Das kosmologische Prinzip
Franziska Konitzer
Die Materie im Weltall scheint auf großen Skalen gleichmäßig verteilt zu sein, ohne dabei einen Punkt auszuzeichnen. Über dieses kosmologische Prinzip sprach Franziska Konitzer mit Hans Böhringer vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching. Hier finden Sie den Beitrag zum Nachlesen.
Jahrhundertelang hielt sich die Vorstellung, dass die Erde als Mittelpunkt unseres Sonnensystems etwas ganz Besonderes sei. Doch dieses geozentrische Weltbild wurde erst von Nikolaus Kopernikus ins Wanken und schließlich von Johannes Kepler im 17. Jahrhundert zu Fall gebracht: Die Erde war fortan nur einer von mehreren Planeten, die sich um die gemeinsame Sonne drehen. Der Verlust der irdischen Sonderstellung erstreckt sich jedoch nicht nur auf unser Sonnensystem, sondern auf das gesamte Universum.
Hans Böhringer: „Das kosmologische Prinzip ist in gewisser Weise eine Erweiterung der Idee des Kopernikus, oder des sogenannten kopernikanischen Prinzips, dass wir uns mit unserer Erde nicht an einem ausgewählten Punkt des Universums befinden, sondern dass das Universum überall ähnlich ausschaut – so wie wir es bei uns erleben.”
Der britische Astrophysiker Edward Arthur Milne formulierte dieses kosmologische Prinzip im Jahr 1933. Seine Annahmen sind weitreichend.
„Wenn man es streng nimmt, bedeutet das, dass das Universum auf großer Skala annähernd homogen und isotrop ist.”
Ein homogenes Universum sieht für alle Beobachter gleich aus – egal, wo sich diese Beobachter befinden. Daraus folgt, dass die Materie gleichmäßig im Raum verteilt sein sollte. Das Prinzip der Isotropie hingegen bezieht sich auf die Beobachtungsrichtung: In welche Richtung ein Beobachter auch schaut, er sieht immer die gleichen Strukturen. Dabei scheint die unmittelbare Umgebung der Erde dem kosmologischen Prinzip zu widersprechen, denn die Materie verteilt sich nicht gleichmäßig, sondern verdichtet sich in Planeten und Sternen. Und auch die Beobachtungsrichtung spielt eine Rolle. So unterscheidet sich der Nachthimmel der Nordhalbkugel doch erheblich von dem der Südhalbkugel.
Leerräume und Superhaufen
„Die Homogenität des Universums wird erst klar, wenn wir wirklich auf sehr großen Skalen das Universum betrachten, was wir inzwischen mit den besten Galaxiendurchmusterungen des Himmels machen können. Dort sehen wir, dass sich die Strukturen in ähnlicher Weise immer wiederholen, mit Leerräumen, Superhaufen und Filamentstrukturen.”
In Galaxien versammeln sich Milliarden von Sternen, während sich mehrere Galaxien zu annähernd kugelförmigen Galaxienhaufen zusammenschließen. Superhaufen hingegen sind irreguläre Ansammlungen von Galaxien und Galaxienhaufen, die durch fadenförmige Strukturen – sogenannte Filamente – verbunden sind. Die Filamente selbst enthalten ebenfalls Galaxien und umspannen die Leerräume im Universum, in denen es nur sehr wenig Materie gibt. Astronomen können diese großräumigen Strukturen des Kosmos in verschiedenen Wellenlängen nachweisen.
„Die bekanntesten Durchmusterungen sind natürlich die Durchmusterungen nach Galaxien im optischen Bereich. Dort hat man über eine Million Galaxien kartiert und sieht daraus, wie sich die Struktur des Universums in der Verteilung der Galaxien abbildet. In unserer eigenen Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik beschäftigen wir uns mit der Kartierung des Universums anhand von Galaxienhaufen. Diese Galaxienhaufen entdecken wir zum Beispiel im Röntgenbereich. Eine Himmelsdurchmusterung in diesem Wellenlängenbereich wurde mit dem deutschen Satelliten Rosat durchgeführt, der einen ganzen Himmelsatlas geliefert hat.”
Während die Rosat-Mission im Röntgenbereich seit über einem Jahrzehnt abgeschlossen ist, dauern die großen Himmelsdurchmusterungen im optischen Bereich immer noch an. Das internationale Projekt Sloan Digital Sky Survey kartiert seit 1998 ein Viertel des Himmels. Die Fülle an Daten dieser Durchmusterungen zeigt, dass die Annahmen des kosmologischen Prinzips zutreffen.
„Auf einer großen Skala betrachtet wird klar, dass das Universum tatsächlich annähernd homogen ist.”
Seit Anbeginn des Universums
Aus der Anordnung der Superhaufen, Filamente und Leerräume ermitteln Forscher auch die Längenskala, auf der das kosmologische Prinzip gilt: Sie entspricht den Größen der Superhaufen und Leerräume und beträgt rund dreihundert Millionen Lichtjahre. Darüber hinaus sind keine größeren Strukturen mehr erkennbar. Zum Vergleich: Die Ausdehnung unseres Milchstraßensystems beträgt rund hunderttausend Lichtjahre, während das beobachtbare Universum vermutlich einen Durchmesser von rund 93 Milliarden Lichtjahren hat. Dass das kosmologische Prinzip fast seit Anbeginn des Universums gegolten haben muss, zeigt eine weitere Beobachtung.
„Ein anderes Abbild des homogenen Universums erhalten wir aus der Beobachtung des Mikrowellenhintergrunds. Dieser liefert ein Abbild des Universums rund 300 000 Jahre nach dem sogenannten Urknall. Dieser Mikrowellenhintergrund zeigt eine sehr, sehr große Homogenität, mit Unregelmäßigkeiten erst auf einer Skala von einem Hunderttausendstel der Dichtestruktur des Universums.”
Die Strahlung des Mikrowellenhintergrunds durchdringt den gesamten Kosmos. Sie entstand, als das nach dem Urknall abkühlende Universum erstmals durchsichtig für Licht wurde. Durch die Expansion des Raumes dehnte sich die Wellenlänge des Lichts im Lauf der Jahrmilliarden aus, sodass es heute im Mikrowellenbereich zu beobachten ist. Die Gleichmäßigkeit der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung zeigt, dass die Materie bereits im sehr frühen Universum homogen und isotrop verteilt war. Die Frage, warum das kosmologische Prinzip überhaupt gilt, ist allerdings noch nicht geklärt.
„Die Kosmologen arbeiten heutzutage mit einer relativ klaren Modellvorstellung, wie sich das Universum entwickelt hat. Dabei ist die Frage, warum es sich so entwickelt hat, noch nicht klar. Aber prinzipiell ist die Idee die, dass es am Anfang des Universums eine sogenannte inflationäre Phase gab, in der sich das Universum sehr schnell ausgebreitet hat. Dort wurden vermutlich die Dichtefluktuationen aus Quantenfluktuationen erzeugt, die sofort auf eine sehr große Skala transportiert und eingefroren wurden.”
Wissenschaftler nehmen an, dass diese Quantenfluktuationen gleichmäßig verteilt waren. Die dadurch entstehenden Dichtefluktuationen verstärkten sich dann allmählich durch den Einfluss der Schwerkraft, bis sich daraus schließlich die Strukturen unseres heutigen Universums bildeten – von der Erde bis hin zu gigantischen Leerräumen und Superhaufen.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/kosmologie/das-kosmologische-prinzip/