Die Röntgenquelle
Das Herz der ESRF ist ein Speicherring für Elektronen von 6 Gigaelektronenvolt Energie mit einem Umfang von 844 Metern, der speziell für die Erzeugung intensiver, energiereicher Röntgenstrahlung konzipiert wurde. Der relativ große Umfang des Speicherrings beinhaltet 28 freie, gerade Strecken von jeweils 5 Metern Länge, in die Magnetstrukturen, sogenannten insertion devices, eingefügt werden können, mit denen die intensive Röntgenstrahlung auf einen Durchmesser von wenigen Mikrometern fokussiert werden kann.
Bevor die Elektronen in den Speicherring eingelenkt werden, haben ein Linearbeschleuniger und ein Booster-Synchrotron sie bereits auf 6 Gigaelektronenvolt beschleunigt. Durch periodisches Akkumulieren von Elektronenbündeln, sogenannten „Bunches“, wird der Speicherring im Rhythmus von 10 Hertz gefüllt, bis ein umlaufender Elektronenstrom von maximal 200 Milliampere erreicht ist, typisch innerhalb von zwei Minuten. Die Elektronen bleiben dann für viele Stunden gespeichert, und erhalten die durch die Aussendung der Röntgenstrahlung verlorene Energie in Hochfrequenz-Kavitäten – kleinen Linearbeschleunigerstücken im Ring – zurück.
Jedes Elektron auf einer gekrümmten Bahn sendet elektromagnetische Strahlung aus. Die Intensität, d.h. die Anzahl der Photonen, nimmt bei vorgegebenem Krümmungsradius mit dem Quadrat der Elektronenenergie zu, ebenso wie die mittlere Energie der ausgesandten Photonen. Dennoch wird Synchrotronstrahlung bei der ESRF nicht nur in den Kreisbögen des Speicherrings, sondern vor allem in den 28 geraden Sektionen erzeugt. Dort befinden sich nämlich insertion devices, bei denen man Undulatoren und Wiggler unterscheidet, die die Elektronen auf enge Slalombahnen zwingen.
Wiggler und Undulatoren
In einem Undulator durchlaufen die Elektronen ein schnell in der Polarität wechselndes Magnetfeld, das von zahlreichen kompakten, hintereinander angeordneten Permanentmagneten erzeugt wird. Die Periodizität dieser Bewegung verstärkt durch konstruktive Interferenz bestimmte Wellenlängen der ausgesandten Strahlung aus und löscht andere ebenfalls durch Interferenz aus. Zugleich wird der Röntgenstrahl durch die im Mittel gerade Bahn der Elektronen eng gebündelt. Die Energie der Photonen kann durch die Änderung der Magnetfeldstärke variiert werden; hierzu wird einfach der Abstand zwischen den Magneten verändert.
„Wiggler“ werden bei der ESRF immer seltener eingesetzt; sie funktionieren nach demselben Prinzip wie ein „Undulator“, allerdings mit geringerer Periodizität des Magnetfelds, so dass keine Interferenzen entstehen und das natürliche Frequenzspektrum der Synchrotronstrahlung erhalten bleibt.
Der in einem Undulator oder Wiggler erzeugte Photonenstrahl kann der Krümmung des Speicherrings nicht folgen und verlässt den Speicherring im nächsten Dipolmagneten tangential. Das Röntgenlicht wird in einer Vakuumröhre zu einer beamline geleitet, wo es für das Experiment präpariert wird. Hierzu werden Röntgenoptiken eingesetzt, die zum Beispiel bestimmte Wellenlängen ausfiltern oder den Strahl fein fokussieren. Insgesamt betreibt die ESRF 28 eigene beamlines mit Insertion Devices, die ständig verbessert und den sich ändernden Anforderungen der Nutzer angepasst werden. Hinzu kommen zur Zeit 15 beamlines an Dipolmagneten, die von externen Nutzerkonsortien entwickelt und betrieben werden. Aus Deutschland betreibt z.B. das Forschungszentrum Dresden-Rossendorf eine beamline. Die Betreiber solcher Experimentierstationen können 70 Prozent der Strahlzeit selbst nutzen und stellen 30 Prozent ihrer Strahlzeit anderen Nutzern der ESRF zur Verfügung.
Die Zuverlässigkeit der Röntgenquelle wurde seit Aufnahme des Betriebs ständig verbessert und erreicht heute Werte von bis zu 99 Prozent der geplanten Strahlzeit, was weltweit von keiner anderen Einrichtung übertroffen wird.
Welt der Physik/Pressestelle ESRF CC by-nc-nd
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/licht/synchrotronstrahlung/esrf/roentgenquelle/