Entstehung und Entwicklung von Galaxien
Franziska Konitzer
Rund zweihundert Milliarden Galaxien existieren im Universum, so schätzt man. Form und Farbe dieser Sternansammlungen verraten viel über ihr Alter und ihre Entwicklungsgeschichte. Franziska Konitzer sprach mit Thorsten Naab vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching darüber, was Astronomen inzwischen alles über Galaxien wissen.
In einer klaren Nacht sind am Himmel nicht nur unzählige Sterne zu beobachten. Schaut man im Sternbild Andromeda genauer hin, lässt sich ein verschwommener Lichtfleck erkennen: der Andromedanebel. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um eine diffuse Gas- oder Staubwolke, sondern um eine Galaxie – ähnlich dem Milchstraßensystem. Zu diesem Schluss kam erstmals der Astronom Edwin Hubble im Jahr 1923. Inzwischen ist bekannt, dass die Milchstraße und der Andromedanebel nur zwei von Milliarden von Galaxien sind und dass es unterschiedliche Arten von Galaxien gibt.
Thorsten Naab: „Also es gibt große Galaxien, die wir ‚Giant Galaxies‘ nennen. Diese elliptischen Galaxien sind die größten im Universum. Darüber hinaus gibt es Spiralgalaxien sowie kleinere Galaxien. Das sind Zwerggalaxien, und diese besitzen viel weniger Masse, also viel weniger Sterne. Man nennt sie auch irreguläre Galaxien. Ein Beispiel dafür sind die Große und die Kleine Magellansche Wolke. Das sind Satellitengalaxien der Milchstraße und die haben viel weniger Masse als die Milchstraße selbst.“
Als theoretischer Astrophysiker erforscht Thorsten Naab die Galaxieentstehung und -entwicklung anhand von Computermodellen. Eine Galaxie ist dabei grundsätzlich definiert als eine durch Schwerkraft zusammengehaltene Ansammlung von Materie, also von Gas, Staub, Planeten und Sternen. Form und Farbe dieser Systeme geben den Forschern Hinweise auf das Alter der Galaxie.
„Die elliptischen Galaxien sind sehr alte Galaxien. Sie bestehen typischerweise aus massearmen Sternen, weil die massereichen Sterne alle schon explodiert sind. Das Licht von massearmen Sternen ist rot, weshalb auch diese elliptischen Galaxien eher rötlich sind. Spiralgalaxien hingegen sind sehr blau, da es dort noch sehr viele junge Sterne gibt. Dort findet auch noch aktive Sternentstehung statt, wie zum Beispiel in den Spiralarmen der Milchstraße.“
Das Milchstraßensystem ist eine Spiralgalaxie, genau wie die benachbarte Andromedagalaxie. Schätzungen zufolge gibt es insgesamt rund zweihundert Milliarden Galaxien im Universum. Die meisten davon sind jüngere Spiralgalaxien. Der nächstgrößere Anteil entfällt auf die älteren elliptischen Galaxien. Doch wie alt ist alt? Der Urknall, also der Anfang des Universums, hat sich vermutlich vor rund 13,7 Milliarden Jahren ereignet. Kurz nach dem Urknall war das gesamte Universum angefüllt mit heißem Gas, hauptsächlich Wasserstoff und Helium. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Sterne, geschweige denn Galaxien.
„Die ersten Galaxien bildeten sich schon sehr früh nach dem Urknall. Betrachtet man die kosmische Sternentstehungsrate, also wann in der Entwicklung des Universums die meisten Sterne entstanden, dann gibt es vor ungefähr zehn Milliarden Jahren einen Höhepunkt. Es wird angenommen, dass sich – relativ gesehen – zu diesem Zeitpunkt die meisten Sterne gebildet haben und auch hauptsächlich die massereichen Galaxien.“
Mit dem Weltraumteleskop Hubble spürten Astronomen die bislang ältesten Galaxien auf: Vermutlich entstanden diese lediglich rund fünfhundert Millionen Jahre nach dem Urknall. Das deutet darauf hin, dass die ersten Galaxien sehr schnell entstanden.
