Kepler: Die Suche nach einer zweiten Erde

Rainer Kayser

Grafik: Stern mit einigen Planeten

Noch ist unser blauer Planet etwas Besonderes, doch vermutlich nicht mehr lange. Über 500 Planeten haben Astronomen inzwischen bei anderen Sternen entdeckt – und mit dem Satellitenobservatorium Kepler kommen Monat für Monat Hunderte neuer Kandidaten hinzu. Darunter auch Planeten, die der Erde ähneln könnten: Sie besitzen die richtige Beschaffenheit und die richtige Umlaufbahn, um Lebewesen eine Heimat bieten zu können. Die Jagd auf erdähnliche Planeten ist mit Kepler in eine neue Phase getreten.

„Mit Kepler können wir erstmals erdgroße Planeten in der lebensfreundlichen Zone sonnenähnlicher Sterne nachweisen“, erklärt David Koch, stellvertretender Leiter des Kepler-Teams am Ames Research Center der NASA. Ausgestattet mit einem Teleskop mit 1,4 Metern Spiegeldurchmesser und 0,95 Metern freier Öffnung überwacht das am 7. März 2009 gestartete Kepler-Teleskop in einem 105 Quadratgrad großen Himmelsgebiet die Helligkeit von 156.000 Sternen. Denn winzige periodische Helligkeitsschwankungen im Bereich von Hundertstel Prozent können die Anwesenheit von Planeten um einen Stern verraten.

Die überwiegende Mehrheit der Exoplaneten – so nennen Astronomen Planeten bei anderen Sternen – hat sich durch ihre Schwerkraft verraten. Denn genau genommen kreist ein Planet nicht um seinen Stern, sondern Planet und Stern kreisen um ihren gemeinsamen Schwerpunkt. Die resultierende periodische Bewegung des Sterns lässt sich über den Dopplereffekt in der Strahlung nachweisen. Natürlich ist dieser Dopplereffekt umso größer, je massereicher der Planet und je enger die Umlaufbahn ist. Kein Wunder also, dass mit diesem Verfahren zunächst hauptsächlich Riesenplaneten auf engen Bahnen aufgespürt wurden.

Auf die richtige Lage kommt es an

Die Zeichnung zeigt das Weltraumteleskop Kepler mit geöffnetem Objektivdeckel vor dem sternenübersäten Weltraum.  Rechts von Kepler ist die Erde zu erkennen, oben links ist ein fernes Planetensystem dargestellt.

Kepler im All

Bei Kepler setzen die Astronomen auf eine andere Methode: Wenn ein Planet zufällig vor seinem Stern vorüber zieht, dann schwächt er dessen Helligkeit geringfügig ab. Damit es überhaupt zu einem solchen Transit des Planeten kommen kann, müssen wir von der Erde aus natürlich möglichst genau auf die „Kante“ seiner Bahnebene blicken – sonst zieht er unbemerkt oberhalb oder unterhalb des Sterns vorüber. Für einen erdähnlichen Planeten in einer erdähnlichen Umlaufbahn um einen sonnenähnlichen Stern beträgt die Wahrscheinlichkeit dafür etwa 0,5 Prozent. Wenn erdähnliche Planeten im Kosmos häufig vorkommen, sollte Kepler also Hunderte von ihnen entdecken.

Dass das Transit-Verfahren funktioniert, haben bereits vor Kepler zahlreiche Entdeckungen von der Erde aus sowie mit dem am 27. Dezember 2006 gestarteten französischen Satelliten Corot gezeigt. Da Corot nur mit einem 27 Zentimeter großen Teleskop ausgestattet ist, kann der Satellit allerdings nur Planeten bis etwa hinab zum zweifachen Durchmesser der Erde aufspüren. Durch sein Messverfahren kann Corot außerdem nur Planeten mit Umlaufzeiten unterhalb von fünfzig Tagen nachweisen. Die Entdeckung eines Zwillings der Erde ist damit also nicht möglich.

