Neues Kühlverfahren für Atome
Dirk Eidemüller
Sinkt das Thermometer auf etwa minus 273 Grad Celsius, ist der absolute Nullpunkt der Temperatur erreicht. Nichts bewegt sich mehr – alle Teilchen sind vollständig eingefroren. Doch dieser Nullpunkt lässt sich nie perfekt erreichen und Stoffe auch nur annähernd auf diese Temperatur abzukühlen, ist bereits schwierig. Nun hat ein Forscherteam von der Universität Singapur ein neues Verfahren vorgestellt, mit dem sich eine ganze Klasse von Atomen erstmals in diesen Bereich herunterkühlen lässt: Für die Atome aus der dritten Hauptgruppe des Periodensystems der Elemente gab es bislang keine vergleichbare Kühlmethode, berichten die Forscher im Fachblatt „Physical Review A“.
Die Temperatur definiert sich physikalisch über die Bewegung kleinster Teilchen: Je weniger sich etwa Moleküle oder Atome in einem Gas oder einer Flüssigkeit umher bewegen oder an ihrer Position in einem Feststoff schwingen, desto geringer ist die Temperatur. Am absoluten Nullpunkt kommt diese Bewegung vollständig zum Erliegen. Doch je näher man in einem Experiment an diesen Zustand gelangt, desto aufwendiger wird es, die Atome immer weiter abzustoppen.
Um dies jedoch zu erreichen, nutzt man magneto-optische Fallen. In diesen besonderen Aufbauten aus Lasern und magnetischen Feldern strahlt man mit intensiven Lasern auf eine Atomwolke, wobei die Frequenz der Laserstrahlen leicht unterhalb einer Anregungsfrequenz der Atome liegt. Fliegen die Atome auf den Laserstrahl zu, werden sie abgebremst. Dies wird immer wieder wiederholt, wodurch sich die Atome schrittweise bis nahe an den absoluten Nullpunkt abbremsen lassen.
Dieses Standardverfahren ist zwar mittlerweile gut etabliert, funktioniert allerdings nicht bei allen Atomsorten – insbesondere nicht bei Elementen der dritten Hauptgruppe, zu denen die Elemente Indium, Bor, Aluminium, Gallium und Thallium gehören. Um Indiumatome so stark abzukühlen, entwickelten Travis Nicholson und sein Team ein neues Verfahren, bei dem sie mit verschiedenen stärker schwingenden Indiumatomen arbeiteten. Dazu mussten sie alle Komponenten eigens für ihr neues Experiment herrichten. Mit diesem Aufbau gelang es ihnen, ein Gas aus rund 500 Millionen Indiumatomen einzufangen. Diese Atomwolke kühlten sie dann durch eine geschickte Kombination von Laserstrahlen.
Wie die Autoren betonen, lässt sich ihr Kühlschema im Prinzip auf alle anderen Atome der dritten Hauptgruppe anwenden. Das dürfte sich auch für andere Experimente als hilfreich erweisen. Denn bei sehr tiefen Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt treten zahlreiche besondere Quantenphänomene wie etwa Supraleitung auf. Da sich nun eine ganze Gruppe von Atomen bis in diese Regionen herunterkühlen lässt, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis eine Reihe von Forschungsgruppen weltweit diese Methode einsetzen – zum Beispiel für die Entwicklung zukünftiger Atomuhren.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2022/tieftemperaturphysik-neues-kuehlverfahren-fuer-atome/