Das Gammateleskop MAGIC

Razmik Mirzoyan

Das MAGIC-Teleskop

Seit 2004 beobachtet auf der Kanareninsel La Palma das weltweit größte Teleskop für den Gammabereich: MAGIC. Bei seinem Bau wurde besonders auf den erfassbaren Energiebereich und auf die Möglichkeit geachtet, die kurzlebigen Gammablitze messen zu können.

Erdgebundene Teleskope können die hochenergetische Gammastrahlung nur indirekt nachweisen. Das funktioniert nach folgendem Prinzip: Dringt ein Gammaphoton in die Atmosphäre ein, zerstrahlt es in einer Höhe von fünf bis zwanzig Kilometern durch die Wechselwirkung mit Atomkernen. Dabei entsteht in äußerst kurzer Zeit eine große Zahl von sekundären Elektronen, die in einem eng gebündelten Strahl in Richtung Erdboden weiterfliegen. Dieser elektromagnetische Schauer erzeugt einen kurzen Lichtblitz, sogenanntes Tscherenkow-Licht, den man vom Erdboden aus mit empfindlichen Teleskopen nachweist.

Allerdings verursachen die geladenen Teilchen der kosmischen Strahlung, hauptsächlich Protonen und Heliumionen, tausendmal mehr Schauer als die Gammaphotonen und damit ebenfalls Tscherenkow-Strahlung. Hadronische Schauer verhalten sich aber sowohl in ihrer Zeitstruktur als auch in ihrer räumlichen Verteilung anders als die elektromagnetischen, wodurch sich diese beiden Phänomene unterscheiden lassen. Das Teleskop MAGIC (für „Major Atmospheric Gamma Imaging Cherenkov“) arbeitet dabei nach den gleichen Prinzipien wie die derzeit laufenden Experimente CANGAROO, H.E.S.S. und VERITAS.

MAGIC verfügt über eine Kamera mit einem Öffnungswinkel von 3,5 Grad, entsprechend dem siebenfachen Vollmonddurchmesser. Freilich handelt es sich nicht um eine konventionelle Kamera. Äußerst empfindliche Photomultiplier im Fokus des Sammelspiegels registrieren die schwachen und extrem kurzen Lichtblitze – etwa 500 bis 5000 Gammaquanten innerhalb von ein bis zwei Milliardstel Sekunden. Der Ort der Tscherenkow-Blitze am Himmel wird zusammen mit der genauen Ankunftszeit aufgezeichnet. Aus diesen Informationen wird das Primärteilchen identifiziert. Der isotrope Lichthintergrund des Himmels ist dabei ein zusätzlicher Störfaktor. Eine maximale Lichtausbeute und eine schnelle Elektronik sind deshalb nötig und gehörten mit zu den größten technischen Herausforderungen dieses Projekts.

Großer Spiegel, auf den zahlreiche rote Laserstrahlen fallen, die alle aus einem Punkt kommen.

Laserstrahlen zur Justage von MAGIC

Das weltweit empfindlichste Auge für den Gammabereich

MAGIC hat einen beherzten Schritt zu größeren Dimensionen und zu einer besonders leichten Bauweise unternommen. Der aus über 900 Einzelfacetten zusammengesetzte Sammelspiegel bildet mit 234 Quadratmetern das bei weitem größte aller existierenden Gammateleskope. Der tragende Rahmen ist aus leichten Kohlefaserstäben aufgebaut. Die Einzelspiegel werden permanent programmgesteuert fokussiert, um die bei der Größe des Geräts unvermeidlichen Verbiegungen zu kompensieren.

