Positiv, negativ, neutral: Mikroskop misst Ladungen einzelner Atome
Neues Verfahren soll zur Entwicklung von winzigen Nanoschaltkreisen und effizienteren Solarzellen beitragen
Rüschlikon (Schweiz)/Regensburg - Nanoforscher schubsen schon heute Atome mit den filigranen Spitzen von Rasterkraftmikroskopen hin und her. Nun können sie auch gezielt die elektrische Ladung einzelner Atome auf einer isolierenden Oberfläche mit hoher Genauigkeit messen. Das neue Analyseverfahren, das für die Entwicklung winziger Nanoschaltkreise und effizienter Katalysatoren oder Solarzellen genutzt werden könnte, präsentieren Physiker aus Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden in der Zeitschrift "Science".
"Ein Rasterkraftmikroskop mit einer Ein-Elektron-Empfindlichkeit ist ein nützliches Werkzeug, um den Ladungstransfer in Molekülkomplexen zu untersuchen", sagt Gerhard Meyer vom IBM-Forschungslabor in Rüschlikon nahe Zürich. Zusammen mit Kollegen der Universitäten Regensburg und Utrecht erweiterte sein Team die vielfältigen Möglichkeiten von Rasterkraftmikroskopen um eine weitere, wichtige Messmethode. Über die variablen Schwingungen der Mikroskopspitze gelang es ihnen, neutrale sowohl von negativ als auch positiv geladenen Atomen zu unterscheiden.
Der Schlüssel zu diesem Erfolg liegt in der Messung von winzigen Kräften zwischen Atom und Mikroskopspitze. Denn geladene Atome üben etwas größere Kräfte aus als neutrale. Diese Unterschiede betragen allerdings nur wenige Piconewton und können über die Änderungen der Schwingungsfrequenzen der Mikroskopspitze bestimmt werden. Zum Vergleich: Ein Piconewton beträgt die anziehende Schwerkraft, die zwischen zwei Menschen in einem Abstand von etwa 500 Metern voneinander wirkt. Wenn nun ein Goldatom mit einem Elektron elektrisch aufgeladen wird, erhöht sich die auf die Spitze des Rasterkraftmikroskops wirkende Kraft um gerade mal elf Piconewton.
Dieses Verfahren, für das die Analyseproben im Vakuum bis auf minus 268 Grad Celsius abgekühlt werden müssen, kann viele neue Erkenntnisse über Werkstoffe und atomare Prozesse liefern. So sind Nanoschaltkreise vorstellbar, in denen nur noch ein einziges Elektron zwischen den digitalen Basiswerten "0" und "1" unterscheidet. In den besten Siliziumprozessoren heute müssen sich für diese Schaltprozesse noch Abertausende von Elektronen bewegen. "Ladungszustände und Ladungsverteilung sind auch wichtig in der Katalyse und bei der Photokonversion", sagt der Erstautor der Studie, Leo Gross. So erwartet er, dass diese Methode auch für die Analyse chemischer Reaktionen und zur Verbesserung von Katalysatoren oder Solarzellen genutzt werden könnte.
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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2009/positiv-negativ-neutral-mikroskop-misst-ladungen-einzelner-atome/