Entfernungsbestimmungen im Universum – Teil 1: bis zu den Grenzen unserer Milchstraße
Astronomen berichten hemmungslos über gigantische Entfernungen und über die riesigen Dimensionen des Universums. Doch wie sieht der Zollstock der Astronomen aus, das heißt wie messen sie überhaupt solche Entfernungen? Welche Methoden haben sich etabliert? Wie kommen sie dazu, mit großer Sicherheit über solche Entfernungen zu sprechen? Wo liegen die Grenzen der Entfernungsbestimmung?
Galilei und die Parallaxe
Galileo Galilei entdeckte 1609 die großen Monde von Jupiter sowie die Tatsache, dass sie Jupiter in einem regelmäßigen Rhythmus umrunden. Dieser Erfolg gab einen riesigen Anschub für die Vorstellung, dass die Erde um die Sonne kreist (und nicht umgekehrt) und dass die Sonne im Zentrum des Planetensystems steht. Galileis Entdeckung mit dem damals gerade neu entwickelten Teleskop war ein wichtiger Anlass, 2009 zum Jahr der Astronomie auszurufen.
Mit der Sonne im Zentrum und der Erde auf ihrer Umlaufbahn wird ein Stern, von der Erde aus gesehen, im Laufe des Jahres in unterschiedlicher Richtung zu finden sein – genauso wie Ihr Gegenüber am Frühstückstisch sich vor dem Hintergrund der Küchenschränke zu bewegen scheint, wenn Sie den Kopf hin und her bewegen. Das eröffnet die Möglichkeit, die bei der Landvermessung benutzte Methode zur geometrischen Bestimmung der Entfernung eines Objekts einzusetzen. Man peilt ein Objekt an, stellt die Richtung fest, bewegt sich über eine genau messbare Entfernung weiter, peilt das Objekt mit seiner nun anderen Richtung noch einmal an und benutzt die Geometrie des Dreiecks um die Entfernung zu berechnen. So funktioniert die Methode zur Bestimmung der „parallaktischen Entfernung“.
Sterne sind sehr weit entfernt – so weit, dass es nach Galilei noch über 200 Jahre dauerte, bis mit der parallaktischen Methode die Entfernung eines Sterns überhaupt erst bestimmt werden konnte. Das Problem ist folgender Art: Die durch den Erdumlauf erzeugte Änderung der Richtung des Sterns ist so klein, dass es mit den damaligen Teleskopen überhaupt nicht möglich war, diese kleine Änderung zu bestimmen. Um 1836 klappte es dann aber: Die drei unabhängig voneinander arbeitenden Astronomen Otto W. von Struve, Friedrich W. Bessel und Thomas J. Henderson bestimmten die Parallaxen der nahen Sterne Wega, 61 Cygni und \(\alpha\)-Centauri. Der Nachschub an so vermessenen Sternen kam jedoch sehr langsam ins Rollen. Um 1880 waren es nur zwölf Sterne.
Erschwerend zur sehr kleinen Bewegung der Sterne von unter einer Bogensekunde kommt hinzu, dass man eben vorab nicht wissen kann, welcher Stern für die erfolgreiche Anwendung dieser Methode nah genug ist, welchen man also genau beobachten soll. Seit dem Einsatz der Fotoplatte (und seit rund zwanzig Jahren der digitalen CCD-Detektoren) wird systematisch gesucht, um die sehr kleinen halbjährlichen Positionsänderungen aus dem Vergleich der ein halbes Jahr auseinander liegenden Aufnahmen zu finden.
Die parallaktische Bestimmung der Entfernung ist eine schöne Methode. Aber mit der mühseligen Arbeit wurden nur sehr langsam Ergebnisse erzielt. Und so schloss man, dass die meisten Sterne wohl eine viel zu große Entfernung zur Verwendung der parallaktischen Methode haben. Was nun?
Entfernungen mit Hilfe des Hertzsprung-Russell-Diagramms
Um 1900 waren für ausreichend viele Sterne parallaktische Entfernungen bekannt, um die Sterne auch physikalisch sinnvoll miteinander vergleichen zu können. Dieser Vergleich lieferte ein elegantes Diagramm, mit dessen Namen die dabei wichtigen Forscher geehrt wurden: das Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD). In dem Diagramm wird die Menge des empfangenen Lichts, korrigiert für die Entfernung des Sterns, gegen den Spektraltyp (aus einem Spektrum abzulesen) des Sterns aufgetragen. Der Spektraltyp ist etwas vereinfacht gesagt die „Farbe“ des Sterns und ein Maß für die Temperatur an seiner Oberfläche. Mit dem HRD wurde eine eindeutige Anordnung der möglichen Sterneigenschaften (Helligkeit und Oberflächenbeschaffenheit) sichtbar: Die allermeisten Sterne befinden sich in einer sehr kleinen Region dieses Diagramms, auf der sogenannten Hauptreihe.
Sterne haben also genau definierbare Eigenschaften. Insbesondere senden Sterne eines bestimmten Typs immer die gleiche Lichtmenge aus. Wenn man den Typ (mit Hilfe von Spektren) erkennen kann, dann ist genau bekannt, wie viel Licht man von dem Stern bekommen müsste. Sieht man weniger, so ist der Stern weiter entfernt als sein Referenzobjekt, und umgekehrt. Diese Möglichkeit der Entfernungsbestimmung bildet die Basis aller astronomischen Methoden zur Bestimmung der Entfernungen. Wie so oft steckt aber auch hier der Teufel im Detail. Ganz eindeutig ist die Zuordnung zwischen Spektraltyp und Helligkeit nicht, und auch andere Faktoren begrenzen die Genauigkeit dieser Methode.
Veränderliche Sterne
Nun machen wir einen Sprung. Wir gehen zu einer der bekannten Begleitgalaxien der Milchstraße, der Großen Magellanschen Wolke. Alle Objekte dieser kleinen Galaxie sind in ungefähr der gleichen Entfernung von uns. Das ist schön, da man nun alle Objekte der Galaxie unmittelbar miteinander vergleichen kann, um die Einteilung der Sterne des Hertzsprung-Russell-Diagramms in Typen zu testen. In der Praxis der Astronomie führte dies zu einer Verbesserung aller Eichmethoden. Ein besonderer Typ der veränderliche Sterne in der Großen Magellanschen Wolke, die „Cepheiden“, zeigten eine sehr schöne Abhängigkeit der Periode von deren ausgestrahlter Lichtmenge. Je länger die Periode, um so größer ist die Lichtmenge, die vom Stern ausgesandt wird. Damit hatte man eine sogenannte Standardkerze entdeckt. Aus der sehr einfach zu messenden Schwankungsperiode des Sternlichts lässt sich dessen Leuchtkraft ableiten. Und kennt man diese und vergleicht sie mit der beobachteten Helligkeit, dann kennt man die Entfernung: Je dunkler der Stern ist, desto weiter ist er entfernt.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/astronomische-massstaebe/entfernungen-teil1/