Diese und weitere technologische Neuerungen haben für MAGIC ganz neue Beobachtungsmöglichkeiten eröffnet. Die große Spiegelfläche erlaubt es, auch noch die schwächeren Signale von Gammaquanten mit niedriger Energie zu identifizieren. Damit macht MAGIC einen bisher unerforschten Energiebereich deutlich unter hundert Gigaelektronenvolt zugänglich. Existierende Satellitenexperimente sind bei niedrigeren Energien bis zu wenigen Gigaelektronenvolt empfindlich. Geplant sind auch Weltraumexperimente, wie GLAST (siehe Artikel Das Fermi Gamma-ray Space Telescope), die diese Lücke zu geringeren Energie überbrücken. Durch den Zugang zu niedriger Energie können mit MAGIC auch wesentlich weiter entfernte Himmelskörper nachgewiesen werden als bisher, was für viele Fragen der heutigen Kosmologie von großer Bedeutung ist.

Im oberen Teil des Bildes ist eine innen violette Gaswolke mit orangen bis weißen ovalen Filamenten gezeigt. An diese Wolke schließen sich nach rechts oben und links unten rote Gasschwaden an. In der Mitte der Wolke befindet sich ein heller Stern, auf den zwei Linien weisen, die an den Ecken eines Diagramms unter dem Nebelbild enden. Das Diagramm zeigt eine Zählrate, die in Form blauer Balken über einer zeitlichen Phase aufgetragen sind. Die Phase nimmt Werte zwischen -1 und 1 an, die Zählrate ist ohne Zahlen und Einheiten angegeben. Die Balken sind in der vertikale mit Fehlerindikatoren, etwa zwanzig Prozent der Diagrammhöhe, versehen. Es sind zwei Haupt- und zwei Nebenmaxima in der Zählrate zu erkennen, ein Pfeil zwischen den Hauptmaxima ist mit „0,033 seconds“ beschriftet.

Gammastrahlenpulse aus dem Krebsnebel

Eine wesentliche Neuerung besteht auch darin, dass sich das gesamte Teleskop wegen der Leichtbauweise schnell bewegen lässt. Damit ergibt sich die Möglichkeit, die rätselhaften Gammastrahlenausbrüche in einem ganz neuen Spektralbereich zu beobachten. Das sind unerwartet und nur kurz am Himmel aufleuchtende Gammaquellen, die insbesondere in den letzten zehn Jahren zu einem der zentralen Forschungsthemen der Astrophysik geworden sind. Bis vor kurzem haben hauptsächlich Weltraumteleskope die weitgehend noch unerklärten Gammablitze im Röntgenbereich wahrgenommen. Vereinzelt lassen sie sich auch mit optischen Teleskopen aufspüren. MAGIC kann dieses Phänomen nun auch im hochenergetischen Gammabereich messen: Melden speziell zur Entdeckung von Gammablitzen entwickelte Weltraumteleskope wie Swift ein Ereignis zur Erde, kann MAGIC innerhalb von wenigen Sekunden an die betreffende Himmelsposition schwenken. Dies muss deshalb so schnell geschehen, weil Gammastrahlenausbrüche typischerweise nur für eine Minute oder weniger aufblitzen.

Erste Erfolge mit MAGIC

Seit seiner Inbetriebnahme Ende 2004 hat MAGIC bereits einige wesentliche Beiträge zum Verständnis der hochenergetischen Gammastrahlung leisten können. Der Krebsnebel, eine konstant strahlende „Eichquelle“, wurde von MAGIC erstmals bei Energien unter hundert Gigaelektronenvolt vermessen. Zwei Quellen, die als Gammastrahler von H.E.S.S. erst 2004 in unserem Milchstraßensystem entdeckt wurden, konnten von MAGIC bestätigt und bei niedrigeren Energien verfolgt werden. Sie sind bezeichnet mit J1813 und J1834, und mit einiger Sicherheit identisch mit bekannten Supernovaquellen im Radiobereich. Im Fall von J1834, einer Quelle mit messbarer Ausdehnung, konnte MAGIC eine Molekularwolke identifizieren, die Anteil an der Erzeugung der beobachteten Gammas durch einen Hadron-basierten Mechanismus haben könnte.

