„Lichtteilchen zählen“
Dirk Eidemüller
Photodetektoren messen Licht, indem sie eintreffende Lichtteilchen in ein elektrisches Signal umwandeln. Dabei werden die Lichtteilchen allerdings zerstört. Ein neuartiger Sensor kann nun nicht nur einzelne Photonen zählen – die Teilchen überstehen die Messung auch unbeschadet. Wie das funktioniert, erklärt Tracy Northup von der Universität Innsbruck im Interview mit Welt der Physik.
Welt der Physik: Wie lässt sich Licht messen?
Tracy Northup: Bei normalem Tageslicht schwirren unzählige Lichtteilchen – auch Photonen genannt – umher. Wenn es dunkler wird, nimmt die Anzahl an Lichtteilchen ab, auch wenn die Energie pro Photon gleich bleibt. Das menschliche Auge ist ein hervorragender Lichtsensor, um Lichtteilchen zu messen. Wenn wir uns an die Dunkelheit gewöhnt haben – nach rund einer halben Stunde ohne hellere Lichtquelle –, reichen bereits wenige Photonen, um die Sehzellen so anzuregen, dass wir einen Lichtpunkt erkennen können. Bei manchen Tierarten, vor allem bei nachtaktiven Tieren wie etwa Katzen, reicht sogar ein einziges Photon.
Wie funktionieren technische Lichtsensoren?
Technische Sensoren, sogenannte Photodetektoren, arbeiten ähnlich: Ein einfallendes Photon wird in Materie absorbiert und gibt dabei seine Energie ab. Dieser Prozess wird elektronisch oder chemisch verstärkt, beispielsweise in einer Kamera oder auf einem analogen Film. Doch bei den üblichen Verfahren gehen die Photonen im Detektor verloren. Denn sie verschwinden meist, wenn sie an einem chemischen oder physikalischen Prozess teilnehmen.
Warum ist das ein Problem?
Wenn man nun neuartige Quantensysteme – beispielsweise Quantencomputer oder Quantensensoren – bauen will, möchte man die Zustände in diesen Systemen möglichst wenig stören. Man kann heute schon einzelne Atome oder Moleküle sichtbar machen, die etwa in einer Falle eingesperrt sind. Licht bewegt sich aber immer mit Lichtgeschwindigkeit, deshalb kann man es nicht so leicht einsperren und die Anzahl an Lichtteilchen zählen.
Sie haben nun eine Methode entwickelt, mit der sich Lichtteilchen dennoch zählen lassen. Wie ist das möglich?
Unser Experiment gestaltet sich so: Zunächst senden wir einen Laserpuls durch mehrere starke Filter, sodass schließlich nur noch ein Photon oder nur wenige Photonen übrig bleiben. Diese lenken wir in einen absolut dunklen Hohlraum und lassen sie zwischen zwei beinahe perfekten Spiegeln hin- und herfliegen. In die Mitte zwischen die Spiegel platzieren wir nun ein elektrisch geladenes Kalziumatom. Dieses Atom kühlen wir herunter bis knapp über den absoluten Temperaturnullpunkt und bringen es mit einem Laserpuls in einen speziellen quantenmechanischen Zustand. In diesem Zustand reagiert das Atom auf das Licht, ohne einzelne Photonen zu absorbieren. Mit einem zweiten Laserpuls können wir nun die Eigenschaften des Atoms abfragen. Auf diese Weise können wir die Lichtteilchen im Hohlraum zählen, ohne sie durch die Messung zu zerstören.
Ließe sich das Verfahren auch technisch einsetzen?
Wir arbeiten bei unseren Experimenten mit sehr aufwendigen Apparaturen, denn wir müssen das Kalziumatom einerseits sehr tief kühlen und benötigen außerdem ein Ultrahochvakuum. Der Aufwand, um diese Bedingungen zu erreichen, ist sehr hoch. Und bei den allermeisten Anwendungen kommt es ja gar nicht darauf an, die Photonenzahl zu erhalten.
In welchen Gebieten könnte ihr Photonenzähler dennoch zum Einsatz kommen?
Zur neuesten Quantentechnologie, die unter anderem die Europäische Union mit dem Quanten-Flaggschiff-Projekt verfolgt, sollen insbesondere ultrasensible Quantensensoren und Quantencomputer gehören. Dabei ist es wichtig die Quantenzustände möglichst wenig zu stören. Das sind interessante Einsatzmöglichkeiten für zerstörungsfreie Photodetektoren. Man könnte damit vielleicht auch die Güte von Gravitationswellenobservatorien verbessern, die die Verschmelzung von Schwarzen Löchern und Neutronensternen in den Tiefen des Alls nachweisen.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/quanteneffekte/lichtteilchen-zaehlen/