern bis zu den chemischen und biologischen Elementarreaktionen reicht.
Gezähmte Chemie
Schon seit ihren Anfängen versucht die Chemie, eine unermessliche Vielfalt von Stoffen gezielt zu erzeugen. Die zeitaufgelöste Femtosekunden-Laserspektroskopie hat hier in neuerer Zeit sehr viel zum Verständnis der elementaren Vorgänge beigetragen, die sich bei chemischen Reaktionen abspielen. Mit ihrer Hilfe kann man die schnelle Bewegung von Atomen bei chemischen Reaktionen in Echtzeit verfolgen. Die Laserpulse werden, ähnlich einem Stroboskop, dazu benutzt, Momentanbilder der Molekülkonfiguration aufzunehmen. Durch die Aneinanderreihung dieser Bilder ergibt sich dann der zeitliche Ablauf wie in einem Trickfilm. Für die Entwicklungen dieser Methode wurde Ahmed Zewail 1999 mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet.
Mit speziell geformten Laserpulsen können chemische Prozesse nicht nur untersucht, sondern auch gezielt auf molekularer Ebene gesteuert werden. Die Idee, chemische Reaktionen durch Laser zu initiieren, tauchte bereits kurz nach der Erfindung dieser neuen Lichtquelle vor 40 Jahren auf. Stellt man sich die chemischen Bindungen eines Moleküls als elastische Verknüpfungen mit charakteristischen Resonanzfrequenzen vor, dann erscheint es einleuchtend, dass man sie durch resonantes Laserlicht individuell zu Schwingungen anregen, schwächen und schließlich brechen kann. Es zeigte sich aber, dass die Schwächung einzelner Bindungen nicht mit einem einzigen Laser erreicht werden kann, da die Bindungen in einem Molekül sehr stark miteinander wechselwirken und die vom Laserlicht gezielt eingebrachte Energie sich dadurch sehr schnell auf alle Teilchen des Moleküls verteilt. Als Resultat erhält man lediglich ein Molekül mit erhöhter Temperatur, was sich sehr viel einfacher auch durch direktes Erwärmen des Reaktionsgefäßes erreichen ließe.
Kohärente Kontrolle
Allerdings wurde bisher nicht berücksichtigt, dass ein Molekül ein Quantenobjekt ist. In einem Quantenobjekt ist es möglich, dass zwei unterschiedliche, jeweils mit spezifischen Laserfrequenzen verknüpfte Anregungsprozesse, die zu ein und demselben Endzustand führen, konstruktiv oder destruktiv miteinander interferieren. Deshalb kann der Endzustand entweder verstärkt oder überhaupt nicht angeregt werden. Dazu ist es aber notwendig, diese beiden Anregungsprozesse kohärent, also interferenzfähig zu realisieren. Das kann man erreichen, indem man ultrakurze Laserlichtpulse mit ihrem breiten Spektrum und der definierten Phasenlage aller in ihnen enthaltenen Frequenzen verwendet. Durch gezielte Kontrolle der Amplitude und Phase der einzelnen Frequenzkomponenten erreicht man, dass aufgrund konstruktiver Interferenz nur eine einzige Bindung stark mit dem Licht wechselwirkt, während alle anderen kaum angeregt werden. Diese kohärente Steuerung chemischer Reaktionen ist zwar vom Konzept her auf eine Vielzahl isolierter Moleküle anwendbar, aber praktisch nur schwer durchzuführen, da die notwendigen Amplituden und Phasenlagen der einzelnen Lichtfrequenzen vorab nicht bekannt sind.
Revolution durch Evolution
Zur Lösung dieses Problems behelfen sich Forscher mit einem bereits in der Natur bewährten Verfahren - dem Darwin'schen Prinzip des „Survival of the Fittest“ („Der Fitteste überlebt“). Zunächst wird mit einem Femtosekunden-Laser ein breites Spektrum mit genau definierter Phase erzeugt. Ein Pulsformer spaltet den Laserpuls in seine einzelnen Farben auf. Dann werden mit Hilfe eines Flüssigkristalldisplays (LCD) die relativen Farbanteile (Intensität) und deren zeitliche Anordnung (Phase) verändert. Schließlich werden die einzelnen Farben wieder zu einem Puls zusammengesetzt. Dieses Verfahren überführt die ungeformten Laserpulse, bei denen alle spektralen Anteile zur selben Zeit auftreten, in entsprechend "geformte" Laserpulse, die zu unterschiedlichen Zeiten variabel einstellbare Anteile der verschiedenen Spektralfarben aufweisen.