Die horizontale Zeitachse des Diagramms geht von -50 bis 300 Sekunden. Der Zeitnullpunkt ist durch einen Peak einer schwarzen Messlinie, der Swift-Daten, festgelegt. Die linke vertikale Achse, beschriftet mit „BAT rate“ und zur schwarzen Linie gehörig, geht von 0 bis 0,5 Zählungen pro Sekunden. Bei der Zeitmarke von vierzig Sekunden markiert eine gestrichelte Vertikale den Beginn der MAGIC-Messungen. Diese sind in Form von 13 blauen Punkten aufgetragen. Die rechte vertikale Diagrammachse zeigt, dass die Punkte um eine MAGIC-Rate von 0 Hertz streuen, wobei die Messpunkte zwischen -0,2 und 0,2 Hertz liegen. Die Fehlerbalken betragen vertikal knapp 0,2 Hertz, horizontal etwa zehn Sekunden.

Vergleich eines Gammastrahlenausbruchs mit seiner Röntgenstrahlung

Erstmals überhaupt gelang MAGIC die Beobachtung eines Objekts in sehr großer Entfernung, mit einer Rotverschiebung von 0,182. Dabei handelt es sich um eine BL Lacertae Quelle, die im Röntgenbereich bekannt war, aber bisher nicht als Gammastrahler. Ein großer Erfolg sind auch die Beobachtungen von aktiven galaktischen Kernen (AGN), außerhalb unserer Milchstraße. So gelang erstmals eine Beobachtung des AGN 1ES1959+650 bei weit niedrigeren Energien als bisher möglich. Auch hier werfen die Ergebnisse interessante neue Fragen über die Mechanismen der Erzeugung von Gammaphotonen auf, die sich deutlich von bisherigen Modellen für andere AGN unterscheiden. Ebenfalls Aufsehen erregte die Vermessung des Energiespektrums des Blazars Mkn 421 bis herunter zu hundert Gigaelektronenvolt, das erstmals Anzeichen eines messbaren Maximums im Gammabereich durch Compton-Prozesse zeigt, sowie der Nachweis sehr kurzzeitiger Intensitätsausbrüche in dem Blazar Mkn 501.

Die Ursachen dieser schnellen Variabilität erfordern neue Erklärungsansätze. Am 13. Juli 2005 gelang schließlich die erstmalige Beobachtung eines Gamma Ray Bursts (GRB050713A). Bereits zwanzig Sekunden nach der Meldung des Satelliten Swift war MAGIC in der Lage, hochenergetische Gammas von dieser Quelle aufzunehmen. Ein eindeutiges Signal für kurzlebige Strahlung im Energiebereich von MAGIC wurde allerdings nicht gemessen. Aber selbst eine obere Grenze für die Intensität der Strahlung wird in Zukunft dazu beitragen, diese rätselhaften Ausbrüche besser zu verstehen.

In leicht abschüssigem Gelände, mit Gras und Büschen bewachsen, steht neben dem ursprünglichen MAGIC-Teleskop ein baugleiches. In ihren Spiegeln zeigt sich die Landschaft von La Palma auf dem Kopf stehend. Rechts der beiden MAGIC-Teleskope steht ein Gebäude mit einer kleinen Kuppel und rotem Dach, das im rechten MAGIC-Spiegel erscheint. Im Hintergrund befindet sich am Horizont eine Teleskopkuppel in gleicher scheinbarer Größe wie die MAGIC-Spiegel, aber deutlich größerer Entfernung.

Die beiden MAGIC-Teleskope

Ausblick – MAGIC verdoppeln

Die bisherigen Ergebnisse mit MAGIC versprechen für die nahe Zukunft weitere neue Entdeckungen. Wir erwarten Beiträge zur galaktischen und extragalaktischen Astrophysik, die mit keinem anderen Teleskop möglich sind. Die innovativen Bauelemente des Instruments haben sich sehr gut bewährt, sodass der Bau eines zweiten Teleskops gleicher Größe am selben Standort derzeit in Angriff genommen wurde. Dadurch werden die Möglichkeiten der Kollaboration ab 2007 sowohl in der Genauigkeit der Messungen wie in der Anzahl der messbaren Objekte noch erweitert.

 

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/kosmische-strahlung/detektoren/magic/