„Das klingt ein bisschen nach Zauberei“
Dirk Eidemüller
Physiker diskutierten zu Beginn der 1990er-Jahre erstmals die Idee der Quantenteleportation. Bereits wenig später – im Jahr 1997 – gelang Anton Zeilinger von der Universität Wien und seinen Kollegen der experimentelle Durchbruch: Sie teleportierten einen Quantenzustand – also die quantenmechanischen Eigenschaften eines Teilchens – von einem Ort an einen anderen. Damals handelte es sich um ein sehr einfaches Quantensystem. Seither hat sich auf dem Feld einiges getan. Im Interview mit Welt der Physik spricht Manuel Erhard von der Universität Wien über ein neues Experiment, in dem Wissenschaftler einen sehr komplexen Quantenzustand teleportierten.
Welt der Physik: Was ist eine Quantenteleportation?
Manuel Erhard: Im Gegensatz zu dem Bild, das viele Menschen aus Science-Fiction-Filmen haben, wird dabei nicht Materie von einem Ort zu einem anderen „gebeamt”. Stattdessen bedeutet Quantenteleportation, dass ein bestimmter Quantenzustand von einem Teilchen an einem Ort – etwa einem Atom – auf ein Teilchen an einem anderen Ort übertragen wird. Das Besondere an Quantenzuständen ist, dass sie in sogenannten Überlagerungen vorliegen können – ein Elektron kann sich beispielsweise zugleich in die eine und in die andere Richtung drehen. Auch solche Überlagerungen werden teleportiert. Das Interessante an einer Quantenteleportation ist außerdem, dass der zu übermittelnde Zustand noch nicht einmal bekannt sein muss. Der Zustand des Ursprungsteilchens geht bei der Übertragung verloren und das andere Teilchen nimmt diesen Zustand an.
Wie funktioniert das?
Zur Übertragung nimmt man etwa zwei miteinander verschränkte Lichtteilchen. Solche verschränkten Teilchen haben einen gemeinsamen Quantenzustand, sodass ihre Eigenschaften streng miteinander verknüpft sind. Eines der beiden Lichtteilchen schickt man an den Ort, an den der Quantenzustand letztlich teleportiert werden soll. Das andere geht eine Wechselwirkung mit dem Teilchen am Ursprungsort ein. Dabei überträgt sich die Quanteninformation des Ursprungssystems auf den verschränkten Zustand. Aufgrund der Verschränkung überträgt sich die Information auch auf das Lichtteilchen am Zielort. Das klingt ein bisschen nach Zauberei, ist aber nichts weiter als Quantenphysik.
Lassen sich auf diese Weise auch Kopien der Teilchen erzeugen?
Nein, denn nach dem sogenannten No-Cloning-Theorem ist das nicht möglich. Dieses besagt, dass bei solchen Übertragungen von Quantenzuständen der Originalzustand immer nur genau einmal vorliegen kann – egal an welchem Ort. Das bedeutet gleichzeitig auch, dass Quantenkommunikation im Prinzip völlig sicher sein kann. Denn ein Lauscher kann sich nicht unbemerkt in die Leitung einklinken und Informationen mitschneiden. Da sich Quanteninformationen nicht kopieren lassen, würden die Informationen beim Empfänger fehlen – und er würde sogleich Verdacht schöpfen. In dem Augenblick, in dem das zweite Teilchen mit dem Lichtteilchen wechselwirkt und die Quanteninformation aufnimmt, ist es der einzige Träger dieser Information.
In Ihrem neuen Experiment haben Sie nun einen komplexeren Quantenzustand teleportiert. Welche Eigenschaften hat dieser Quantenzustand?
In den vorangegangen Experimenten haben wir mit sogenannten Qubits gearbeitet. Bei Qubits handelt es sich um binäre Einheiten. Genau wie eine Münze nur Kopf oder Zahl zeigen kann, können klassische Bits nur die Werte 0 oder 1 annehmen. Das Besondere in der Quantenphysik ist nun, dass auch beliebige Überlagerungszustände zwischen 0 und 1 auftreten können. Ein Qubit kann also zugleich ein bisschen 0 und ein bisschen 1 sein. Diese in unserer makroskopischen Welt undenkbare und scheinbar paradoxe Eigenschaft ist eine der großen Eigentümlichkeiten der Quantenphysik. Ein „Qutrit” kann nun noch mehr Zustände aufweisen. Ein normales „Trit” kann die Werte 0, 1 oder 2 annehmen, ein Qutrit auch alle beliebigen Überlagerungen dieser Werte. Das eröffnet eine zusätzliche Dimension, um Informationen zu übermitteln. Wenn man ein Qubit als Quantenversion einer Münze betrachtet, dann ist ein Qutrit so etwas wie die Quantenversion eines Würfels.
Welche Möglichkeiten bringt die Teleportation solcher Zustände?
Ein Würfel hat mehr Seiten als eine Münze. Mit einem einzigen Qutrit lassen sich also mehr Informationen übertragen als mit einem Qubit. Abgesehen von der höheren Informationsdichte sind solche Zustände aber auch robuster als Qubits und verlieren ihren Quantencharakter nicht so schnell durch störende Wechselwirkungen mit der Umgebung. In künftigen Quantennetzwerken könnten Qutrits oder sogar noch höherdimensionale Zustände mit vier oder fünf oder sogar einigen Dutzend verschiedenen Werten eine wichtige Rolle spielen.
Wie lässt sich so etwas realisieren?
Unser Qutrit besteht aus einem Lichtteilchen und drei Glasfasern. Die drei Glasfasern dienen dabei als die drei möglichen Orte, an denen sich das Lichtteilchen aufhalten kann. Das Lichtteilchen kann aber auch an allen drei Orten gleichzeitig sein. Um die Quanteninformation an den Zielort zu teleportieren, nutzen wir wiederum ein verschränktes Photonenpaar. Indem wir die Eigenschaften der Lichtteilchen am Ursprungsort messen, lässt sich die Orientierung des „Qutrit-Würfels” bestimmen. Das verschränkte Lichtteilchen am Zielort lässt sich dann mit der klassischen Information der Lage des „Qutrit-Würfels” so beeinflussen, dass es den Zustand des Ursprungsteilchens annimmt.
Kann man das nur mit Licht oder auch mit anderen Teilchen durchführen?
Ein wichtiges Ziel dieser Forschungsarbeiten ist es, die Quanteneigenschaften nicht nur von Licht, sondern auch von Atomen zu teleportieren. Diese sind durch sehr viel mehr als nur zwei oder drei Werte charakterisiert. Das Schöne an unserem Aufbau ist, dass er von Qutrits auch auf höherdimensionale Kombinationen erweitert werden kann. Wir wollen in den kommenden Jahren daran arbeiten, die Quantenteleportation auf einige Dutzend Dimensionen auszuweiten. Sehr spannend wäre es etwa in Zukunft, einen komplexen Quantenzustand eines Atoms auf ein anderes weit entferntes Atom zu teleportieren.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/quanteneffekte/das-klingt-ein-bisschen-nach-zauberei/