Miniatur-Röntgenquelle mit schlingernden Elektronen

Einem Wissenschaftlerteam aus München ist es erstmals gelungen, Röntgenquellen, die normalerweise mehrere Kilometer groß sind, auf die Dimension eines Esstisches zu verkleinern. Hierfür bedienen sich die Forscher einer neuen Methode, einer Kombination aus Laserlicht und Wasserstoff-Plasma.

Aufbau des Röntgenundulators

Aufbau des Röntgenundulators

München - Das Potential der Lasertechnik scheint unerschöpflich. Den Beweis hat nun erneut ein internationales Team vom Münchener Exzellenzcluster "Munich-Centre for Advanced Photonics" (MAP) im Labor für Attosekundenphysik (LAP) der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ) in Garching erbracht. Beteiligt waren zudem das Forschungszentrum Dresden-Rossendorf und das Clarendon Laboratory der Universität in Oxford (Großbritannien). Den Physikern ist es erstmals im Labormaßstab gelungen, weiche Röntgenstrahlung mit Hilfe von Laserlicht zu erzeugen. Die Forscher generieren Pulse von Elektronen durch intensive Laserblitze. Derselbe Laserstrahl beschleunigt die Elektronenpulse auf annähernd Lichtgeschwindigkeit in einer tausendmal kürzeren Distanz als bisherige Techniken dafür benötigen. Anschließend werden diese in einen kurzen Undulator fokussiert, der im Inneren magnetische Felder hat. Diese Felder zwingen die Elektronen auf einen Schlingerkurs, was zur Folge hat, dass sie Röntgenstrahlung emittieren. Das Experiment zeigt, dass es möglich ist, mit Hilfe von Licht so genannte "brillante Röntgenstrahlung" zu erschaffen. In brillanter Strahlung sind extrem viele Photonen mit gleicher Wellenlänge in einem Strahl gebündelt. Die Strahlung bietet weitaus mehr Anwendungen als herkömmliche Röntgenstrahlung. Bisher konnte sie aber nur in kilometergroßen Beschleunigeranlagen produziert werden. Die LAP-Forscher haben nun die Türe aufgestoßen, brillante Röntgenstrahlung auch in viel kompakteren Geräten zu gewinnen. Sie berichten darüber in der Online-Ausgabe von Nature Physics.

Seit ihrer Entdeckung im ausgehenden 19. Jahrhundert ermöglicht Röntgenstrahlung Einblicke in Welten, die für das menschliche Auge unsichtbar sind. Heute ist die Strahlung aus der Medizin, der Physik, den Materialwissenschaften und der Chemie nicht mehr wegzudenken. Mittlerweile kann man mit ihr Strukturen sichtbar machen, die nicht größer als Atome sind. Dazu benötigt man so genannte "brillante Röntgenstrahlung". Sie wird heute in kilometergroßen und teuren Beschleunigeranlagen erzeugt, was den Zugang für die Allgemeinheit erschwert. Nur wenige Anlagen weltweit sind überhaupt in der Lage, diese brillante Röntgenstrahlung aufwendig herzustellen. Brillante Strahlung bündelt sehr viele Photonen (Lichtteilchen), die sich zudem im selben Takt bewegen.

Ein Team um Prof. Florian Grüner und Prof. Stefan Karsch hat sich das Ziel gesetzt, brillante Röntgenstrahlung kostengünstig und mit wenig Platzaufwand zur Verfügung zu stellen. Einen wichtigen Meilenstein haben die Physiker jetzt zurückgelegt. Mit Hilfe von intensivem Laserlicht und einem Plasma aus Wasserstoffatomen ist es ihnen erstmals in einem Labor der LMU und des MPQ gelungen, Röntgenstrahlung mit einer Wellenlänge von rund 18 Nanometern (weiche Röntgenstrahlung) zu erzeugen. Dazu verwendeten die Physiker Laserpulse, die nur wenige Femtosekunden lang dauern. Eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde. In dieser ultrakurzen Zeit erreichen die Lichtpulse Leistungen von rund 40 Terawatt. Zum Vergleich: Ein Atomkraftwerk erzeugt Leistungen von rund 1000 Megawatt, das ist 1000 Mal weniger.

Die gigantischen Leistungen der Pulse werden nur durch ihre extreme Kürze erreicht. Die starken elektrischen und magnetischen Felder der Lichtpulse lösen Elektronen von Wasserstoffatomen und erzeugen so ein Plasma. Diese Elektronen werden mit demselben Laserpuls auf annähernd Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und das auf einer Strecke von nur 15 mm, was einer tausendmal kürzeren Distanz entspricht, als sie von bisher verwendeten Technologien benötigt wird.

Die Elektronen gelangen anschließend in den Undulator, ein rund 30 Zentimeter langes und fünf Zentimeter breites Gerät. Dieser erzeugt in seinem Inneren ein alternierendes Magnetfeld, das die Elektronen auf einen sinusförmigen Schlingerkurs zwingt. Dabei werden die Teilchen hin und her beschleunigt und senden dadurch Photonen im weichen Röntgenbereich aus. Bis heute konnte man in einem anderen Experiment, das ähnlichen Methoden verwendet, lediglich Licht erzeugen, das sich im sichtbaren oder infraroten Bereich befindet, also viel längere Wellenlängen besitzt als Röntgenstrahlung. Hintergrund warum man über möglichst kurze Licht-Wellenlängen verfügen möchte, sind die Gesetze der Optik. Sie sagen, dass man mit Licht nur Strukturen abbilden kann, die der Größe seiner Wellenlänge entsprechen. Das heißt: Untersucht man zum Beispiel mit Röntgenlicht von 18 Nanometer Wellenlänge ein Objekt, muss dieses mindestens so groß sein um es sehen zu können. Atome und zahlreiche Moleküle sind aber sehr viel kleiner.

Die Verkürzung der Wellenlänge der lasererzeugten Röntgenstrahlung ist das nächste Vorhaben der Wissenschaftler. "Grundsätzlich haben wir mit unserem Experiment gezeigt, dass man Röntgenstrahlung in einem Universitätslabor mit Hilfe von ultrakurzen Lichtpulsen erzeugen kann", erklärt Florian Grüner. Doch das Potential der Undulator-Technologie ist erheblich größer. "Unser Versuch ebnet den Weg in Richtung einer preiswerten Quelle für lasergetriebene Röntgenstrahlen", prognostiziert Grüner.

Im nächsten Schritt wollen die Physiker die Energie der Elektronen, die durch den Undulator fliegen, weiter erhöhen. Dazu werden die Wissenschaftler die Energie der Lichtpulse steigern, die die Elektronen erzeugen. Das große Ziel der Gruppe um Prof. Florian Grüner besteht in der Realisierung eines laser-getriebenen Freien-Elektronen-Lasers, dessen Licht etwa eine Million mal brillanter ist als die jetzt gemessene Undulatorstrahlung. Die Strahlung soll dann nur noch eine Wellenlänge von wenigen Zehntel Nanometer haben. Sie kann völlig neue, detaillierte Einblicke in den Mikrokosmos der Natur liefern. Ebenso kann die Strahlung zum Beispiel in der Medizin helfen, kleinste Tumore zu entdecken, bevor sie sich im Körper ausbreiten. Die Heilungschancen von Krebs würden enorm steigen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2009/miniatur-roentgenquelle-mit-schlingernden-elektronen/