Auch Antimaterie fällt nach unten
Rainer Kayser und Redaktion
Auch Antimaterie wird von der Erde angezogen. Das zeigen Experimente am Forschungszentrum CERN in der Nähe von Genf. Dort hat ein Forschungsteam Antiwasserstoffatome produziert und beobachtet, wie sich die Schwerkraft auf sie auswirkt. Genau wie die Atome von gewöhnlichem Wasserstoff bewegten sich die meisten Antiwasserstoffatome durch die Erdanziehung nach unten. Eine von manchen Fachleuten vorgeschlagene abstoßende Wirkung von Antimaterie könne daher ausgeschlossen werden, so die Physikerinnen und Physiker im Fachblatt „Nature“.
Was ist Antimaterie?
Antimaterie – das Gegenstück zur gewöhnlichen Materie – besteht aus „Antiteilchen“, die uns bekannten Teilchen nahezu gleichen. Jedoch sind die Ladungen denen gewöhnlicher Teilchen entgegengesetzt. Die Atome der Antimaterie, auch Antiatome genannt, sind also nicht aus Neutronen, positiv geladenen Protonen und negativ geladenen Elektronen aufgebaut. Stattdessen bestehen sie aus Antineutronen, negativ geladenen Antiprotonen und Positronen – den positiv geladenen Gegenstücken der Elektronen.
Beim Urknall sollten, so die Theorie, Teilchen und Antiteilchen in gleichen Mengen entstanden sein. Warum unsere heutige Welt jedoch aus Materie besteht und was mit der Antimaterie passiert ist, stellt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch vor ein Rätsel. Um es zu lösen, führen Forschende etwa am CERN Experimente mit künstlich erzeugtem Antiwasserstoff durch. Dieses ist das einfachste Atom der Antimaterie und besteht aus einem Antiproton und einem Positron.
In dem aktuellen Experiment gingen die Forschenden jetzt der Frage nach, ob Antiwasserstoff ebenso von der Schwerkraft der Erde angezogen wird wie normaler Wasserstoff. „Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie sagt voraus, dass dies der Fall sein sollte“, erläutert der am Experiment beteiligte Teilchenphysiker Jonathan Wurtele von der University of California. Doch bislang habe man noch nie direkt beobachtet, wie Antiatome durch die Schwerkraft nach unten fallen, erläutert er weiter.
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Wie wirkt die Schwerkraft auf Antiwasserstoffatome?
Um das zu ändern, produzierte das Team der ALPHA-Kollaboration am CERN mithilfe eines Teilchenbeschleunigers Antiprotonen. Zusätzlich benötigten sie Positronen, an die sie aus einem radioaktiven Zerfall künstlich erzeugter Natriumatome gelangten. Diese hielten sie durch eine magnetische Falle an Ort und Stelle, kombinierten sie dort mit den Antiprotonen und erzeugten so schließlich Antiwasserstoff. Indem die Physikerinnen und Physiker nun das Magnetfeld, das den Antiwasserstoff festhielt, gezielt abschwächten, setzten sie die Antiatome kontrolliert der irdischen Schwerkraft aus.
Etwa 80 Prozent der Antiatome, so das Ergebnis, verließen in dem Experiment die magnetische Falle am unteren Ende, fielen also durch die Schwerkraft nach unten. Das entspricht dem theoretisch vorhergesagten Wert, wenn die Anziehungskraft auf Antimaterie genauso wirkt wie auf Materie. Dass Gravitation Antimaterie abstößt, schloss das Team somit aus.
Dennoch sehen die Forschenden ihr Experiment nur als ersten Schritt. Technisch könne man nun Antiwasserstoff genau genug kontrollieren, um den Einfluss der Schwerkraft zu untersuchen, sagt ALPHA-Sprecher Jeffrey Hangst. „Jetzt wollen wir möglichst genau messen, wie stark die Schwerkraft die Antiatome beschleunigt.“ Vielleicht findet sich dort doch noch eine Abweichung zur normalen Materie – und damit eine Erklärung dafür, warum keine Antimaterie im Kosmos zu finden ist.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2023/teilchenphysik-auch-antimaterie-faellt-nach-unten/