Mars: Ein großer Ozean und eine extreme Trockenperiode

Raumsonden liefern widersprüchliche Ergebnisse über die klimatische Vergangenheit des Roten Planeten.

Rainer Kayser

Grenoble (Frankreich)/London (Großbritannien) – Radarmessungen der europäischen Raumsonde Mars Express zeigen über 80 Meter tiefe Sedimentablagerungen auf der Nordhalbkugel des Mars – den bislang überzeugendsten Beweis für die Existenz eines großen Ozeans in der Frühzeit unseres Nachbarplaneten. Die genaue Untersuchung des Marsbodens in der nördlichen Polarregion durch die amerikanische Sonde Phoenix deutet dagegen darauf hin, dass die Oberfläche des Roten Planeten nur wenige Tausend Jahre lang offenem Wasser ausgesetzt war. Die Forschungsergebnisse, die zwei Wissenschaftlerteams im Fachblatt „Geophysical Research Letters“ veröffentlichten, geben wenig Hoffnung, dass auf dem Mars Leben entstanden sein könnte.

Blick auf die Nordhalbkugel des Mars, auf der ein großer, bläulich-violetter Fleck zu sehen ist.

Ozean auf dem Mars

Mit seiner Radaranlage MARSIS kann Mars Express 60 bis 80 Meter tief unter die Oberfläche des Planeten schauen. Bis in diese Tiefe hinein haben Jérémie Mouginot vom Institut de Planétologie et d'Astrophysique de Grenoble und seine Kollegen Hinweise auf Sedimentablagerungen und Eis gefunden – und zwar genau innerhalb von Strukturen auf der Marsoberfläche, die den Küstenlinien eines ausgetrockneten Ozeans ähneln. Der Ozean ist vermutlich vor etwa drei Milliarden Jahren entstanden, als tief im Boden verborgenes Eis nach dem Einschlag eines größeren Asteroiden geschmolzen ist. Innerhalb von weniger als einer Million Jahren ist der Ozean wieder verschwunden – das Wasser ist zum Teil gefroren, zum Teil als Dampf ins Weltall entwichen. „Ich glaube nicht, dass der Ozean lange genug existiert hat, um die Entstehung von Leben zu ermöglichen“, so Mouginot.

Ein sogar noch pessimistischeres Bild des frühen Mars-Klimas liefert die Untersuchung des Bodens in der nördlichen Arktis des Roten Planeten durch Tom Pike vom Imperial College London und sein Team. Die mineralogische Zusammensetzung des Bodens zeige, so die Forscher, dass auf dem Nachbarplaneten seit mehreren hundert Millionen Jahren eine extreme Trockenheit herrsche. Und selbst unter günstigsten Bedingungen könne der Marsboden maximal 5000 Jahre dem Einfluss von flüssigem Wasser ausgesetzt gewesen sein. Frühere Untersuchungen hatten gezeigt, dass der Marsboden über die gesamte Oberfläche des Planeten weitgehend homogen ist. Deshalb ziehen Pike und seine Kollegen aus ihren Daten den Schluss, dass es insgesamt für einen zu kurzen Zeitraum flüssiges Wasser auf dem Mars gegeben hat, um Leben zu ermöglichen.

Doch die Spanne von 5000 Jahren reicht nicht aus, um den Ozean auf der nördlichen Hemisphäre verschwinden zu lassen. Dieser Widerspruch kann nur durch weitere Forschungen aufgelöst werden. Zudem gibt es zahlreiche Indizien dafür, dass es vor vier Milliarden Jahren eine Epoche mit wärmerem, feuchterem Klima auf dem Mars gab. Wenn in jener Zeit Leben auf dem Roten Planeten entstanden ist, könnte es tief im Marsboden bis heute überdauert haben. Um solche Lebensformen nachzuweisen, müsste allerdings wesentlich tiefer in die Kruste des Roten Planeten gebohrt werden, als es mit heutigen Raumsonden möglich ist.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2012/mars-ein-grosser-ozean-und-eine-extreme-trockenperiode/