Und auch mit bodengebundenen Fernrohren lassen sich erdähnliche Planeten nicht nachweisen. Denn Turbulenzen in der Atmosphäre führen zu räumlichen und zeitlichen Schwankungen des Brechungsindexes entlang des Lichtwegs – schon mit bloßem Auge ist das daraus resultierende Funkeln der Sterne zu erkennen. „Zwar ist es mit großem technischen Aufwand trotzdem möglich, bei Helligkeitsmessungen eine Genauigkeit von 0,1 Prozent zu erreichen – doch das reicht für einen Nachweis von erdgroßen Planeten nicht aus“, so Koch. Entsprechend konnten Astronomen vom Erdboden aus bislang nur Transits von Riesenplaneten beobachten.

Darstellung des Kepler-11-PlanetensystemsKepler: Die Suche nach Exoplaneten

Bilderstrecke: Die bisherigen Ergebnisse von Kepler

Ein weiteres Problem ist, dass vom Erdboden aus keine kontinuierliche Überwachung eines Sterns möglich ist: Der Wechsel von Tag und Nacht, Mondschein und schlechtes Wetter führen zu Beobachtungslücken, in denen die nur wenige Stunden dauernden Transits leicht verschwinden können. Selbst ein Satellitenteleskop in der Erdumlaufbahn löst dieses Problem nicht vollständig, da die Erde immer wieder einen großen Teil des Himmels verdeckt. Kepler umkreist deshalb nicht die Erde, sondern folgt der Erde auf einer eigenständigen Umlaufbahn um die Sonne.

Die Entdeckung einer einzigen Helligkeitsschwankung bei einem Stern reicht noch nicht aus, um auf einen Planeten zu schließen. Denn Sterne weisen auch natürliche Helligkeitsvariationen auf, etwa durch „Sternflecken“ – kühlere Regionen auf ihrer Oberfläche, wie wir sie auch von der Sonne her kennen. Doch Planetentransits erzeugen stets exakt die gleiche Verminderung der Helligkeit, die sich zudem streng periodisch wiederholt. Dadurch lassen sie sich eindeutig von anderen Phänomenen unterscheiden.

Aus der Stärke der Lichtabschwächung können Forscher dann die Größe des Planeten ermitteln. Die Periode der Transits liefert den Astronomen außerdem zusammen mit der Masse des Sterns über das dritte Keplersche Gesetz die Größe der Umlaufbahn. Da sich die Temperatur des Sterns aus seinem Strahlungsspektrum ablesen lässt, können die Wissenschaftler sogar die Oberflächentemperatur des Planeten abschätzen – und somit eine Aussage darüber machen, ob er lebensfreundlich ist oder nicht.

Schneller Erfolg

Bereits in den ersten sechs Wochen seines Messbetriebs hat Kepler fünf neue Planeten aufgespürt. Es handelte sich um „heiße Jupiter“, massereiche Planeten auf extrem engen Umlaufbahnen. Im Januar 2011 gab das Kepler-Team dann die Entdeckung eines Planeten mit dem 1,4-fachen Durchmesser der Erde bekannt.

Anfang Februar 2011 schließlich wurden die Ergebnisse der ersten fünf Beobachtungsmonate veröffentlicht: 1250 neue Planeten-Kandidaten, darunter 54 Objekte, die ihre Bahnen in der bewohnbaren Zone ziehen, dort also, wo es flüssiges Wasser und damit auch Leben geben könnte. Fünf davon sind von vergleichbarer Größe wie unsere Erde.

Wie viele erdähnliche Planeten Kepler letztlich finden wird, wissen die Forscher natürlich noch nicht – die Schätzungen reichen von einigen wenigen bis zu mehreren Hundert. In jedem Fall wird Kepler die Frage beantworten, ob unser blauer Planet eine große Ausnahme im Kosmos ist oder ob er eine Vielzahl von Zwillingsgeschwistern besitzt.

Bilderstrecke: Grafiken und Bilder zu Kepler

Darstellung des Kepler-11-PlanetensystemsKepler: Die Suche nach Exoplaneten

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/exoplaneten/kepler/