Das Innere von Neutronen

An einem Teilchenbeschleuniger erlangten Forscher neue Erkenntnisse über die komplexe innere Struktur von Neutronen.

Dirk Eidemüller

Querschnitt durch den BESIII-Detektor: Von einem zentralen Punkt führen zahlreiche Kabel nach außen.

BESIII Collaboration

Alle Atome, aus denen sich die uns bekannte Materie zusammensetzt, bestehen aus Neutronen und Protonen im Atomkern und aus Elektronen in der Atomhülle. Während Elektronen bereits zu den fundamentalen Elementarteilchen zählen, setzen sich Neutronen und Protonen jeweils aus drei weiteren Teilchen zusammen – den sogenannten Quarks. Doch wie sich die Quarks innerhalb der Kernbausteine genau anordnen, ist noch nicht vollständig geklärt. In einem neuen Experiment untersuchten Forscher nun die innere Struktur von Neutronen nochmals genauer und fanden dabei ein überraschendes Verhalten, wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Nature Physics“ berichten.

Die drei Quarks im Inneren von Protonen und Neutronen sind ständig in Bewegung und sorgen so für eine komplexe innere Struktur, die bis heute nur teilweise verstanden ist. Protonen sind besser untersucht, da man die positiv geladenen Teilchen in Teilchenbeschleunigern etwa gegen Elektronen schießen kann, um den inneren Aufbau zu analysieren. Dabei werden die Elektronen von den Quarks im Inneren der Protonen abgelenkt, da auch die Quarks eine elektrische Ladung tragen. Aus der Ablenkung lässt sich dann auf die Ladungsverteilung der Quarks und damit auf ihre Anordnung schließen. Mit Neutronen geht das allerdings nicht, da sie keine elektrische Ladung besitzen und sich daher nicht in Teilchenbeschleunigern beschleunigen lassen.

Die BESIII-Kollaboration hat die innere Struktur von Neutronen nun auf eine andere Art und Weise untersucht: Mit dem Teilchenbeschleuniger des Institute of High Energy Physics der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking schossen die Forscher einen Strahl aus Elektronen und einen Strahl aus Positronen – den positiv geladenen Antiteilchen der Elektronen – aufeinander. Bei der Kollision der zwei Teilchen wurde genug Energie frei, sodass neue Teilchen – insbesondere Neutronen – entstanden, die wiederum charakteristische Spuren im BESIII-Detektor hinterließen.

Mithilfe dieser Detektordaten untersuchten die Forscher der BESIII-Kollaboration nun die innere Ladungsverteilung und damit auch die Anordnung der Quarks im Inneren der Neutronen genauer. Dabei entdeckten die Forscher einen interessanten Effekt: Die elektrischen Felder innerhalb von Neutronen, die durch die Bewegung der Quarks entstehen, oszillieren periodisch, wenn man sie mit zunehmender Energie vermisst. Neutronen weisen in ihrem Inneren also unterschiedlich starke und periodisch abwechselnde Muster auf, wenn sie mit Teilchen wachsender Energie interagieren. Auch für Protonen war ein ähnlicher Effekt bereits bekannt.

Diese Ergebnisse sind für verschiedene Fragen in der Grundlagenforschung relevant: Sie betreffen nicht nur das Verständnis von schweren Atomkernen, in denen viele Neutronen zusammengeballt sind, sondern auch von Neutronensternen. Somit ist die neue Erkenntnis über die innere Struktur von Neutronen auch für die Interpretation von Gravitationswellensignalen relevant, die aus der Kollision von Neutronensternen stammen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2021/das-innere-von-neutronen/