Die so geformten Lichtpulse werden dazu benutzt, eine chemische Reaktion in einem Molekülstrahl zu starten, um eine gewünschte Substanz herzustellen. Mit Hilfe eines Massenspektrometers misst man, welche Produkte dabei mit welcher Ausbeute erzeugt wurden. Ein Computer verarbeitet diese Informationen und versucht, verbesserte Lichtpulse mit veränderten spektralen Amplituden und Phasenlagen zu errechnen, die dann wiederum vom Pulsformer erzeugt und im Experiment am Molekülstrahl getestet werden. Laserpulse, die das Optimierungsziel besonders gut erfüllen, werden ausgewählt und durch Kombination mit ähnlich erfolgreichen Mustern „fortgepflanzt“. Einige der hierdurch erzeugten „Nachkommen“ sind wiederum besser geeignet, das Syntheseziel zu erreichen, als ihre „Vorfahren“. Es wird ihnen aufgrund der direkten Rückkopplung aus dem Experiment eine höhere „Fitness“ zugeordnet, und sie werden erneut zur Reproduktion ausgewählt. Wenn dieser Vorgang der Evolution für genügend viele Generationen durchschritten wird, steigt die durchschnittliche Fitness an, und es findet sich schließlich ein Laserpuls, der optimal dazu in der Lage ist, die gewünschte Molekülsorte zu erzeugen. Das Erstaunliche an dieser Methode ist, dass für eine erfolgreiche Durchführung kaum Vorwissen über die untersuchten Moleküle oder den Ablauf der chemischen Reaktion benötigt wird. Das Optimierungsverfahren nach dem Evolutionsprinzip ist selbstlernend und findet die optimalen Laserpulsformen völlig automatisch. Für den Einsatz in der synthetischen Chemie wird zur Zeit daran gearbeitet, das Verfahren von Molekülstrahlen auf Flüssigkeiten zu übertragen. Es ist durchaus denkbar, dass auf diesem Weg die Herstellung pharmazeutischer Produkte in völlig neue Bahnen geleitet wird, da es dann möglich ist, „Designer-Moleküle“ direkt und optimal mit Hilfe von selbstlernenden Femtosekunden-Lasern zu erzeugen.
Kurze Pulse, hohe Leistungen, enorme Intensitäten
Bei den bisher vorgestellten Anwendungen waren vor allem die geringe Länge der Laserpulse und die präzise Kontrolle ihrer Eigenschaften entscheidend. Ein weiterer, nicht weniger wichtiger Aspekt ist die Möglichkeit, schon bei moderaten Pulsenergien enorme Lichtleistungen zu erzeugen – denn Leistung ist Energie pro Zeit. So hat ein 100 fs langer Lichtpuls mit einer Energie von einem Joule – gerade genug, um einen Fingerhut voll Wasser um ein Viertel Grad zu erwärmen – eine Leistung von 10 Terawatt! Das entspricht etwa der Leistung von 10.000 großen Kraftwerken, wenn auch nur für eine extrem kurze Zeitspanne.
Einen entscheidenden Durchbruch bei der Erzeugung extrem hoher Laserleistungen brachte Ende der 1980er Jahre die Einführung des CPA-Verfahrens (Chirped Pulse Amplification) zur Pulsverstärkung. Es gibt derzeit weltweit etwa 15 Laseranlagen mit Leistungen von mehr als 10 Terawatt, drei davon in Deutschland (Berlin, Jena, München). Fokussiert man die Ausgangsstrahlung eines solchen gepulsten Lasers auf einen sehr kleinen Fleck, so erhält man unvorstellbar hohe Lichtintensitäten – in einigen Labors heute schon 1020 Watt pro Quadratzentimeter (W/cm2). Bei solchen enormen Intensitäten laufen viele optische Vorgänge ganz anders ab, als unter normalen Umständen.
Strahlung dominiert Materie
Bei einer Intensität von mehr als 3 mal 1016 Watt pro Quadratzentimeter, was nach heutigem Standard noch recht moderat ist, wird die Kraft, mit der die Strahlung auf ein Elektron in einem Wasserstoffatom wirkt, größer als die Coulomb-Kraft, die das Elektron im Atom an das Proton bindet. Bei noch höheren Intensitäten, jenseits von 1018 Watt pro Quadratzentimeter, erreichen die im Laserfeld oszillierenden Elektronen fast Lichtgeschwindigkeit, und relativistische Effekte gewinnen zunehmend an Bedeutung. In jedem Falle erreicht man einen vollständig neuen Bereich der Wechselwirkung zwischen Strahlung und Materie: Während normalerweise die Strahlung immer als kleine, auf die Materie wirkende Störung aufgefasst werden kann, drehen sich nun die Verhältnisse um. Unter diesen Umständen dominiert die Strahlung, und die Materieeigenschaften treten in den Hintergrund.
