Kosmische Magnetfelder
Franziska Konitzer
Mitte des vergangenen Jahrhunderts entdeckten Astronomen, dass die Galaxis von einem ausgedehnten Magnetfeld durchzogen ist. Welche Rolle dieses kosmische Magnetfeld bei der Entwicklung des Milchstraßensystems spielte und spielt, ist noch weitgehend unklar. Im Podcast von Welt der Physik sprach Rainer Beck vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn über die Erforschung solcher galaktischen Magnetfelder.
Auch außerhalb von Sternsystemen und weit jenseits anderer Materie lässt sich in der gesamten Galaxis ein Magnetfeld nachweisen. Zwar würde sich keine Kompassnadel im All danach ausrichten – es ist millionenfach schwächer als das Erdmagnetfeld. Dafür erstreckt es sich aber über Zehntausende von Lichtjahren.
Rainer Beck: „Anfang des 20. Jahrhunderts hat der Ingenieur Karl Jansky erstmals beobachtet, dass die ganze Milchstraße eine starke Quelle von Radiostrahlung ist. Allerdings wusste er damals nicht, was er da eigentlich beobachtet hat. Der deutsche Astronom Karl-Otto Kiepenheuer in Freiburg hat Anfang der 1950er-Jahre einen wichtigen Beitrag zu dieser Frage geliefert: Er hat die Radiostrahlung nämlich dadurch erklärt, dass sich geladene Teilchen um Magnetfelder herumbewegen und dabei eben diese starke Radiostrahlung aussenden.“
Um diese Radiowellen einzufangen, nutzen Rainer Beck und seine Kollegen das Radioteleskop in Bad Münstereifel-Effelsberg. Aus der Stärke der Strahlung können sie direkt auf die Stärke des Magnetfeldes schließen. Darüber hinaus ist die Schwingungsrichtung der Strahlung, die sogenannte Polarisation, abhängig von der Richtung des Magnetfelds. Je höher der Polarisationsgrad, desto geordneter ist das Magnetfeld. Ein Magnetfeld, in dem alle Feldlinien in die gleiche Richtung zeigen, würde einen Polarisationsgrad von 75 Prozent hervorrufen.
„Wir empfangen Strahlung, deren Polarisationsgrad bis zu fünfzig Prozent beträgt. Das heißt, dass es tatsächlich Regionen im Milchstraßensystem gibt, in denen das Magnetfeld fast vollständig ausgerichtet ist. Diese Entdeckung haben wir hier am Max-Planck-Institut für Radioastronomie mit unserem Teleskop in Effelsberg schon vor etlichen Jahren gemacht. Das war damals völlig unerwartet. Niemand hatte damit gerechnet, dass in einem Milchstraßensystem derartig stark ausgerichtete Magnetfelder überhaupt existieren könnten.“
Wollen Astronomen die Struktur des kosmischen Magnetfelds von der Erde aus vermessen, stehen sie allerdings vor einem Problem. Denn unser Sonnensystem befindet sich mitten in diesem Magnetfeld.
„Es ist fast völlig hoffnungslos, die Struktur des Magnetfelds in unserer eigenen Milchstraße zu bestimmen. Wir müssen also Galaxien suchen, die so ähnlich aussehen wie unsere Milchstraße und stattdessen deren magnetische Strukturen vermessen.“
Beobachtungen zeigen, dass die Magnetfelder von anderen Spiralgalaxien spiralförmig sind. Die sogenannte Dynamotheorie kann diese Form erklären.
„Die Dynamotheorie besagt, dass aus der Bewegungsenergie eines rotierenden Milchstraßensystems elektromagnetische Energie abgezweigt wird. Konkret bedeutet das, dass ein signifikanter Anteil der Rotationsenergie in magnetische Energie umgewandelt wird. Die Struktur des Magnetfelds muss aber so ausfallen, dass die sogenannte Divergenzfreiheit gewährleistet ist: Die Magnetfeldlinien müssen in sich geschlossen sein. Das ist beispielsweise bei einem ringförmigen Magnetfeld der Fall, aber auch bei einem spiralförmigen Magnetfeld.“
Ein spiralförmiges Magnetfeld in einer Spiralgalaxie – kann das Zufall sein?
„Die Spiralstruktur ist eine inhärente Eigenschaft von großräumigen Magnetfeldern, das hat mit den Spiralarmen im Milchstraßensystem zunächst überhaupt nichts zu tun.“
Es bleibt die Frage, wie solche großräumigen Magnetfelder überhaupt entstehen konnten. Denn Magnetfelder werden durch geladene Ströme erzeugt – und in keiner Galaxie lassen sich elektrische Ströme beobachten, die groß genug wären, um derartig ausgedehnte Magnetfelder zu erzeugen. Allerdings gibt es in Galaxien viele kleine elektrisch geladene Gasströme.
„Kleine elektrische Ströme werden von geladenen Teilchen in Plasmawolken erzeugt. Die Teilchen steigen beispielsweise aus dem Inneren der Sonne auf – oder auch aus der Milchstraße in den Halo. Dadurch ändert sich der Druck und diese Plasmawolken expandieren. Die sogenannte Corioliskraft sorgt dann für die Verdrehung dieser Plasmawolken und hängt von der allgemeinen Rotation des Objekts ab.“
Unzählige kleine Magnetfelder überlagern sich so zu einem großen, kosmischen Magnetfeld. Einmal erzeugt, sind Magnetfelder praktisch unzerstörbar und können Milliarden von Jahren überdauern. Obwohl sie relativ schwach sind, nehmen sie Einfluss auf die Entwicklung ihrer Galaxie – beispielsweise, was die Sternentstehung angeht.
„Sie behindern einerseits die Sternentstehung dadurch, dass die Staub- und Gaswolken, aus denen sich Sterne entwickeln, durch Magnetfelder stabilisiert werden. Die Magnetfelder hindern die Gaswolken daran, zu kollabieren und sorgen so dafür, dass in Milchstraßensystemen die Rate der Sternentstehung auf einem relativ niedrigen Niveau gehalten wird. Wenn das nicht so wäre, hätten alle Milchstraßensysteme ihren Gasvorrat bereits in Sterne umgewandelt – und das ist offensichtlich nicht der Fall.“
Andererseits kann das Magnetfeld die Sternentstehung aber auch fördern.
„Wenn eine Gaswolke aber instabil wird, kann sich das Magnetfeld auch positiv auswirken. Denn beim Kollaps einer Gaswolke muss Drehimpuls wegtransportiert werden, sonst würde sich die Gaswolke immer schneller und immer schneller drehen. Und irgendwann würde dann die Zentrifugalkraft dafür sorgen, dass der Kollaps gestoppt wird.“
Diesen Abtransport von Drehimpuls kann das Magnetfeld übernehmen, indem es die Rotation abbremst – und es somit überhaupt erst ermöglichen, dass ein Stern entsteht. Derzeit diskutieren Wissenschaftler, ob kosmische Magnetfelder nicht auch auf viel größeren Skalen eine Rolle gespielt haben, etwa bei der gesamten Galaxienentwicklung. Bislang zog man in Computermodellen hauptsächlich die Schwerkraft heran. Denn es war viel zu rechenaufwendig, die kosmischen Magnetfelder in den Simulationen darzustellen. Inzwischen sind Supercomputer aber so leistungsfähig, dass sich die Wissenschaftler bald ein umfassenderes Bild der Galaxienentstehung machen können – inklusive kosmischer Magnetfelder.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/galaxien-und-galaxienhaufen/kosmische-magnetfelder/