Wie schwer ist ein Neutrino?

M. Zacher/KATRIN Coll.
Jede Sekunde durchqueren Milliarden Neutrinos die Erde und auch unseren Körper. Das ist ungefährlich, denn die winzigen Teilchen reagieren so gut wie nie mit Atomen oder Molekülen. Eine Eigenschaft der Neutrinos ist allerdings noch ein Rätsel: ihre Masse. Nun zeigten Teilchenphysikerinnen und -physiker, dass Neutrinos höchstens 0,45 Elektronenvolt – das entspricht etwa 8⋅10-34 Gramm – wiegen. Wie das Team in der Fachzeitschrift „Science“ berichtet, ist ein Neutrino damit über eine Million Mal leichter als ein Elektron.
Das Neutrino – eines der bekannten Elementarteilchen – kommt in mehreren Varianten vor und sollte laut dem Standardmodell der Teilchenphysik masselos sein. Doch seit 1987 haben immer mehr Experimente gezeigt, dass sich die drei Arten des Teilchens – das Elektron-, das Myon- und das Tau-Neutrino – ineinander umwandeln können. Und für diesen Prozess – die Neutrino-Oszillation – ist zumindest ein wenig Masse notwendig.
Über Umwege zur Neutrinomasse
Um die Masse zu bestimmen, ist seit 2018 die weltweit genaueste Waage für Neutrinos in Betrieb. Sie trägt den Namen KATRIN und befindet sich in Karlsruhe. Doch KATRIN – das KArlsruhe TRItium Neutrino Experiment – ist keine Waage im klassischen Sinne, sondern eine 70 Meter lange Anlage mit einer großen Vakuumkammer, einem speziellen Spektrometer und unzähligen Sensoren. Um der Neutrinomasse auf die Spur zu kommen, nutzen die Forschenden dort Tritium, ein schweres, radioaktives Isotop – also eine Variante von Wasserstoff, die instabil ist und schnell zerfällt. Sein Kern besteht aus einem Proton und zwei Neutronen. Bei dem Beta-Zerfall dieser Wasserstoffvariante wandelt sich ein Neutron in ein Proton um und es entsteht das Heliumisotop 3He. Zugleich entsteht ein Elektron und ein Elektron-Antineutrino, das – ganz typisch für Antiteilchen – die gleiche Masse hat wie ein Elektron-Neutrino.
Unzählige dieser Zerfälle an 259 Tagen von 2019 bis 2021 haben die Forschenden nun analysiert und die Energie von rund 36 Millionen Elektronen nach dem Zerfall bestimmt. Beim Vergleich dieser Energie und der von 3He mit der Ausgangsenergie von Tritium zeigte sich eine winzige Abweichung. Daraus ergab sich die Masse des Elektron-Antineutrinos, die der eines Elektron-Neutrinos entspricht. So ermittelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit 90-prozentiger Sicherheit, dass ein Neutrino höchstens eine Ruhemasse von 0,45 Elektronenvolt hat. Die neuen Ergebnisse grenzen damit die Masse deutlich weiter ein als das bisher genauste Ergebnis, das eine maximale Masse von 0,8 Elektronenvolt ergeben hatte.
Mit diesem Ergebnis geben sich die Forschenden aber noch nicht zufrieden. Ende dieses Jahres werden sie die nächste Messreihe an KATRIN mit einem umfangreichen Datensatz von insgesamt 1000 Tagen abschließen. Dann könnte die höchstmögliche Masse eines Neutrinos sogar noch weiter nach unten korrigiert werden – ein wichtiger Schritt, um die genaue Masse zu bestimmen und die Welt der Elementarteilchen besser zu verstehen.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2025/neutrinowaage-katrin-masse-wie-schwer-ist-ein-neutrino/