Wie kommt die Masse in die Welt
Mit Europas größtem Supercomputer berechnen Physiker erstmals die exakte Masse von Protonen und Neutronen – Bestätigung der Quantenchromodynamik
Jülich - Was ist der Ursprung der Masse? Diese Frage wollen Physiker vom kommenden Jahr an mit Messungen am 27 Kilometer langen Kreisbeschleuniger, dem Large Hadron Collider (LHC) des Forschungszentrums CERN in Genf, beantworten. Ganz ohne diese aufwändigen Experimente berechnete nun ein internationales Forscherteam erstmals die Masse der wichtigsten Baustein der Materie, Protonen und Neutronen. Ihre Computersimulationen, die sie in der Zeitschrift "Science" präsentieren, untermauern die komplexe Theorie der Quantenchromodynamik.
"Mehr als 99,9 Prozent der Masse der sichtbaren Materie stammen von den Protonen und Neutronen", sagt Zoltan Fodor, der das Forschungsprojekt am Jülicher Supercomputer JUGENE geleitet hat. Doch die Masse dieser Bausteine, aus denen sich alle Atomkerne zusammensetzen, ist nicht leicht greifbar. Denn im einfachsten Modell bestehen sie nur aus drei Quarks. Die Masse der drei Quarks bringt zusammengerechnet jedoch nur etwa fünf Prozent der Masse eines Kernbausteins auf die Waage. Die restlichen 95 Prozent verbergen sich in der starken Kraft, die die drei Quarks zusammenhält.
Nach der gängigen Theorie der Quantenchromodynamik vermitteln zahlreiche Klebeteilchen, die Gluonen, die starke Kraft zwischen den Quarks. Doch das Zusammenspiel zwischen Quarks und Gluonen ist derart kompliziert, das es bisher nicht berechnet und in exakten Zahlen gefasst werden konnte. Diese Hürde überwanden Fodor und Kollegen mit dem Jülicher Supercomputer."Es handelt sich um eine der rechenintensivsten Arbeiten in der Geschichte der Menschheit", so Fodor. Für die Berechnungen zerlegten die Physiker Raum und Zeit in ein engmaschiges vierdimensionales Gitter. Damit lösten sie die komplizierten Gleichungen der Quantenchromodynamik jeweils für die einzelnen Punkte dieses Gitters. Mit schrumpfenden Abständen dieser Gitterpunkte näherten sie sich immer mehr an die Wirklichkeit, die kontinuierliche Raumzeit, an und erhielten konkrete Zahlen für die Masse von Protonen und Neutronen.
Ihre Werte stimmten exakt mit den bisherigen Messungen an den verschiedenen Teilchenbeschleunigern überein. "Damit haben wir gezeigt, dass die Quantenchromodynamik tatsächlich eine korrekte Beschreibung der starken Wechselwirkung ist", sagt Fodor. Damit sei der Ursprung des überwiegenden Teils der Masse der sichtbaren Materie geklärt. Die Zeitschrift "Science" bezeichnet diesen Erfolg sogar als einen Meilenstein in den 30-jährigen Bemühungen der theoretischen und auf Computersimulationen gestützten Physik.
Rätselhaft bleibt aber weiterhin der Großteil der Gesamtmasse des Universums, die Physiker als Dunkle Materie bezeichnen. "Woher diese Dunkle Materie ihre Masse hat, dafür haben wir bislang keine Erklärung", sagt Fodor. Vielleicht liefert in den nächsten Jahren der LHC erste Antworten auf diese offene Frage.
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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2008/wie-kommt-die-masse-in-die-welt/