Fortschritte in der Kielfeld-Beschleunigung

Ein neues Verfahren zur Teilchenbeschleunigung, das sehr kurze Beschleuniger erlauben könnte, ist ein Stück näher an die Praxistauglichkeit gerückt.

Michael Büker

Schema einer Kammer entlang des Strahrohrs an einem Teilchenbeschleuniger. Zwei Elektronenpakete fliegen kurz hintereinander in die Kammer.

Die leistungsfähigsten Teilchenbeschleuniger sind heutzutage sehr große Maschinen von mehreren Kilometern Länge. Die Ursache dafür liegt vor allem in den Mechanismen, die zur Beschleunigung geladener Teilchen genutzt werden. An neuen Beschleunigungsmethoden, die auf viel kürzeren Strecken eine ähnlich starke Beschleunigung erreichen können, wird seit vielen Jahren geforscht. Einen wichtigen Fortschritt bei der sogenannten Kielfeld-Beschleunigung vermelden nun Forscher um Mike Litos vom SLAC National Accelerator Laboratory in den USA in der Fachzeitschrift „Nature“.

Eine metallene Kammer steht auf einem Tisch, umgeben von sehr vielen Kabeln und Anschlüssen. Durch die kurzen Seiten der quaderförmigen Kammer läuft ein Rohr aus dem Bild heraus.

Experiment zur Kielfeld-Beschleunigung am SLAC

Litos und seinem Team gelang es, Paketen von mehreren Millionen Elektronen auf einer Strecke von nur etwa 35 Zentimetern eine Energie von 1,6 Gigaelektronenvolt zuzuführen. Für die erreichte Energie wäre mit heute üblichen Beschleunigern eine Beschleunigungsstrecke von mindestens hundert Metern nötig: Litos und Kollegen berichten von einem Beschleunigungsfeld von 4400 Megavolt pro Meter, während heutige Beschleuniger mit Feldern in der Größenordnung von zehn Megavolt pro Meter arbeiten. Stärkere Felder sind in konventionellen Beschleunigern unter anderem deshalb nicht machbar, weil die Materialien größeren elektrischen Feldern nicht standhalten können.

Die Wissenschaftler um Litos bedienten sich hingegen eines Plasmas, das durch Beschuss von heißem Lithiumgas mit einem sehr leistungsstarken Laser erzeugt wird. Durch das Plasma schießen sie dann kurz hintereinander zwei sehr schnelle Elektronenpakete. Das erste treibt die freien Elektronen des Plasmas aus seinem Weg, beeinflusst aber die Lithiumionen wegen ihrer viel größeren Masse praktisch nicht. Die Elektronen des Plasmas schwingen daraufhin in die so entstandene positiv geladene „Lücke“ zurück. Das zweite Elektronenpaket folgt auf der Welle dieser Schwingung, die entlang der Flugrichtung beider Pakete entsteht. Sind diese Prozesse genau aufeinander abgestimmt, kann das zweite Elektronenpaket eine sehr große Energie auf einer kurzen Flugstrecke aufnehmen.

Dreidimensionales Energiedichtediagramm: Am vorderen Elektronenpaket ist die Energie niedrig, am hinteren ist sie hoch. Das Feld darum hat die Form einer langgezogenen Kugelwelle.

Simulation des Beschleunigungsprinzips

Die beschleunigten Elektronen hatten in dem beschriebenen Experiment eine ungewöhnlich uniforme Energieverteilung – die Energie der einzelnen Elektronen weicht nur ein bis zwei Prozent voneinander ab. Bis das Verfahren herkömmliche Beschleuniger ablösen kann, sind allerdings noch einige Schwierigkeiten auszuräumen. So gingen bei dem Versuch neunzig Prozent der ursprünglich eingeschossenen Elektronen verloren. Zukünftig sollen die Elektronenpakete eine besser auf die Plasmawelle abgestimmte Form erhalten, um die Verluste zu minimieren und den Energieübertrag effizienter zu machen.

Weiterhin lässt sich das Verfahren nicht ummittelbar auf Positronen, die positiv geladenen Antiteilchen des Elektrons, übertragen. Elektron-Positron-Kollisionen sind vor allem in der Teilchenphysik ein wichtiges Werkzeug. Dennoch gibt es viele Anwendungen, für die energiereiche Elektronen aus kleinen Apparaturen nützlich wären, etwa in der Medizin oder der Materialforschung.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2014/kielfeld-beschleunigung/