„Felder scheinen in der Zeit eingefroren“
Franziska Konitzer
Elektronenmikroskope sind als Alternative zu Lichtmikroskopen besonders geeignet, um allerkleinste Strukturen abzubilden. Forscher haben nun ein Elektronenmikroskop so weiterentwickelt, dass ultrakurze Elektronenpulse auch veränderliche elektromagnetische Felder vermessen können – damit eignet es sich künftig für Untersuchungen neuartiger Metamaterialien und Schaltkreise mit besonderen optischen Eigenschaften. Ihr Elektronenmikroskop stellten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“ vor. Welt der Physik sprach mit dem beteiligten Forscher Peter Baum von der LMU München.
Welt der Physik: Was kann man mit einem Elektronenmikroskop untersuchen?
Peter Baum: Ein Elektronenmikroskop ist das wahrscheinlich flexibelste Instrument zum Anschauen von allerkleinsten Dingen, von Biomolekülen über Nanostrukturen bis hin zu Zellen. Man kann damit sogar Atome sehen.
Wodurch unterscheidet es sich von einem Lichtmikroskop?
Ein normales Lichtmikroskop verwendet Licht und ein Elektronenmikroskop nimmt Elektronen als Materiewellen, um eine Probe zu untersuchen. Im Prinzip erzeugt man einen Strahl aus Elektronen, fokussiert ihn auf die Probe und schaut was durch kommt. Elektronen haben als Quantenteilchen eine Wellenlänge, die deutlich kürzer als die von Licht ist, vielleicht hunderttausendmal kürzer. Und deshalb lassen sie sich mit Elektronenoptik aus magnetischen und elektrostatischen Linsen viel stärker fokussieren als Licht. Deshalb kann man damit eine Abbildung von Strukturen bis hinunter zur atomaren Größe erreichen.
Was ist das Neue an Ihrem in „Science“ vorgestellten Elektronenmikroskop?
Wir haben das Elektronenmikroskop so weiterentwickelt, dass es nicht nur Strukturen, also Materie, sondern auch die dynamischen elektromagnetischen Felder innerhalb und um die Materie herum abbilden kann. Die Motivation dafür ist, dass fast alle unsere Elektronik und Schaltkreise in Computern und Laboratorien auf elektromagnetischen Feldern basieren, die sich verändern. Der Transistor ist ein Beispiel dafür: Hier schaltet ein elektrisches Feld ein anderes elektrisches Feld oder einen Strom. Ein anderes Beispiel wären Lichtleiter. Die Funktionsweise sind immer elektromagnetische Felder, die sich in Raum und Zeit verändern.
Was haben Sie mikroskopiert?
Wir haben ein Beispielexperiment gemacht, um die neue Methode zu demonstrieren. Dafür haben wir einen sogenannten Metamaterialresonator als Probe verwendet. Metamaterialien sind ganz kleine Antennen, die für optische Frequenzen eine Antwort zeigen, die sehr, sehr ungewöhnlich ist und die neuartige optische Effekte hervorrufen kann. Unsere Probe war ein Ring mit Spalt. Wenn Licht auf diesen Ring eingestrahlt wird, werden darin elektromagnetische Felder erzeugt, die sich mit der Zeit ändern. Diese veränderlichen Felder haben wir mit unserem neuartigen Elektronenmikroskop vermessen können.
Wie muss ein herkömmliches Elektronenmikroskop umgebaut werden, damit das funktioniert?
Die erste Voraussetzung ist, dass man extrem kurze Elektronenpulse hat. Wir erzeugen die mit einem Femtosekundenlaser. Diese werden dann noch weiter zeitlich verkürzt, auf jeweils nur achtzig Femtosekunden Dauer, das entspricht achtzig billiardstel Sekunden. Somit sind sie am Ort der Probe kürzer als ein halber Zyklus der elektromagnetischen Felddynamik in der Probe. Die zweite Voraussetzung ist, dass die Elektronenpulse beim Durchdringen der Probe ebenfalls weniger Zeit als einen halben Lichtzyklus benötigen. Dann kann man sich vorstellen, dass diese veränderlichen Felder aus der Sicht der Elektronen quasi in der Zeit eingefroren sind. Alles passiert schneller, als sich die Felder maßgeblich verändern würden.
Was passiert mit den Elektronen innerhalb der Probe?
Die Elektronen werden von den elektrischen und magnetischen Feldern seitlich abgelenkt, je nachdem wie stark die Felder zu diesem bestimmten Zeitpunkt sind und in welche Richtung sie zeigen. Und wenn man das Experiment ein klein wenig später wiederholt, sieht man die Felder zu diesem späteren Zeitpunkt. Das machen wir zu verschiedenen Zeiten etwa hundertmal und erhalten so einen Film der sich verändernden Felder. Um einen kompletten optischen Zyklus abzubilden, braucht man ungefähr zehn einzelne Aufnahmen.
Was könnte man mit diesem Elektronenmikroskop in Zukunft untersuchen?
Als nächstes wollen wir noch kürzere Elektronenpulse verwenden und uns außerdem ein besseres Elektronenmikroskop mit einer besseren räumlichen Auflösung verschaffen. Dann sollten wir in der Lage sein, tatsächliche Metamaterialien zu untersuchen, also neue optische Antennen mit besonderen Effekten. Andererseits möchten wir nachschauen, was in den Transistoren und Schaltelementen der Zukunft während deren Betrieb in Raum und Zeit wirklich passiert.
Welt der Physik CC by-sa
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2016/felder-scheinen-in-der-zeit-eingefroren/