„Wir wissen, dass es vor zehn Milliarden Jahren schon Galaxien mit 1011 Sonnenmassen gab. Das ist ungefähr zehnmal schwerer als die Milchstraße. Diese Galaxien existierten zu diesem Zeitpunkt aber schon. Deshalb vermuten wir, dass sich diese Galaxien in sehr überdichten Gebieten befinden, wo die Prozesse der Sternentstehung und des Kollapses sehr, sehr schnell voranschreiten und die daher ihre Entwicklung schon relativ früh abgeschlossen haben.“
Die frühen Systeme besaßen eine flache und spiralartige Form. Astrophysiker erklären diese Struktur mithilfe der Dunklen Materie – jener unsichtbaren Materie, die mit normaler Materie nur über ihre Schwerkraft in Wechselwirkung tritt.
„Wir stellen uns vor, dass jede Galaxie von einem Dunkle-Materie-Halo umgeben ist. Und innerhalb dieses Dunklen-Materie-Halos kann dort Gas einfallen, das seinerseits Energie in Form von Strahlung abgibt. Das Gas fällt also ins Zentrum, aber sein Drehimpuls kann nicht einfach abgegeben werden. Daher fällt das Gas ins Zentrum, kühlt ab und bildet eine dünne Scheibe. Wenn in dieser dünnen Scheibe die Gasdichte hoch genug ist, dann können sich dort Sterne bilden.“
Während in Spiralgalaxien wie dem Milchstraßensystem die Sternentstehungsrate rund drei Sonnenmassen pro Jahr beträgt, bilden sich in elliptischen Galaxien so gut wie keine Sterne mehr. Bis vor einigen Jahren nahmen Forscher an, elliptische Galaxien entstünden ausschließlich durch das Verschmelzen zweier Spiralgalaxien. Auch das Milchstraßensystem könnte in ferner Zukunft Teil einer neuen Galaxie werden: Die Andromedagalaxie und unsere Galaxis befinden sich nämlich auf Kollisionskurs. Allerdings vergehen noch mindestens fünf Milliarden Jahre, bis die beiden Systeme vielleicht einmal aufeinandertreffen. Aus solchen Zusammenstößen gehen hauptsächlich masseärmere elliptische Galaxien hervor.
„Wir glauben nicht, dass alle elliptischen Galaxien auf diese Weise entstehen. Der Grund sind relativ spektakuläre Beobachtungen in den letzten Jahren. Man hat nämlich vor etwa zehn Milliarden Jahren Populationen von elliptischen Galaxien gefunden, die sehr massereich, aber schon sehr kompakt sind. Wahrscheinlich werden diese noch sehr viel größer, bis sie unserer heutigen Population entsprechen. Und dieser Größenzuwachs kann nicht durch eine Verschmelzung von Spiralgalaxien erklärt werden.“
Die massereichen elliptischen Galaxien sind stattdessen aufgrund ihrer enormen Schwerkraft gewachsen. Sie haben sich kleinere Galaxien sozusagen einverleibt und verschmolzen mit ihnen. Dieses Szenario erklärt auch ihre Form.
„Die elliptische Form kommt daher, dass sich diese Galaxien hauptsächlich dadurch bilden, dass Sternsysteme miteinander verschmelzen, die relativ wenig Gas haben. Scheibengalaxien können nur dann entstehen, wenn sehr viel Gas im System ist. Wenn aber diese verschmelzenden Systeme aus sehr vielen Sternen entstehen, dann ist das Verschmelzungsprodukt rund.“
Zwar haben Forscher inzwischen die groben Abläufe bei der Galaxieentstehung verstanden. Durch Beobachtungen erhalten sie aber nur Momentaufnahmen, die es zu verbinden gilt. Dabei helfen Computersimulationen, mit denen sich eine Galaxie über Jahrmilliarden Jahre hinweg verfolgen lässt – vom Gaskollaps in einer Ansammlung Dunkler Materie über den Höhepunkt der Sternentstehungsrate bis hin zur Verschmelzung mit anderen Galaxien. Anhand dieser Modelle können Forscher auch ein wenig in die kosmische Zukunft schauen: Demnach verschmelzen immer mehr Galaxien miteinander und bilden elliptische Galaxien. Der Mangel an freiem Gas führt letztlich dazu, dass keine neuen Sterne mehr entstehen können. Das Universum der fernen Zukunft wird also ein völlig anderes sein als das heutige, voller elliptischer Galaxien und erfüllt vom rötlichen Licht alter Sterne.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/galaxien-und-galaxienhaufen/galaxienentstehung-und-entwicklung/