Quantensuperposition über bisher unerreicht große Distanz

In einem Bose-Einstein-Kondensat aus Rubidiumatomen trennten Physiker zwei überlagerte Wellenpakete einen halben Meter voneinander.

Jan Oliver Löfken

Die Quantenmechanik beschreibt Phänomene, die sich mitunter nicht mit unserer alltäglichen Erfahrung erklären lassen. Ein Beispiel dafür ist das Doppelspaltexperiment, bei dem ein einziges Lichtteilchen offenbar zugleich durch zwei Spalte fliegt und dahinter ein Interferenzmuster aus der Überlagerung zweier Lichtwellen erzeugt. Auch einzelne Atome lassen sich als Wellenpakete beschreiben, die sich gegenseitig überlagern können. Diese sogenannte Superposition, die bisher nur über atomar kleine Abstände nachweisbar war, dehnten Physiker nun auf einen halben Meter aus. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, könnten auf dieser Basis neuartige Detektoren für Gravitationswellen entwickelt werden.

„Es ist erstaunlich, dass die Gesetze der Quantenmechanik diese Ergebnisse ermöglichten“, sagt Mark Kasevich, Physiker an der Stanford University. Für das Experiment kühlte er zusammen mit seinen Kollegen eine Wolke aus etwa 100 000 Rubidiumatomen fast bis auf den absoluten Nullpunkt ab. Dabei entstand ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat, in dem sich alle Atome wie ein großes Superatom verhalten. Eingesperrt unter Vakuum in einer magnetooptischen Falle konnte diese tiefgekühlte Atomwolke fixiert werden. Mit einer Serie von Laserpulsen brachte das Team alle Atome dazu, sich über einen größeren Bereich zu delokalisieren. Dieser Zustand ließ sich mit zwei Wellenpaketen beschreiben, die voneinander verschiedene Ausbreitungscharakteristiken zeigten. Innerhalb einer Sekunde konnten sich diese Wellenpakete bis zu 54 Zentimeter voneinander trennen. Dennoch blieb eine Quanteninterferenz zwischen den Paketen über diesen Zeitraum erhalten. Diesen Zustand nennen Physiker Quantensuperposition. Abermals durch Laserpulse angeregt ließen sich die Wellenpakete wieder zusammen, so dass sie sich auch räumlich überlagerten ohne sich gegenseitig zu beeinflussen. Mit speziellen Nachweisgeräten, sogenannte Interferometern, konnten Kasevich und Kollegen die Überlagerungen der beiden Materiewellen messen.

Diese ungewöhnlich große räumliche Trennung von Wellenpaketen eines Bose-Einstein-Kondensats stellt nicht nur ein beeindruckendes Grundlagenexperiment dar. Kasevich hält es auch für möglich, dass die Quantensuperposition über einen halben Meter und mehr zu extrem empfindlichen Sensoren von relativistischen Quanteneffekten und sogar für einen direkten Nachweis von Gravitationswellen genutzt werden könnte. Diese Wellen in der Raumzeit ließen sich bisher nur indirekt nachweisen. Der direkte Nachweis mit großen Detektoren wie dem GEO600 bei Hannover, durch die sich Lichtwellen durch einige Hundert Meter lange Tunnel ausbreiten und mit Gravitationswellen messbar in Wechselwirkung treten sollen, scheiterte bislang. Die nun realisierte Quantensuperposition von Atomen, also Materie, könnte die Basis für eine neue Art von Gravitationswellendetektoren legen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2015/quantensuperposition-ueber-bisher-unerreicht-grosse-distanz/