„Unabhängig vom Bezugssystem“

Der Vergleich zweier Atomuhren bestätigt eine grundlegende Hypothese der Speziellen Relativitätstheorie.

Jana Harlos

Das Foto zeigt einen Laserstrahl, der durch den Versuchsaufbau läuft.

PTB

Die Gesetze der Physik sind überall gleich, so verlangt es Albert Einsteins Spezielle Relativitätstheorie. Egal wo man ein Experiment durchführt und wie man es im Raum ausrichtet, sollten die Ergebnisse also übereinstimmen. Diese Hypothese haben Physiker nun mit zwei optischen Atomuhren an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig getestet, deren Ticken sie über einen Zeitraum von sechs Monaten miteinander verglichen. In der Zeitschrift „Nature” stellen die Wissenschaftler nun das Resultat dieses Langzeitversuchs vor. Welt der Physik sprach darüber mit Teammitglied Nils Huntemann.

Welt der Physik: Mit welchem Aspekt der Speziellen Relativitätstheorie haben Sie sich beschäftigt?

Nils Huntemann: Wir haben uns mit der sogenannten Lorentz-Symmetrie beschäftigt. Dieses Prinzip besagt, dass insbesondere Licht im Vakuum immer gleich schnell ist, unabhängig von der Ausbreitungsrichtung. Wenn man es noch grundlegender betrachtet, sollte jedes Experiment, das nicht die Gravitation testet, unabhängig von der Wahl des Bezugssystems sein. Demnach würde ein Experiment beispielsweise nach einer Drehung immer noch genau das gleiche Ergebnis liefern. Das ist erst einmal nicht intuitiv, da es den täglichen Erfahrungen widerspricht. Ein Gegenstand fällt immer gen Erdboden, egal aus welcher Perspektive ich ihn betrachte, aber das wäre eben ein gravitatives Experiment.

Gilt die Lorentz-Symmetrie denn für alle Experimente, die nicht die Effekte der Gravitation untersuchen?

Das ist nicht ganz klar. So könnten manche Experimente mit schnell bewegten Teilchen abhängig von der Ausrichtung im Raum sein. Das ist zumindest eine mögliche Verletzung der Lorentz-Symmetrie im Rahmen der sogenannten Quantengravitation. Diese Theorie bringt die Quantenmechanik, die das Kleine beschreibt, mit der Allgemeinen Relativitätstheorie, die das Große beschreibt, zusammen. In unserem Experiment haben wie nun getestet, ob wir diese Verletzung für Elektronen nachweisen können.

Die Illustration zeigt eine runde Scheibe. Darauf befindet sich der experimenteller Aufbau.

Aufbau des Experiments

Wie haben Sie das gemacht?

Wir haben zwei optische Atomuhren auf Basis von einzelnen Ytterbiumionen genutzt. Führt man diesen Ionen durch Laserlicht zusätzliche Energie zu, bewegen sich die Elektronen im angeregten Zustand in der Atomhülle vorzugsweise in eine bestimmte Richtung. Man kann sich das in etwa so vorstellen, als wären die Elektronen in einen Kasten gesperrt, der auf einer Seite länger ist als auf der anderen. Dieser Kasten lässt sich nun in eine bestimmte Richtung drehen und die Energien der Elektronen lassen sich darin messen. Die Messergebnisse sollten gemäß der Lorentz-Symmetrie für alle Ausrichtungen im Raum übereinstimmen.

Wie haben Sie das in Ihrem Experiment untersucht?

Wir haben die beiden Atomuhren senkrecht zueinander ausgerichtet. Da wir nicht das gesamte Experiment drehen konnten, haben wir einfach die Rotation der Erde genutzt. Wir haben diesen Versuch über sechs Monate hinweg durchgeführt. Hätte die Ausrichtung im Raum einen Einfluss auf das Experiment, würden die Atomuhren abhängig von der Erddrehung unterschiedlich schnell ticken.

Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

Im Rahmen der Genauigkeit haben wir keinen solchen Unterschied zwischen den Uhren festgestellt. 2015 haben Forscher bereits ein ähnliches Experiment mit Kalziumionen durchgeführt und ebenfalls keinen Unterschied festgestellt. Unser Ergebnis ist nun allerdings hundertmal genauer. Neben der Lorentz-Symmetrie haben wir aber auch direkt die Genauigkeit unserer beiden optischen Atomuhren getestet. Denn wir haben den Vergleich mit zwei sehr unterschiedlich aufgebauten Ytterbium-Uhren durchgeführt.

Forscher mit Schutzbrille arbeitet am Experiment.

Justieren des Abfragelasers

Inwiefern unterscheiden sich die Uhren?

Die beiden Atomuhren wurden nicht nur von unterschiedlichen Personen aufgebaut, sie sind auch jeweils anders konstruiert. Zudem nutzt man verschiedene Software, um das Experiment zu steuern. Dennoch stimmen die Frequenzen der Uhren extrem gut überein: Erst nach etwa zehn Milliarden Jahren würden diese Uhren um eine Sekunde voneinander abweichen. Damit sind die Uhren knapp hundertmal genauer als die Uhren, mit denen wir derzeit die Dauer einer Sekunde festlegen.

Warum verwenden Sie ausgerechnet Ytterbium für die Atomuhren?

Dieses Element eignet sich besonders gut für Experimente, mit denen sich fundamentale Theorien überprüfen lassen. So ist beispielsweise die Frequenz, mit der die Uhren ticken, stark abhängig vom Wert der sogenannten Feinstrukturkonstante. Durch wiederholten Vergleich mit anderen Atomuhren lässt sich prüfen, ob sich diese Konstante nicht doch mit der Zeit ändert.

Werden Sie auch die Lorentz-Symmetrie weiterhin im Blick haben?

Ja, mit noch genaueren Atomuhren ließen sich weitere Tests der Lorentz-Symmetrie durchführen. Denn es ist durchaus möglich, dass wir Verletzungen der Lorentz-Symmetrie erst finden können, wenn die Experimente zehnmal oder hundertmal genauer wären. Zu diesem Zeitpunkt können wir nur sagen, dass wir mit unserer Genauigkeit keine Vorzugsrichtung nachweisen konnten beziehungsweise eine Verletzung der Lorentz-Symmetrie ausschließen können.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2019/unabhaengig-vom-bezugssystem/