Eine interessante Anwendung dieser ungewöhnlichen Wechselwirkungen besteht darin, sehr kurze, kohärente Röntgenpulse in atomaren Gasen zu erzeugen. Sie entstehen als Oberwellen der eingestrahlten optischen Pulse von sehr hoher Ordnung. Die kürzesten auf diese Weise erzeugten Wellenlängen liegen gegenwärtig bei 3 Nanometer - dies entspricht der dreihundertsten Harmonischen der Eingangsstrahlung! Auf diesem Weg können auch inkohärente Röntgenpulse mit Energien von mehr als einem Kiloelektronenvolt (keV) erzeugt werden. Diese Pulse sind zudem sehr kurz: Pulslängen von 250 Femtosekunden wurden bereits erreicht. Mit Hilfe dieser kurzen und intensiven Röntgenpulse ist es erstmals möglich geworden, schnelle Veränderungen der Struktur der Materie mit atomarer Auflösung zu erfassen und zu analysieren.
Heißes Plasma im Labor
Trifft ein intensiver ultrakurzer Laserpuls auf einen Festkörper, so werden die Atome sofort ionisiert und es entsteht sehr schnell ein heißes, dichtes Plasma. Ein Plasma ist jener im Weltall dominierende Materiezustand, bei dem Atomkerne und Elektronen voneinander getrennt sind. Mit Hilfe solch ultrakurzer Laserpulse ist man jetzt erstmals in der Lage, Plasmen von so hoher Dichte und Temperatur zu erzeugen und zu untersuchen, wie sie sonst nur im Inneren von Sternen und Planeten oder bei Sternexplosionen (Novae und Supernovae) vorkommen.
Laserpulse hoher Intensität sind auch für die laserinduzierte Kernfusion von großem Interesse. Im Lawrence Livermore National Laboratory in den USA wurde das Konzept des Fast Ignitors entwickelt, bei dem ultrakurze Laserpulse hoher Intensität gleichsam als Zündkerze für die Fusionsreaktion wirken. Ähnliche Lasersysteme lassen sich auch zur Beschleunigung von geladenen Elementarteilchen nutzen. Das Interessante an diesen Laserbeschleunigern ist, dass die auf die Teilchen wirkende elektrische Feldstärke, der Beschleunigungsgradient, 1012 Volt pro Meter übersteigt und damit den von konventionellen Beschleunigern um viele Größenordnungen übertrifft.
Bei allerhöchsten Intensitäten könnten in Zukunft auch experimentelle Tests fundamentaler physikalischer Theorien möglich werden. So ist bereits im Experiment die Materialisierung von Licht durch nichtlineare Compton-Streuung nachgewiesen worden. Dabei kollidieren Photonen und Elektronen wie feste Teilchen miteinander und es entstehen Positron-Elektron-Paare. Zukünftig wird auch die direkte Paarerzeugung in starken elektrischen Feldern und damit der sogenannte Zusammenbruch des quantenelektrodynamischen Vakuums von Interesse sein. Um dies im Experiment beobachten zu können, muss allerdings die Laserintensität erst noch auf etwa 1029 Watt pro Quadratzentimeter erhöht werden.
Vielfältige Anwendungen
Es zeichnet sich inzwischen eine ganze Reihe von weiteren, konkreten technischen Anwendungen für ultrakurze Laserpulse ab. Sie reichen im Niederintensitätsbereich von der schon kommerziell erhältlichen Multiphotonenmikroskopie bis zur Erzeugung von Terahertzstrahlung für Kommunikationszwecke. Bei mittleren Intensitäten erlauben ultrakurze Pulse erstmals die Feinbearbeitung von Metallen. So wurden etwa am Laserzentrum Hannover Stützstrukturen für die menschlichen Koronararterien aus Titan und organischen Materialien mit Femtosekunden-Lasern hergestellt. Auch bei Augenoperationen spielen Kurzpulslaser eine zunehmende Rolle. Neue medizinische Röntgenquellen, die auf Femtosekunden-Lasern basieren, nutzen vor allem die geringe Größe der Strahlungsquelle und die Möglichkeit einer zeitaufgelösten Detektion aus, um die Dosis für die medizinische Diagnostik zu senken und zugleich die Auflösung zu erhöhen. Eine kürzlich demonstrierte neue Laser-Fernerkundungsmethode (LIDAR) beruht auf der stark nichtlinearen Wechselwirkung eines intensiven Terawatt-Laserpulses mit der Erdatmosphäre. Dadurch entsteht in einem elektrisch leitfähigen Lichtkanal weißes Licht, und es wird zum Beipiel möglich, durch Absorptionsspektroskopie die Zusammensetzung der Atmosphäre hochaufgelöst mit einem einzigen Lasersystem zu vermessen.
Denkschrift zum Jahr der Physik 2000 gemäß den Bedingungen der Quelle
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/licht/konventionelle-laser/ultrakurze-laserpulse/