Virus mit Röntgenlaser entschlüsselt
Mit Röntgenstrahlung lassen sich fundamentale biologische Vorgänge in Organismen untersuchen, wie beispielsweise der Transport von Material in und aus einer Zelle. Ein internationales Forscherteam hat nun erstmals die atomare Struktur eines intakten Viruspartikels mit einem Röntgenlaser bestimmt. Die von ihnen neu entwickelte Methode ermöglicht es, Proben um ein Vielfaches schneller zu analysieren. Dies eröffne völlig neue Möglichkeiten im Bereich der Strukturbiologie, so die Wissenschaftler im Fachjournal „Nature Methods“.
Die räumliche Struktur von Biomolekülen, wie beispielsweise von Viren, wird mithilfe der sogenannten Röntgenkristallografie bestimmt. Aus den Proteinen des Biomoleküls werden kleine Kristalle gezüchtet und mit energiereichem Röntgenlicht bestrahlt. Die Kristalle streuen die Röntgenstrahlung auf charakteristische Weise, sodass sich aus den entstehenden Beugungsmustern die räumliche Struktur des Kristalls – und seiner Bestandteile – atomgenau berechnen lässt. Jeder dieser Mikrokristalle kann allerdings nur ein einziges Streubild liefern, weil er im Röntgenlicht verdampft. Für eine Strukturanalyse sind in der Regel aber Hunderte bis Tausende Streubilder nötig, wodurch sich die Messzeit der bisher eingesetzten Methoden auf mehrere Stunden erstreckt.
Im Gegensatz dazu verteilten Philip Roedig vom Forschungszentrum DESY in Hamburg und seine Kollegen die Proteinkristalle nun auf einem mikrostrukturierten Chip mit Tausenden winzig kleinen Poren und rasterten diese mit einem Röntgenlaser so ab, dass im Idealfall mit jedem Schuss des Lasers ein Streubild entstand. Die Forscher testeten ihre Methode mit dem Röntgenlaser LCLS am Beschleunigerzentrum SLAC in Kalifornien, der 120 Röntgenblitze pro Sekunde liefert. Innerhalb von 14 Minuten untersuchten sie das Bovine Enterovirus 2, das Fehl- und Totgeburten sowie Unfruchtbarkeit bei Rindern auslösen kann, und konnten dessen Struktur schließlich mit einer Detailgenauigkeit von 0,23 Nanometern bestimmen.
In einem nächsten Schritt planen die Wissenschaftler, die Kapazität des Chips mit rund 200 000 Mikroporen etwa zu verzehnfachen und die Scangeschwindigkeit auf bis zu tausend Proben pro Sekunde zu erhöhen. Außerdem soll bei der nächsten Generation des Chips jeweils nur diejenige Mikropore freiliegen, die gerade untersucht wird, um die übrigen Kristalle vor gestreuter Röntgenstrahlung zu schützen. Das neue Verfahren könnte etwa dazu beitragen, neue Medikamente zu entwickeln: „Wenn wir beispielsweise die Struktur eines Proteins kennen, mit dem sich das Virus an eine Zelle ‚anhakt‘, versetzt uns das möglicherweise in die Lage, einen Schutz für die Zelle zu entwickeln, sodass das Virus unfähig ist, sie anzugreifen“, so Teammitglied David Stuart von der University of Oxford in England.
Pressemitteilung des Forschungszentrums DESY
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2017/virus-mit-roentgenlaser-entschluesselt/